Kreuzfahrt Deutschlands Traumschiff geht an Malta

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Erben ohne Fortune

Gäste genießen den Service an Bord der MS Deutschland Quelle: gms

Vor allem wurde die mittelständische Traumschiff-Reederei aber zum Beispiel für einen Generationswechsel, der ins Wasser fiel. Nach dem Krebstod des 68-jährigen Deilmann im November 2003 übernahmen seine Zwillingstöchter Gisa und Hedda Deilmann, Jahrgang 1968, das Unternehmen. Sie gelten vor allem als hübsch, ihre fachlichen Fähigkeiten sind unter Branchenkennern und Ex-Kollegen recht umstritten. Zugegeben: Ein Fachblatt kürte sie zu „Unternehmerinnen des Jahres“ – pünktlich zur Insolvenz und Privatinsolvenz. Doch wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, geht die Rede, so auch hier. Das Spektrum der hinterhergetretenen Komplimente bescheinigt den beiden „ahnungslos“ gewesen und „auf dem Schiff wie mit Scheuklappen herumgelaufen zu sein“ und – last, but not least – die Feinheiten zwischen Gewinn und Umsatz nicht in letzter Konsequenz verstanden zu haben.

Das Traumschiff-Problemschiff wurde im Frühherbst 2010 an Aurelius verkauft – unter Absingen schmutzigster Seemannslieder durch die Schwestern. Gemeinsam mit den Journalisten Gisela Groth und Klaus J. Groth brachten sie Anfang 2012 „Die wahre Geschichte vom Traumschiff“, verlegt beim Münchner Universitas Verlag, in den Handel. Das Buch, an vielen Stellen selbstgerecht und nicht überzeugend, wurde prompt wegen angeblicher Unwahrheiten per einstweiliger Verfügung aus dem Verkehr gezogen. Am 21. Juni erschien eine zweite, überarbeitete Auflage.

Zoff an Bord

Der Zoff auf dem Traumschiff dürfte damit nicht ausgestanden sein. Ein Machtkampf brodelt auf und unter Deck. Das Sagen an Bord haben die Kapitäne, Andreas Greulich und Andreas Jungblut, im steten Wechsel. Jungblut, 59, aus Övelgönner Elbadel stammend und seit 1998 an Bord, ist nicht nur auf der Brücke vom Fach, sondern mit hanseatischer S-pitzen-S-tein-Tonalität auch als Salonlöwe inmitten älterer Herrschaften eine Prachtbesetzung. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, während Greulich als weniger konfliktfroh gilt. „Männer mit Macht sind hier sexy“, verkündete Jungblut Ende Mai in Sankt Petersburg als Gastgeber eines Captain’s Dinners im Bord-Gourmetlokal Vierjahreszeiten und schob hinterher: „Ich finde Angela Merkel sexy.“ Was unterhaltsam klingt, wurde jedoch von den meisten „besten Gästen“ der Reederei mit spontaner Versteinerung quittiert. Vom Abzug der deutschen Flagge ist Jungblut ebenso wenig begeistert wie die Gewerkschaft Verdi. „Ausflaggen ist kleinmütig“, erklärte Jungblut in der „Bild“-Zeitung. „Wir werden die deutsche Flagge behalten.“

Eine Aussage, die Reeder Markus nicht begeistern dürfte, geht es bei der Flaggenfrage doch um viel Geld. Zum Aurelius-Imperium mit mehr als 100 Töchtern gehört eine Handvoll klangvoller Firmennamen, darunter Berentzen (Spirituosen), HanseYachts, Blaupunkt (Elektronik) – und eben die Deutschland, auf die jedoch nur ein Bruchteil der Bilanz entfällt. 2011 betrug das „Konzern-Gesamtergebnis“ minus 64,7 Millionen Euro.

Das Bundeswirtschaftsministerium betrachtet den Zankapfel Deutschland mit Unbehagen. Die Reederei verwies vor Einholen der Flagge auf die Kürzungen der Subventionen, „die früher die erheblichen Kostennachteile eines im deutschen Schiffsregister geführten Schiffes zumindest teilweise ausgeglichen haben“. Nicht um die Höhe der Zuschüsse gehe es dabei in erster Linie, sagt Unternehmenssprecherin Kornelia Kneissl, sondern um das beständige Hin und Her, um eine fehlende „verlässliche Planungsgröße“. Hans-Joachim Otto, Maritimer Koordinator der Bundesregierung, nahm den Registerwechsel „mit Besorgnis“ und Umdenk-Appellen zur Kenntnis. Verdi, weiterhin in Verhandlungen mit dem Management, ist eher stinksauer als besorgt, sieht eine „Ausflaggungsorgie“ und fordert in der Causa Traumschiff gar ein „Machtwort der Kanzlerin“.

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