Klaus-Michael Kühne Grandseigneur der Logistik will es nochmal wissen

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Blick in die Bücher

Verladen von Waren bei Kühne Quelle: Pressebild

Bezeichnend für diese Besessenheit ist eine Geschichte, die sich vor etwa zehn Jahren ereignete. 2001 ließ die Frachttochter der Lufthansa eine Maschine auf Arthur Antonio Da Silva taufen. So hieß der Inhaber der Spedition Jet-Speed aus Hongkong. Da Silva war Kühnes Konkurrent und Großkunde der Lufthansa – die Taufe ein Zeichen des Dankes für langjährige Partnerschaft. Als Kühne später zufällig den Namen seines Kontrahenten auf einer Boeing 747 erblickte, griff er zum Hörer. Auch er sei Großkunde, sagt er. 2004 benannte Lufthansa einen Jumbo auch nach Kühne.

Die Welt sollte ihn kennenlernen. Legendär sind auch seine Besuche in den weltweiten Standorten von Kühne + Nagel. „Kühne schaute immer gerne in die Bücher“, erinnert sich ein Regionalleiter. Per Zufallsprinzip zog er drei Jahresabschlüsse aus dem Regal. „Da musste man hoffen, dass es gute Jahre waren.“ Denn einer wie Kühne vergesse nichts. Namen und Gesichter merke er sich wie kein anderer. Mitarbeiter überrasche „Klaumi“, wie Weggefährten ihn nennen, oft mit Details aus Gesprächen, die Jahre zurückliegen.

Erfolgsprinzip Schnelligkeit

Obwohl Kühne 1998 offiziell aus dem Alltagsgeschäft ausstieg, lebt sein System in der Zentrale ungebrochen fort. Noch immer schaltet sich in der Firmenzentrale das Licht in den Büros nach Feierabend automatisch ab, um Strom zu sparen. Wer weiter arbeiten will, muss das Licht wieder einschalten. Zugleich ließ Kühne Bewegungsmelder installieren, die das Licht auch dann ausknipsen, wenn sich ein Mitarbeiter längere Zeit nicht bewegt. Um Porto zu sparen, transportieren Manager bis heute Post auf Dienstreisen mit sich.

Das Unternehmen entwickelte sich unter diesem Regime zum Renditekönig: vier Prozent operative Marge 2011. In der Seefracht sind die Spediteure mit dem Anker-Logo Nummer eins. In der Luftfracht, bei Logistiklösungen und im Bahn-Speditionsgeschäft zählen sie zur Weltspitze. Kühnes Erfolgsprinzip heißt Schnelligkeit. Er gab den Landesgesellschaften Macht, um auf Kundenbedürfnisse flexibel zu reagieren. „Es gab einen ausgeprägten Unternehmergeist“, sagt ein Top-Manager.

Grafik Kurs der Kühne+Nagel-Aktie

Kühne gestaltet weiter mit

Gleichwohl spürt Kühne, dass sein Unternehmen in neue Dimensionen vorstößt. 2011 übernahm Nachfolger Karl Gernandt den Chefposten in der Holding, in die Kühne seine 53 Prozent an dem Logistikkonzern eingebracht hat, und damit auch den Vorsitz des Verwaltungsrats bei Kühne + Nagel. Unter Gernandt verändert sich der Logistiker vom Mittelständler zum Konzern. Die DNA gehe verloren, sagt ein Manager. Entscheidungen dauern länger, Formalitäten werden wichtiger. Kühne bestätigt, dass „sich der Individualismus abbaut“. Früher kannte er jeden leitenden Mitarbeiter persönlich. Das sei heute schwieriger. „Ein gewisses Konzerngebaren ist nicht zu vermeiden“, so Kühne. „Die guten alten Zeiten kommen nicht wieder.“

Kühne trauert Vergangenem aber nicht hinterher, sondern gestaltet weiter mit – auch wenn ihm das mancher Manager nicht ansieht. Wegbegleiter erinnern sich an eine Vorstandssitzung, bei der Kühne als Verwaltungsratschef in der zweiten Reihe saß. Er ließ die Diskussion laufen und sagte kein Wort, obwohl es um eine millionenschwere Investition ging. „Wie weggedöst“, erinnert sich ein Teilnehmer, habe „Klaumi“ gewirkt. Als der Vorstand die Summe freigeben wollte, hob Kühne die Stimme und stoppte die Investition.

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