Jochen Zeitz "Afrikas Kunst für die Welt sichtbar machen"

Der Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz will mit einem eigenen hochkarätigen Kunstmuseum in Kapstadt mit Vorbildern in London, Paris und New York auf Augenhöhe spielen.

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Jochen Zeitz, 51, verantwortet im Board des Pariser Luxusgüterkonzerns Kering sowie im Aufsichtsrat von Harley-Davidson das Thema Nachhaltigkeit. Bis 2010 war er Vorstandschef von Puma. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Zeitz, Sie waren mit 30 Jahren Deutschlands jüngster Vorstandschef, haben Puma gerettet, dann verlassen. Heute werben Sie gemeinsam mit Richard Branson für eine nachhaltigere Wirtschaft. Und jetzt planen Sie, in Kapstadt das erste große Museum für afrikanische Kunst zu eröffnen. Wie kommen Sie darauf?


Jochen Zeitz: Afrika spielt beruflich wie privat seit mehr als zwei Jahrzehnten eine wichtige Rolle für mich. 1989 bin ich zum ersten Mal nach Kenia gereist, seitdem hat mich der Kontinent nicht mehr losgelassen, weil mich insbesondere seien Vielfalt und die Natur fasziniert hat. Meine Leidenschaft für Afrika ließ sich gut mit meiner Arbeit verbinden: Das Bindeglied ist die Kreativität, für die der Kontinent für mich steht.

Gleichzeitig habe ich begonnen, eine Sammlung afrikanischer Kunst und ihrer Diaspora aufzubauen und hatte von Anfang an vor, sie öffentlich zugänglich zu machen. Ein Teil ist in meinem Resort Segera in Kenia und auch bereits in Kapstadt zu sehen. Aber das große Ziel ist, eine Plattform für Kunst aus Afrika zu schaffen, sie weltweit viel sichtbarer zu machen.

Die Museen mit den meisten Besuchern weltweit (in Millionen)

Sie hätten Werke aus Ihrer Sammlung ja auch an Museen verleihen können?
Das ist auch ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts. Ausstellungen und ausgewählte Werke gehen bereits jetzt auf Reisen in wichtige Metropolen wie zum Beispiel zur Biennale nach Venedig und Sydney, an die Tate, das New Museum in New York und das Guggenheim Bilbao. Aber das allein reicht nicht. Kunst aus Afrika braucht einen Ort auf dem Kontinent, der wie ein Kraftwerk die Strömungen bündelt und auch neues hervorbringt. Das „Zeitz MOCAA“, das Museum of Contemporary African Art, soll dieser Ort werden: eine Museums-Marke auf Augenhöhe mit den kulturell prägenden Häusern weltweit. Experten und andere Museen sehen uns in Hinblick auf Relevanz und Tragweite auf dem Niveau eines Guggenheim Museum in New York oder dem Tate in London.

Das Museum entsteht in einem fast 100 Jahre alten Getreidesilo am Hafen von Kapstadt – kommen Sie selbst für den teuren Umbau auf?
Nein, den Umbau des Gebäudes, der nach heutigem Stand gut 50 Millionen Dollar kosten wird, finanzieren der Immobilien-Entwickler der V&A Waterfront und ein Pensionsfonds. Wir leasen das Gebäude dann langfristig. Der Entwickler möchte einen Magneten schaffen, der noch mehr Gäste an die Waterfront holt und dafür ist unser Museum der ideale Partner. Im Umkreis entstehen Hotels, Büros und Wohnungen. Für den Investor ist das eine Mischkalkulation: Er tut mit dem Museum etwas Gutes für die Gesellschaft und profitiert davon, dass das MOCAA die Gegend attraktiver macht.

Aus einem Getreidespeicher wird eine Kathedrale

Worin besteht Ihr Anteil?
Ich bringe meine Sammlung ein und stelle ein Budget für künftige Zukäufe zur Verfügung. Ich unterstütze den Ausbau des Gebäudes zum Museum, sichere und garantiere den Unterhalt.

Hängt das Museum also immer am Tropf Ihrer Stiftung?
Der tägliche Betrieb soll auch seinen Teil zum Budget beitragen, wir kalkulieren das gerade. Das Haus soll nachhaltig funktionieren und sich einmal zu einem guten Teil selbst tragen. Natürlich nutzen wir alles an Geldquellen vom Café über den Museumsverein bis zum Shop. Gleichzeitig wird das Gebäude auch für Unternehmensveranstaltungen genutzt – für Konferenzen, Präsentationen, vielleicht für Modenschauen. Wir werden auch einzelne Säle Sponsoren zur Verfügung stellen, die den Räumen ihren Namen geben können.

Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf den alten Getreidespeicher?
Der ist schlicht perfekt. Dort lagerte mehr als 80 Jahre lang Getreide, ehe es vor allem nach England verschifft wurde. Das Gebäude, das aus dem fast 60 Meter hohen Fahrstuhl-Turm und aus mehr als 33 riesigen Siloröhren nebendran mit Durchmessern von je fast sechs Metern besteht, ist eine Industrie-Ikone, deren Charakter wir so weit wie möglich erhalten wollen.

Die außergewöhnlichsten Kunstmuseen
Museum of Medieval Torture Instruments, Damrak 33, 1012 LK AmsterdamDas niederländische Kulturzentrum Amsterdam bietet mit Häusern wie dem Van Gogh Museum oder dem Rijksmuseum nicht nur einige der besten Ausstellungshallen für die höhen Instinkte, sondern einiges für die weniger hohen. Neben Dingen, die dem lebensfrohen Image Amsterdams entsprechen wie Cannabisprodukten (Hash Museum) oder gleich zweien zum Thema Sex zählt das Foltermuseum zu den Touristenmagneten. Von Guillotine und dem Judas Thron bis zu weniger bekannten Dingen wie der Heretiker-Gabel, alle Arten menschlichen Erfindergeistes in Sachen Sadismus fein systematisch aufgeteilt in Instrument zu Ganz-Körper-Folter, sowie Unterleib und Oberkörper. Dargestellt mit Hifle lebensechter Wachspuppen.Foto: Ctny (Clayton Tang) Quelle: Creative Commons
Col·lecció de Carrosses Fúnebres, CArrer de la Mare de Déu de Port, 56-58, 08038 BarcelonaWarum ausgerechnet eine der lebensfrohesten Städte Europas die größte Schau von Leichenwagen hat, wird wohl eher ein Geheimnis der Katalanen bleiben. Freunde des Pomp auf der letzten Reise finden die Kutschen und Fahrzeuge vom späten 18. bis zu Mitte des vergangenen Jahrhunderts, viele davon mit stilecht in Uniformen und Perücken angetanen Puppen.Foto: Anoryat Quelle: Creative Commons
International UFO Museum and Research Center, 114 North Main Street, Roswell, New Mexico 88203, USAEs ist kein Ort für rationale Skeptiker: das Ufo Museum & Research Center dokumentiert akribisch alles rund um den Absturz eines Flugobjekts im Juli 1947 beim geheimen Flugplatz der Area 51 in Roswell im US-Bundesstaat New Mexico. Für die einen war es ein Ufo mit Außerirdischen, für die zuerst unsicheren Behörden ein Wetterballon, der da niederging. Das Ganze geschah nahe der Straße Richtung Corona - Verbindungen zum im Süden der USA sehr beliebten mexikanischen Bier des gleichen Namens sind sicher zufällig. Und wer die grünen Männchen mit den großen Augen im Trockeneis-Nebel oder die nachgestellte Alien-Autopsie nicht recht ernst nehmen kann, findet im Museumsladen immerhin eine Auswahl an Souveniers, die nicht so recht von dieser Welt ist. Dieser Tage sehr beliebt: außerirdischer Christbaumschmuck.Foto: Sand Quelle: Gemeinfrei
Meguro Parasitological Museum, 4-1-1, Shimomeguro, Meguro-ku, Tokyo 153-0064, JapanJapan vereint problemlos minimalistische Ästetik, hohe Sinnenfreuden und mit höchstem Ernst präsentierte Merkwürdigkeiten. Tokio-Besucher können entsprechend mit dem Grutt Pass für 60 Museen im Edo-Tokyo das Stadtleben früherer Jahrhunderte bestaunen, das kulturgeschichtliche Tokyo National Museum besuchen oder im obersten Stock des Mori Towers in Rappongi Hills Penthouse die Sammlung Moderner Kunst des Mori Museum bewundern. Es geht aber auch skurril bis unappetitlich: Da wäre zum Beispiel das Surigami Animation für selbst erstellte Comics, das (leider nicht im Grutt Pass enthaltene) Cupnoodles Museum zur Geschichte der Instant-Ramen-Nudel-Becher und natürlich das Parasiten Museum. Die streng wissenschaftliche Schau bietet Hartgesottenen einen tiefen Blick in die „wunderbare Welt“ (Museumswerbung) von Würmern, Maden und anderen Bewohnern lebendiger Wesen. Quelle: obs
Museum of Broken Relationships, Ćirilometodska ulica 2, 10000, Zagreb, KroatienAuch wenn die Internetadresse Brokenships.com eher auf Schiffunfälle deutet, am Ende geht es um Liebeskummer in allen Varianten und um die wohl größte Herausforderung: etwas darstellen, was nicht mehr da ist. Das Museum der zerbrochenen Beziehungen im kroatischen Zagreb versucht dies anhand von Gegenständen mit besonderem Erinnerungswert wie Kuschelbären, Gedichten und Dingen wie Nasensprays. Das brachte dem Museum nicht nur jede Menge Auszeichnungen wie „Innovativstes Museum 2011“, sondern auch jede Menge Einladungen zu Gastausstellungen vom amerikanischen San Francisco über Berlin und Kapstadt, Südafrika, bis in die taiwanesische Hauptstadt Taiwan. Mitgereist sind die passenden Dinge des Geschenkeladens wie Bad Memory Eraser (Radiergummi für schlechte Erinnerungen) oder dem Anti-Stress-Stift mit Sollbruchstelle in der Mitte.
The Museum of Witchcraft, The Harbour, Boscastle, Cornwall PL35 0HD, Vereinigtes KönigreichDie Liebe für das Mittelalter und alles Fantastische zeigt sich in der britischen Provinz nicht nur in Kult um Harry Potter oder dieser Tage besonders um J.R.R. Tolkien mit dem seiner Saga um den Hobbit und den Herrn der Ringe. Liebevoll pflegen sie auch viele kleine Museen. Das beliebteste ist das Museum of Witchcraft in Cornwall im Südwesten Englands, auch weil das Haus dank einem eigenen Twitter-Accopunt (@witchmuseum) recht zeitgemäß auftritt. Und doch wäre aus der Sammlung rund um Zauberei und Okkultismus fast nichts geworden, weil beim ersten Versuch der Gründung 1947 in Stratford-upon-Avon der Widerstand der Bürger der Shakespeare-Stadt zu groß war. So startete der zweite Versuch in der irischen See auf der Isle of Man, stilecht mit einer „Resident Witch“. Weil dem Gründer Cecil Williamson da zu wenig los war, zog er – nach drei von Anwohnern vereitelten Gründungsversuchen in den USA, Windsor und Gloucestershire – ins offenere Cornwall. Quelle: ZB

