Kommunen zahlen drauf Vom langsamen Tod der Friedhöfe

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Kein Blumenschmuck, kein Grabstein


In Bestattungswäldern erinnern nur Plaketten an den Bäumen an die Verstorbenen, klassische Grabsteine oder bepflanzte Beete gibt es nicht. Quelle: dpa

Schon rund jede zehnte Urne findet ihre letzte Ruhe unter einem Baum. Wer einen Baum für sich oder seine Familie alleine möchte, muss mit gut 3000 bis 6000 Euro rechnen. Eines von bis zu zwölf Einzelgräbern unter einem Gemeinschaftsbaum, kostet etwa 800 Euro bei 99 Jahren Ruhezeit. „Wir wollten einfach einen anderen Ort anbieten“, erklärt Corinna Brod, Sprecherin von Friedwald mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt, dem neben Ruheforst größten Anbieter von Bestattungswäldern in Deutschland.

Die Idee stammt aus der Schweiz und ist mit keiner religiösen Ausrichtung verbunden. „Wir sind da völlig neutral“, betont Brod. Die evangelische wie auch katholische Kirche hat dennoch eine Weile gebraucht, bis sie die Bestattung in den Forsten gut geheißen hat.

Wichtige Regeln für ein Kondolenzschreiben

Mittlerweile gibt es hierzulande 50 Friedwald-Standorte. 2009 waren es erst 29. Träger der Bestattungswälder sind wie beim Friedhof die Gemeinden. Friedwald und Ruheforst lassen sich ihre Dienstleistungen wie Franchisenehmer je nach Umfang bezahlen. Die Nachfrage ist groß – auch von Seiten der Kommunen, die ihre Wälder nachhaltig und wirtschaftlich bewirtschaften wollen. Ein neues Zubrot für Gemeinden und Förster.

Die Naturfriedhöfe haben aber auch Nachteile: Es gibt keine befestigten Wege und einige der Wälder sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln weniger gut zu erreichen als zentral gelegene Stadt- und Dorffriedhöfe. Für Bestatter, Friedhofsgärtner und Steinmetze bleibt zudem in den Bestattungswäldern wenig zu tun. Da allein die Jahreszeiten für den Grabschmuck sorgen, und die Beerdigung der Urne meist schlicht ausfällt, werfen die Ruhehaine für diese Gewerke wenig bis nichts ab.

Abschied vom Friedhofszwang

Das hat zu Verstimmungen zwischen manchen Bestattern und Friedwald geführt. Sprecherin Brod ist auf Versöhnung aus. Auf der Messe BEFA in Düsseldorf will sie den Kontakt suchen: „Vielleicht entdeckt der eine oder andere ja, dass es für ihn auch von Vorteil sein kann, uns in sein Portfolio aufzunehmen.“ Der Stand auf der Messe signalisiert, dass es sich bei den Friedwäldern bereits um eine etablierte Größe in der Branche handelt. Die Zeichen stehen auf Expansion. 30 Quadratmeter auf der internationalen Schau statt bisher zehn auf kleinen Regional- oder Hausmessen haben sich die Griesheimer gegönnt. Kein Weg führt daran vorbei. Als Bedrohung für die klassischen Friedhöfe sieht Brod die Bestattungswälder aber definitiv nicht, „dafür ist unser Anteil mit drei oder fünf Prozent doch viel zu klein“.

Zum echten Problem für traditionelle Friedhöfe und Bestattungswälder könnte allerdings der Fall des Friedhofzwangs werden. In Deutschland dürfen Verstorbene oder deren Asche nur auf Friedhöfen beigesetzt werden. Bremen hat das Gesetz, das unter Länderhoheit steht, bereits gelockert. Dort ist es möglich, die Asche Verstorbener auf besonderen Flächen außerhalb von Friedhöfen zu verstreuen. In NRW ist es erlaubt, die Asche eines Verstorbenen den Angehörigen auszuhändigen, wenn sie anschließend beigesetzt wird. Eine Kontrolle gibt es allerdings nicht.

Die Urne der Oma auf dem Kaminsims kennt man in Deutschland bislang nur aus amerikanischen Serien. Und weder Aeternitas-Sprecher Helbach, noch Bestatter Wirthmann oder Friedwald-Sprecherin Corinna Brod halten etwas davon. „Anfänglich ist es vielleicht ein gutes Gefühl, den Verwandten noch in seiner Nähe zu haben“, sagt Brod, „aber nach ein paar Monaten ändert sich das. Der Wunsch, den Toten zu begraben, wächst.“ Den Tod ständig vor Augen zu haben, scheint den Lebenden nicht zu bekommen. Dafür ist es umso wichtiger, einen Ort der Trauer für diejenigen zu haben, die nicht mehr sind. Ob im Bestattungswald oder auf dem Friedhof.

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