Einen Tag nach den Festnahmen mehrerer ranghoher FIFA-Funktionäre soll in Zürich der Kongress des Fußball-Weltverbandes beginnen. Ob es dazu kommt, hängt womöglich auch von einer Sitzung der UEFA-Mitglieder ab. Gehen die Europäer tatsächlich auf Konfrontationskurs, ist Joseph Blatter als FIFA-Boss mehr denn je gefordert.
Was genau ist passiert?
In Zürich wurden einen Tag vor dem FIFA-Kongress auf US-Ersuchen sieben Funktionäre der Fifa festgenommen, darunter auch die beiden FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb (Kaimaninseln) und Eugenio Figueredo (Uruguay). Zudem suspendierte der Ethikausschuss des Weltfußballverbandes den früheren Vizepräsidenten Jack Warner sowie Nicolás Leoz, Chuck Blazer und Warners Sohn Daryll von den Fußballaktivitäten. Vier der Verdächtigen, darunter auch Ex-Verbandschef Blazer, bekannten sich den Angaben zufolge bereits für schuldig.
Ermittelt wird wegen Verdachts auf Korruption und Geldwäsche weit jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke aus den vergangenen 20 Jahren. Den sieben Festgenommenen, sechs davon verweigerten ihre sofortige Auslieferung an die USA, wird zudem die Annahme von Bestechungsgeldern sowie Korruption bei WM-Vergaben und TV-Rechten vorgeworfen. Es drohen bis zu 20 Jahre Haft in den USA.
Die Fakten zum FIFA-Skandal
Mehr als zehn Personen werden im neuen Fußball-Skandal um den Weltverband FIFA vom US-Justizministerium beschuldigt. Ihnen wird unter anderem organisiertes Verbrechen, Überweisungsbetrug und verschwörerische Geldwäsche und die Teilnahme an Korruption im internationalen Fußball zur Selbstbereicherung zur Last gelegt.
Loretta E. Lynch steht schon seit ihrer Zeit als New Yorker Staatsanwältin an der Spitze der Ermittlungen in den USA gegen die verdächtigten FIFA-Mitglieder. Die 55-Jährige ist mittlerweile Justizministerin der Vereinigten Staaten. Sie hat den Posten erst im vergangenen Monat übernommen, war am 27. April vereidigt worden. Lynch, im November vergangenen Jahres von US-Präsident Barack Obama vorgeschlagen, ist die erste Afroamerikanerin in diesem Amt.
Die Fédération Internationale de Football Association - kurz FIFA - wurde 1904 in Paris gegründet. Mittlerweile ist die FIFA auf 209 Mitglieder aus sechs Kontinental-Konföderationen angewachsen. Größte Einnahmequelle ist die alle vier Jahre ausgerichtete Fußball-WM mit einem Umsatz von rund fünf Milliarden Dollar. Höchstes Gremium ist der jährliche Kongress, die Vollversammlung aller Mitgliedsverbände. Der Kongress wählt alle vier Jahre den Präsidenten. Künftig bestimmt der Kongress auch den WM-Gastgeber - eine Folge der Korruptionsvorwürfe rund um die WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022. Bislang war das Exekutivkomitee dafür verantwortlich. Es ist die sogenannte Regierung der FIFA.
Wie reagieren die Sponsoren auf den Skandal?
Das ohnehin angekratzte Image des Fußball-Weltverbandes leidet durch den Skandal weiter. Auch wichtige Sponsoren melden sich deshalb kritisch zu Wort. "Diese lange Kontroverse befleckt die Mission und die Ideale der FIFA", heißt es etwa vom Getränke-Riese Coca-Cola. Laut dem Sportinformationsdienst SID drohen wichtige Geldgeber sogar mit dem Ausstieg. Ohne einen Wandel werde es "sein Engagement überdenken", teilte demnach das Kreditkarten-Unternehmen Visa mit und drückte seine "tiefe Enttäuschung und große Sorge" aus. Coca-Cola und Visa sind wie Adidas, Gazprom und Hyundai die großen Marketingpartner der Fußball-WM 2018 in Russland. Sie können es sich nicht leisten, dass ihr Ruf beschädigt wird.
