Kreuzfahrt Sektempfang ohne Sekt

Im Dezember war WirtschaftsWoche-Redakteur Ulrich W. Hanke mit seiner Lebensgefährtin vierzehn Tage mit dem Kreuzfahrtschiff Aida Diva in Südostasien unterwegs. Aida ist eine Tochter der Carnival Corporation, zu der auch die Reederei Costa mit dem Unglücksschiff Costa Concordia gehört.

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Vorab: Mein Beileid gilt den Angehörigen der Verunglückten der Costa Concordia. Die Seenotrettungsübung auf der Aida Diva war in meinem Falle vorbildlich und fand vor Fahrtantritt statt. Ansonsten haben wir leider an vielen Ecken Sparmaßnahmen und eine gewisse Kostenbewusstheit der Reederei wahrgenommen, die mich jetzt besonders zum Nachdenken bewegt hat.

Es ist 21.30 Uhr. Vor zehn Minuten sollte unser Traumurlaub auf der Aida Diva offiziell mit einem Sektempfang beginnen. Doch an der Poolbar auf Deck 11 gibt es zehn Minuten nach offiziellem Beginn schon keinen Begrüßungssekt mehr. "Der ist alle", sagt die Dame hinter der Theke, als wäre es selbstverständlich. Wer zehn Minuten zu spät kommt, den bestraft Aida. Der Sekt kostet nun - und zwar sieben Euro. All Inclusive à la Aida.

Das „Ai“ in Aida steht scheinbar für „absolut income“ zu stehen. Den nächsten Satz brauchte ich nicht einmal selbst zu formulieren: „Das ist hier alles auf maximalen Profit ausgelegt“, höre ich von mehreren Passagieren. Wer mit Aida über die Meere schippern oder seine allererste Kreuzfahrt antreten will, sollte sich die folgenden Zeilen gut durchlesen. Sie ersparen viel Ärger und finanziellen Schiffbruch.

„Ich will mit Delphinen schwimmen“, freute sich meine Freundin - und buchte im August die Reise von Tchibo mit der Aida nach Südostasien. Die Bilder im PC und im Kopfkino sind paradiesisch. Doch nach der Buchung ist nicht vor der Buchung. Der Ausflug mit den Delphinen erscheint plötzlich nicht mehr auf der Internetseite von Aida. Ein Anruf bringt Gewissheit: „Den Ausflug gibt es schon seit Längerem nicht mehr“, sagt die Dame an der Hotline. Und warum wirbt Aida dann noch damit?

Na gut, buchen wir eben den Ausflug mit Schnorcheln, Kajakfahren durch Grotten und einem Spaziergang zu einem Aussichtsplateau. Schlappe 79 Euro kostet der pro Person, hört sich aber auch interessant an. Dazu nehmen wir noch Schnuppertauchen am ersten Tag - besser als mit dem Bus zurück ins zwei Stunden entfernte Bangkok zu fahren, wo wir tags zuvor gelandet sind. Ja, bei einer Asienrundreise legen die Kreuzfahrtschiffe oft weit entfernt von den Sehenswürdigkeiten an - das wird jedem Aida-Reisendem erst - richtig - nach der Buchung klar. Geschuldet ist dies vor allem auch den riesigen Schiffen mit Platz für 2000 Passagieren und mehr, die nur in wenig romantischen Containerhäfen anlegen können.

Alles kostet extra

Mit der 252 Meter langen und 32,2 Meter breiten

Auf der personalisierten Aida-Webseite, myaida, läuft der Zähler herunter, bald geht es also los. Auch das Kontingent an Ausflügen ebbt ab. Die schicken Restaurants, in denen man bedient wird und der Besuch extra kostet, sind dagegen geflutet von Reservierung. Weihnachten werden wir also am Buffet in einem der anderen All-inklusive-Restaurants verbringen müssen.

Dann läuft der Zähler ab. Wir fahren von Düsseldorf nach Frankfurt - hatten dort auf einen Direktflug gehofft und 200 Euro pro Person für die Reisekasse gespart. Tchibo suggerierte mit einem Lufthansa-Koffer als Geschenk Besseres. Doch Aida hat Ferienflieger Condor beauftragt, uns an Bord zu bringen. Condor fliegt mit einer Mittelstreckenmaschine und tankt in den Vereinigten Arabischen Emiraten für einen Appel und ein Ei auf. Soviel Auswahl haben wir an Bord der kleinen Maschine leider nicht. Es gibt Pasta für alle. Vegetarier, die auf Nummer sicher gehen wollen, müssen 15 Euro pro Mahlzeit zuzahlen. Wer mehr Beinfreiheit will, zahlt ebenfalls 15 Euro pro Person und Flug, um einen Sitz in der ersten Reihe oder am Notausgang zu bekommen. Pech, dass ich 1,90 Meter groß bin. Ja, wenn, wenn Condor nur die geplante Maschine eingesetzt hätte. Wir zahlen 60 Euro für nichts, beschweren uns bei der Aida-Pressestelle und bekommen 30 Euro "aus Kulanz" wieder gutgeschrieben und eine Flasche Sekt und Pralinen. 30 Euro behält man ein. Wie nennt man das? Ungerechtfertigt bereichert?

