Das Licht im Saal des Kölner Residenz-Kinos ist bereits gedimmt, in wenigen Minuten beginnt der Film. Die meisten Besucher sitzen in breiten Ledersesseln, die Rückenlehnen zurückgeklappt. Mit ausgestreckten Füßen auf den Hockern lauschen sie leiser Lounge-Musik. “Ihr Mai-Tai”, sagt eine Kellnerin plötzlich, lächelt und stellt den Cocktail auf die Armlehne des Sessels. “Noch einen Wunsch?”, will sie wissen - um dann die Abfuhr des Abends zu erteilen: “Popcorn gibt es bei uns nicht.”
Das Konzept des Residenz ist Anti-Popcorn. Der Prototyp des Kino-Snacks passt nicht zu dem, was sich Andreas Lühnstroth für sein Filmtheater vorstellt. Zu klebrig, zu stinkig, zu gewöhnlich ist ihm der Puffmais. “Viele unserer Gäste wollen etwas anderes”, sagt er.
Das Residenz ist eine von vier Astor Film Lounges in Deutschland, die zu Premium Entertainment gehören. Das Unternehmen hat sich auf Luxus-Kinos spezialisiert. Die bieten den Gästen zusätzlichen Service - vom Begrüßungs-Sekt an der Bar über besonders komfortable Kinosessel bis zur Bedienung am Platz. Und dieser Service hat seinen Preis.
Konkurrenz durch Heimkinos
Mit dem Luxus-Konzept wollen Astor Film Lounges in einer Branche bestehen, die es derzeit schwer hat. Denn die Deutschen meiden die Lichtspielhäuser.
2003 kauften nach Angaben der deutschen Filmförderungsanstalt (FFA) noch 149 Millionen Besucher eine Eintrittskarte. Im vergangenen Jahr waren es fast 20 Millionen weniger.
Für die Unlust am Kino sind weder gutes Wetter noch schlechte Filme allein verantwortlich. Denn vor allem ist durch immer bessere Heimkinos eine gefährliche Konkurrenz entstanden.
Nur wenige Monate, nachdem der Film im Kino lief, ist er schon auf DVD oder Blue-Ray zu kaufen. Die Scheiben selbst werden nur wenig später selbst zu Schleuderpreisen angeboten. Und dank einer zunehmenden Zahl an Streaming-Angeboten müssen Cineasten nicht das Haus verlassen, um an einen aktuellen Film zu kommen.
Die neuen Flachbildschirme verschärfen die Situation. “Das Geschäftsmodell der Kinobetreiber wird durch alternative Filmmedien bedroht”, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Multiplex-Riese Cinemaxx.
Kinos in der Krise
Kein Wunder, dass Kinobetreiber ständig die besondere Atmosphäre beschwören. “Man kann das TV-Erlebnis auf dem heimischen Sofa nicht mit dem Event ‚Kino‘ vergleichen”, sagt etwa Cinemaxx-Geschäftsführer Christian Gisy. Es sei etwas ganz anderes, einen Film gemeinschaftlich auf der großen Leinwand zu erleben als im kleinen Kreis im Wohnzimmer.
Doch Schönreden hilft wenig. Denn das große Kinosterben hat bereits begonnen. Zwischen 2003 und 2013 ging die Zahl der Lichtspielhäuser um rund 200 zurück. Knapp 1700 Spielstätten gibt es derzeit noch. Tendenz sinkend.
Das Kinosterben geht weiter
Bislang waren es vor allem kleine Kinos, bei denen der letzte Vorhang fiel. Insbesondere in kleineren Städten mussten Kinobetreiber schließen. Sie konnten mit den Großen der Branche nicht mehr mithalten, hatten kein Geld, um in moderne Technik zu investieren und verloren deshalb noch schneller Zuschauer.
Doch auch an den Multiplex-Kinos geht die Entwicklung nicht vorbei: In den vergangenen zehn Jahren haben sie zehn Millionen Besucher eingebüßt.
Manche Betreiber reagieren auf die sinkenden Zuschauerzahlen mit technischer Aufrüstung. Sie investieren Millionen in Digitaltechnik, moderne Sound-Systeme und 3D-Ausstattung. Die bessere Technik, so die Hoffnung, wird die Filmfans schon vom Sofa in den Kinosessel treiben. Die hohen Kosten holen sich die Lichtspielhäuser von den Kunden zurück - vor allem durch höhere Ticket-Preise.