Sind die Röhren nicht etwas eng für Kunst?
Thomas Heatherwick, unser Londoner Architekt, hatte die grandiose Idee, das Speichergebäude praktisch auszuhöhlen, dadurch bekommt es den Charakter einer lichtdurchfluteten Kathedrale. Wir brauchen Platz für 80 Galerien für unsere Künstler, die wir hier ab Ende 2016 zeigen wollen. Dazu kommen 18 Konferenz- und Schulungsräume, ein Hotel mit 24 Zimmern, ein Top-Restaurant, eine Bar und ein Skulpturengarten auf der Dachterrasse mit einem grandiosen Blick auf Stadt und Hafen.

Wie groß ist Ihre Sammlung heute?
Die Kollektion gilt als eine der größten Sammlungen afrikanischer Kunst und ihrer Diaspora mit einem signifikanten Stellenwert in der Kunstszene. Allein bei der Biennale in Venedig haben wir zahlreiche wichtige Werke hinzu gekauft – etwa den Gewinner des Goldenen Löwen, Edison Chagas, einen Fotokünstler aus Angola. Zu den bekannteren Namen der Sammlung gehören etwa Künstler wie Kehinde Wiley, Chris Ofili und William Kentridge.

Wie viele Kunstwerke zeigen Sie?
Wir haben insgesamt eine Fläche von fast 10.000 Quadratmetern, davon können wir 6000 für Ausstellungen nutzen. Wir stellen auch jetzt schon ganz in der Nähe im Zeitz MOCAA Pavillon und anderen Museen Teile der Sammlung aus, die alle drei Monate wechseln. Innerhalb von neun Monaten hatten wir dort bereits über 200.000 Besucher. Das ist ein verheißungsvoller Start.

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