Kommunen zahlen drauf Vom langsamen Tod der Friedhöfe

Den deutschen Friedhöfen geht es schlecht. Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein kleines Urnengrab, die Leerstände steigen. Warum Gottesacker zu Golfplätzen werden und immer Menschen im Wald statt  auf dem Friedhof bestattet werden möchten.

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Klassische Gräber können sich immer weniger Deutsche vorstellen. Die Friedhöfe müssen ihre Flächen daher immer weiter verkleinern, manche werden ganz geschlossen. Aber wie möchten die Deutschen dann ihre letzte Ruhe finden und vor allem wo? Quelle: dpa

Im Frühjahr 2057 ist es soweit: Ich sterbe – statistisch gesehen versteht sich. Als Frau, geboren im Juni 1980, beträgt meine Lebenserwartung 76,65 Jahre. Kein angenehmer Gedanke. Der Tod macht mir Angst. Wie die meisten Deutschen, möchte ich mich nicht mit meinem Ableben auseinandersetzen, dabei gibt es so viele Entscheidungen zu treffen.

Was soll mit meinen körperlichen Überresten geschehen? Möchte ich klassisch beerdigt werden? Eingeäschert? Soll aus meine Asche auf See verstreut werden? Oder – was in Deutschland verboten, aber über den Umweg über die Schweiz möglich ist – ein Diamant daraus gepresst werden, der meine Nachfahren als funkelndes Etwas an mich erinnert? Ich, als Schmuckstück? Für mich ein absurder Gedanke, aber für den Tod gibt es mittlerweile so viele Möglichkeiten wie für das Leben.

Kosten für eine Bestattung

Immer mehr Menschen haben den Wunsch nach einer individuellen Gestaltung. Klassische Erdbestattungen im Einzel- oder Familiengrab treffen immer seltener den Geschmack. Familie, Glaube, Tradition – all diese Werte verlieren an Bedeutung. Die Friedhöfe stellt das vor ein Problem. Wenn immer weniger Menschen ein großes Erdgrab belegen möchten, wohin dann mit dem ganzen Platz? Die Berechnungen dafür aus den 50er, 60er und 70er Jahren haben sich im eigentlich Wortsinn überlebt.

Sterbezahlen in Deutschland
Sterbezahlen 1990921.000
Sterbezahlen 2005830.000
Sterbezahlen 2015*941.000
Sterbezahlen 2025*970.000
Sterbezahlen 2035*1.052.000
Sterbezahlen 2045*1.152.000
* Prognose unter Berücksichtigung stetig steigender Lebenserwartung
Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Lebenserwartung ist deutlich gestiegen und immer mehr Menschen wollen lieber eingeäschert statt beerdigt werden. Die kleinen Urnengräber füllen aber nicht die großen Friedhofsflächen. Die Leerstände wachsen. Viele  Kommunen zahlen für den Erhalt der Begräbnisflächen drauf. „Schon heute haben wir in Deutschland über 50 Prozent Feuerbestattungen“, sagt Alexander Helbach von der Aeternitas Verbraucherinitiative Bestattungskultur in Königswinter. Der Verein mit 50.000 Mitgliedern hilft bei Fragen rund um die Beerdigung und sammelt Daten über das Geschäft mit dem Tod.

So dokumentiert Helbach auch, welche Städte Überhangsflächen für ihre Friedhöfe ausweisen, und was sie dagegen unternehmen. In Aachen etwa sind von 163 Hektar Friedhofsflächen nur 33 Hektar mit Gräbern belegt. In Bonn wird laut Stadtverwaltung nahezu jede zweite Grabstelle nicht genutzt. Im schwäbischen Bad Urach wurde ein ehemaliges Friedhofsgelände in einen Schulhof verwandelt.

Die Stadt Bremen hat vor ein paar Jahren Friedhofsflächen sogar zum Golfplatz umgewandelt. Von Aschersleben bis Wulfrath verkleinern Städte und Gemeinden ihre Friedhöfe, oder machen ganze Anlagen dicht, um sich von den horrenden Bewirtschaftungskosten zu befreien und die Reste der Flächen am Leben zu erhalten.

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