Kurios: Der nachlassende Hype um 3D-Filme hat den Kinos zwar nicht mehr Besucher, wohl aber deutlich höhere Umsätze beschert. In den vergangenen Jahren knackte die Branche die Milliardenmarke.
“Im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten sehen wir unsere Preise als absolut gerechtfertigt an, wenn man die Qualität und die Länge der gebotenen Unterhaltung betrachtet”, sagt Cinemaxx-Boss Gisy, dessen Ticketpreise den Durchschnitt von zurzeit 7,89 Euro zumeist deutlich übersteigen.
Der Kino-Besuch wird zum Event stilisiert, das seinen Preis hat. Wenn schon weniger Besucher kommen, sollen die wenigstens ordentlich für das Gebotene zahlen. Diesen Gedanken treiben die Luxus-Kinos der Marke Astor Film Lounge weiter. Zwischen elf und 16 Euro kostet dort eine Karte am Abend.
Ältere Zielegruppe
Das Konzept geht offenbar auf. Nach einer Anlaufphase ist sein zwei Jahre altes Kino in Köln mittlerweile profitabel, sagt Residenz-Theaterleiter Lünstroth. Auch in den anderen Astor Film Lounges läuft das Geschäft so gut, dass das Unternehmen expandieren will. Zurzeit werden geeignete Standorte für neue Filmtheater gesucht - unter anderem Dortmund ist im Gespräch.
Die Luxus-Kinos bekommen nicht nur Zulauf von den klassischen Kinogängern. Komfort, Service und Exklusivität locken vor allem ältere Zuschauer. “Viele Besucher kommen nach Jahren der Kino-Abstinenz wieder zurück”, sagt Lünstroth.
An diese Zielgruppe richtet sich auch die Filmauswahl: Kein Arthouse, aber gehobener Mainstream. Die großen Blockbuster laufen auch in der Filmlounge. Wer aber klaumike Teenie-Komödien und brutale Horrorstreifen will, wird enttäuscht.
Luxus-Kino auch im Multiplex
Was die Luxus-Kinogänger eint, ist die Geldbörse. Sie können es sich leisten, für den gebotenen Service und Komfort zu bezahlen. Im "Residenz" kostet eine Platte “Variation von Käse” 11,50 Euro, die Schale mit Gemüsesticks gibt es für sieben Euro, die 0,75-Liter-Flasche Dom Pérignon für 280 Euro.
Luxus-Kino auch im Multiplex
Dass mit dem Luxus-Konzept neue und vor allem zahlungskräftige Gäste gelockt werden können, haben auch andere erkannt. Cinemaxx hat seine Häuser in Essen und Mülheim bereits vor einigen Jahren mit zwei Luxuskinosälen ausgestattet. Das Angebot "First-Class" bietet ebenfalls bequeme Sitze und Glastische mit dimmbaren Lampen. Getränke und Fingerfood werden an den Platz gebracht. Auch Cinemaxx verspricht dadurch mehr Kinogenuss zu sorgen und hofft auf Gäste, die bis zu 15 und 20 Euro für eine Karte bezahlen.
Bislang funktioniert das Luxus-Experiment, inzwischen hat es die Kette auf fünf Standorte ausgeweitet. Auch UCI bietet unter dem Namen iSens eine Luxus-Variante.
Sorge, dass ihm die großen Häuser das Luxus-Geschäft vermiesen könnten, macht sich Lünstroth nicht. “Unser Konzept ist nicht eins zu eins zu übertragen”, glaubt er. “Wir wollen unseren Gäste Ruhe und Entspannung zu geben. Das funktioniert in den großen Häusern nicht.”
Luxus ist eben kein Patent-Rezept. Mit dem „Event Cinema“ stieg auch Cinestar 2011 in die Premium-Klasse der Filmtheater ein. Das Ziel: durch Komfort eine neue Zielgruppe zu erschließen. Für mehr als eine Million Euro baute die Kette ihr Berliner Imax zum Luxus-Kino um. Doch nur zwei Jahre später war das Experiment zu Ende.
Seit 2013 betreibt Cinestar in dem Gebäude wieder ein Imax-Kino - mit moderner 3D-Technik.
Keine Frage, die Strategie ist riskant. Denn mit der Hochpreis-Politik schließen die Luxus-Kinos große Teile der Filmfans aus. Nicht jeder ist nunmal dazu bereit, für einen Kinoabend zu Zweit mit ein paar Knabbereien 50 Euro zu bezahlen - zumal Popcorn doch irgendwie zum echten Kino-Besuch gehört. Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch.