WirtschaftsWoche: Herr Zeitz, Sie waren mit 30 Jahren Deutschlands jüngster Vorstandschef, haben Puma gerettet, dann verlassen. Heute werben Sie gemeinsam mit Richard Branson für eine nachhaltigere Wirtschaft. Und jetzt planen Sie, in Kapstadt das erste große Museum für afrikanische Kunst zu eröffnen. Wie kommen Sie darauf?
Jochen Zeitz: Afrika spielt beruflich wie privat seit mehr als zwei Jahrzehnten eine wichtige Rolle für mich. 1989 bin ich zum ersten Mal nach Kenia gereist, seitdem hat mich der Kontinent nicht mehr losgelassen, weil mich insbesondere seien Vielfalt und die Natur fasziniert hat. Meine Leidenschaft für Afrika ließ sich gut mit meiner Arbeit verbinden: Das Bindeglied ist die Kreativität, für die der Kontinent für mich steht.
Gleichzeitig habe ich begonnen, eine Sammlung afrikanischer Kunst und ihrer Diaspora aufzubauen und hatte von Anfang an vor, sie öffentlich zugänglich zu machen. Ein Teil ist in meinem Resort Segera in Kenia und auch bereits in Kapstadt zu sehen. Aber das große Ziel ist, eine Plattform für Kunst aus Afrika zu schaffen, sie weltweit viel sichtbarer zu machen.
Die Museen mit den meisten Besuchern weltweit (in Millionen)
Louvre (Paris)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
National Museum of Natural History (Washington)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
National Museum of China (Peking)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
National Air and Space Museum (Washington)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
British Museum (London)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Metropolitan Museum of Art (New York)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
National Gallery (London)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Vatikan Museen (Rom)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Natural History Museum (London)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Deutsches Museum (München)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Pergamon Museum (Berlin)
Quelle: AECOM, The Art Newspaper; Zahlen für 2013
Sie hätten Werke aus Ihrer Sammlung ja auch an Museen verleihen können?
Das ist auch ein wichtiger Teil des Gesamtkonzepts. Ausstellungen und ausgewählte Werke gehen bereits jetzt auf Reisen in wichtige Metropolen wie zum Beispiel zur Biennale nach Venedig und Sydney, an die Tate, das New Museum in New York und das Guggenheim Bilbao. Aber das allein reicht nicht. Kunst aus Afrika braucht einen Ort auf dem Kontinent, der wie ein Kraftwerk die Strömungen bündelt und auch neues hervorbringt. Das „Zeitz MOCAA“, das Museum of Contemporary African Art, soll dieser Ort werden: eine Museums-Marke auf Augenhöhe mit den kulturell prägenden Häusern weltweit. Experten und andere Museen sehen uns in Hinblick auf Relevanz und Tragweite auf dem Niveau eines Guggenheim Museum in New York oder dem Tate in London.
Das Museum entsteht in einem fast 100 Jahre alten Getreidesilo am Hafen von Kapstadt – kommen Sie selbst für den teuren Umbau auf?
Nein, den Umbau des Gebäudes, der nach heutigem Stand gut 50 Millionen Dollar kosten wird, finanzieren der Immobilien-Entwickler der V&A Waterfront und ein Pensionsfonds. Wir leasen das Gebäude dann langfristig. Der Entwickler möchte einen Magneten schaffen, der noch mehr Gäste an die Waterfront holt und dafür ist unser Museum der ideale Partner. Im Umkreis entstehen Hotels, Büros und Wohnungen. Für den Investor ist das eine Mischkalkulation: Er tut mit dem Museum etwas Gutes für die Gesellschaft und profitiert davon, dass das MOCAA die Gegend attraktiver macht.
Aus einem Getreidespeicher wird eine Kathedrale
Worin besteht Ihr Anteil?
Ich bringe meine Sammlung ein und stelle ein Budget für künftige Zukäufe zur Verfügung. Ich unterstütze den Ausbau des Gebäudes zum Museum, sichere und garantiere den Unterhalt.
Hängt das Museum also immer am Tropf Ihrer Stiftung?
Der tägliche Betrieb soll auch seinen Teil zum Budget beitragen, wir kalkulieren das gerade. Das Haus soll nachhaltig funktionieren und sich einmal zu einem guten Teil selbst tragen. Natürlich nutzen wir alles an Geldquellen vom Café über den Museumsverein bis zum Shop. Gleichzeitig wird das Gebäude auch für Unternehmensveranstaltungen genutzt – für Konferenzen, Präsentationen, vielleicht für Modenschauen. Wir werden auch einzelne Säle Sponsoren zur Verfügung stellen, die den Räumen ihren Namen geben können.
Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf den alten Getreidespeicher?
Der ist schlicht perfekt. Dort lagerte mehr als 80 Jahre lang Getreide, ehe es vor allem nach England verschifft wurde. Das Gebäude, das aus dem fast 60 Meter hohen Fahrstuhl-Turm und aus mehr als 33 riesigen Siloröhren nebendran mit Durchmessern von je fast sechs Metern besteht, ist eine Industrie-Ikone, deren Charakter wir so weit wie möglich erhalten wollen.
Sind die Röhren nicht etwas eng für Kunst?
Thomas Heatherwick, unser Londoner Architekt, hatte die grandiose Idee, das Speichergebäude praktisch auszuhöhlen, dadurch bekommt es den Charakter einer lichtdurchfluteten Kathedrale. Wir brauchen Platz für 80 Galerien für unsere Künstler, die wir hier ab Ende 2016 zeigen wollen. Dazu kommen 18 Konferenz- und Schulungsräume, ein Hotel mit 24 Zimmern, ein Top-Restaurant, eine Bar und ein Skulpturengarten auf der Dachterrasse mit einem grandiosen Blick auf Stadt und Hafen.
Wie groß ist Ihre Sammlung heute?
Die Kollektion gilt als eine der größten Sammlungen afrikanischer Kunst und ihrer Diaspora mit einem signifikanten Stellenwert in der Kunstszene. Allein bei der Biennale in Venedig haben wir zahlreiche wichtige Werke hinzu gekauft – etwa den Gewinner des Goldenen Löwen, Edison Chagas, einen Fotokünstler aus Angola. Zu den bekannteren Namen der Sammlung gehören etwa Künstler wie Kehinde Wiley, Chris Ofili und William Kentridge.
Wie viele Kunstwerke zeigen Sie?
Wir haben insgesamt eine Fläche von fast 10.000 Quadratmetern, davon können wir 6000 für Ausstellungen nutzen. Wir stellen auch jetzt schon ganz in der Nähe im Zeitz MOCAA Pavillon und anderen Museen Teile der Sammlung aus, die alle drei Monate wechseln. Innerhalb von neun Monaten hatten wir dort bereits über 200.000 Besucher. Das ist ein verheißungsvoller Start.