Sind harte Reaktionen der Sponsoren wahrscheinlich?
Ob sich die Sponsoren letztlich wirklich zurückziehen werden, bleibt angesichts eines derart im Medieninteresse stehenden Ereignisses wie einer Weltmeisterschaft unklar. Es sei damit zu rechnen, dass bedeutende Sponsoren, trotz der “systemischen und tief verwurzelten Korruption” nicht zum Schluss glangen werden, dass es sich um Vorgänge handelt, die etwa vergleichbar sind mit Doping oder Drogenmissbrauch, sagte Kevin Alavy von der Medienforschungsgruppe Futures Sport & Entertainment.
So bekannte sich Adidas auf Nachfrage “zur Unterstützung des Fussballs auf allen Ebenen”, wie es in einer Erklärung hieß. Zugleich wurde die FIFA zur Etablierung und Befolgung transparenter Compliance-Standards aufgerufen. Bei Gazprom in Moskau hieß es, dass die Vorgänge das Sponsoring des Gasförderers bis zum Ende der Weltmeisterschaft 2018 nicht beeinflussten.
Ist Sportartikelhersteller Nike ins Visier der Ermittler geraten?
So sieht es zumindest aus. Zwar wird der Sportartikelhersteller nicht namentlich beschuldigt. Allerdings berichtet das US-Justizministerium von einem Schmiergeldskandal bei einem 150-Millionen-Dollar-Vertrag zwischen dem brasilianischen Fußball-Verband und einem „multinationalen Sportbekleidungsunternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten“. Ohne zu bestätigen, dass Nike damit gemeint sei, teilte der Konzern mit, er sei wegen der „sehr ernsthaften Vorwürfe“ beunruhigt. Nike ist kein offizieller Fifa-Sponsor, bezahlt aber dafür, dass die brasilianische und andere Nationalmannschaften ihre Trikots, Hosen und Stutzen tragen. Den entsprechenden Erst-Vertrag schloss Nike Mitte der 1990er-Jahre ab. Er gilt als entscheidender Schritt für den Konzern, um in der Fußballwelt Fuß zu fassen.
Welche Rolle spielen die Banken der FIFA-Funktionäre?
Auch die Verwicklung namhafter Großbanken in die Korruptionsvorwürfe wird geprüft. Es werde untersucht, ob ihnen bewusst gewesen sei, dass sie beim Waschen von Schmiergeld geholfen hätten, sagte US-Staatsanwalt Kelly T. Currie am Mittwoch. Gegen keine der Banken gebe es bislang aber irgendwelche Anschuldigen. Aus den USA stehen JPMorgan, Citigroup und Bank of America im Fokus der Behörden, aus Großbritannien Barclays, HSBC und die Republic Bank.
Der auf Geldwäsche und organisiertes Verbrechen spezialisierte Anwalt Eric Lewis sagte Reuters, die Banken hätten angesichts des prominenten Namens Fifa und des langen Zeitraums der mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen stutzig werden müssen. "Die Offiziellen der Fifa sind so etwas wie hochrangige Politiker, und ab einem gewissen Punkt sollte das auf dem Radarschirm der Banken auftauchen." In den USA müssen Banken dem Finanzministerium verdächtige Geschäfte melden. Dazu hat die Regierung das "Financial Crimes Enforcement Network" eingerichtet, um einheimische oder internationale Geldwäsche, Terrorfinanzierung und andere Straftaten aus dem Finanzbereich bekämpfen zu können.
Wie geht es am Tag nach den dramatischen Entwicklungen in Zürich weiter?
Kurz vor der Eröffnung des FIFA-Kongresses ist unklar, wie die sonst so glamouröse Veranstaltung nach dem neuen Skandal über die Bühne gehen wird. Präsident Blatter zumindest ist erstmal abgetaucht: Er sagte angesichts der aktuellen Ereignisse alle seine geplanten Auftritt vor der offiziellen Kongress-Eröffnung am Donnerstag in einem Zürcher Theater ab. Allerdings lud er Vertretern aller sechs Konföderationen er zu einer Sondersitzung in Zürich ein, um über die Situation zu beraten.