Erinnerung an Ryanair

Doch schlechte Presse scheint der Aida nichts anhaben zu können - jedenfalls kümmert das Bordpersonal verstimmte Passagiere überhaupt nicht. Aida erinnert mich an Ryanair.

Bei der Zwischenlandung in den Vereinigten Arabischen Emiraten werden wir uns selbst überlassen. Müssen wir aussteigen? Erfahren wir nur auf Nachfrage. Wie lang ist der Aufenthalt? Sagt uns niemand. Wann geht es weiter? Wir werden im Dunkeln gelassen.

Endlich in Bangkok angekommen - geben wir unser Gepäck ab und setzen uns in einen der vielen Busse. Endlich Beinfreiheit. Dafür wieder keine Ansage, wie lange es noch dauert. Der Busfahrer verfährt sich zweimal. Dann: Schlange stehen am Check-In. Es gibt die Bordzeitung. Darin wird auf ein Treffen für Neuankömmlinge um 19 Uhr hingewiesen. Das war vor einer Stunde. Endlich in der Kabine. Die Koffer kommen Stunden später, also gehen wir etwas essen und danach nach unserem ersten Ausflug fragen, für den wir kein Ticket im Zimmer liegen hatten. „Ihr seid zu spät, ihr hättet um 19 Uhr da sein müssen, jetzt könnt ihr euch für den Ausflug nicht mehr anmelden. Der fällt aber sowieso aus - das Wetter ist zu schlecht.“ Was wir alternativ machen könnten? Was ein Taxi zum nächsten Strand kostet? Ob der Strand und die Stadt lohnenswert sind? Von der Crew gibt es zu all dem keine Informationen – die Crew weiß nichts.

Desinformation und Abzocke

Baden im Pool? Heute nicht. Quelle: Hanke

Gut. Lassen wir uns überraschen. Der nächste gebuchte Ausflug mit den Kajaks durch die Grotten ist ja auf jeden Fall ein Highlight. Dachten wir. Doch was bei Aida draufsteht, ist noch lange nicht drin. Wieder war 's das Wetter und wieder gab es keine Informationen. Vielleicht muss man Aida falsch herum lesen: „a“ für absolute, „di“ für Desinformation und „a“ für Abzocke. Also Absolute Desinformation und Abzocke. Tauchlehrer und Sportchef Michael hielt es nämlich nicht für nötig, den 44 Ausflüglern unter seiner Obhut mitzuteilen, dass die Grotten gar nicht befahrbar sind. Sein Informationsvorsprung betrug sogar einen ganzen Tag. Das Gerücht, die Grotten seien zu dieser Jahreszeit gar nicht befahrbar, konnte er nicht entkräften. Er sprach lieber von der „besten Alternative“, die es sei, irgendwo zu ankern, mit den Kajaks im Niemandsland ans Ufer und zurück zu paddeln und dann an einer noch ungünstigeren Stelle die Leute mit dem Schnorchel für 15 Minuten in die tosende See zu werfen. Anzahl der beobachteten Fische:  eins. Anzahl des Schluckens von Salzwasser: 15. Anzahl der Enttäuschten an Bord: alle 44.

Die Geschmäcker sind unterschiedlich und die Ansprüche auch. 79 Euro für 30 Minuten Paddeln macht 2,63 Euro die Minute oder 158 Euro Stundenlohn für Michael. Einmaliger Umsatz für Aida: 3476 Euro. Nachhaltiger Umsatz: 0 Euro.

Kantinenessen ist und bleibt Kantinenessen, auch wenn man es auf Deck unter freiem Himmel zu sich nimmt. Obst ist vegetarisch und laktosefrei. Wenn's darum geht, hält Aida mit Informationen nicht hinterm Berg. Laktosefreier Käse oder Joghurt? Gibt es auf dem Schiff nicht. Wer Sonderwünsche hat, muss fast mehr zahlen als Rockefeller für den Bau eines ganzen Schiffes ausgeben würde  oder permanent jeden und jede der Crew fragen. Aber auch dabei unterscheidet sich die Qualität der Antworten stark: Frage Personal in beigefarbender Kleidung in Deutsch, Englisch oder Zeichensprache - und du bekommst keine Antwort. Frage Crewmitglieder in weißen Klamotten und du lernst das ganze Schiff bestens kennen. Zimmerservice ist wie Service ein Fremdwort an Bord, das wirklich niemand der Aida-Crew versteht, unabhängig von der Nationalität.

Die Annehmlichkeiten eines Kreuzfahrtsschiffes für die Erinnerung festhalten? Geht natürlich, natürlich gegen Aufpreis. Beispiele? Gerne. Das Anhängerband für ihre Bordkarte kostet extra, das gibt es schließlich nur im Skiurlaub kostenlos. Eine Schiffbesichtigung? Aber bitte ohne Fotos zu machen oder zu filmen, dafür zum Schnäppchenpreis von 89 Euro pro Person - inklusive DVD. Die es natürlich auch so im bordeigenen Shop gibt. Kaffeefahrt óle. Am Bug die Szene aus dem Titanic-Film nachspielen? Geht nur mit kostenpflichtigem Aida-Fotograf. Meine Freundin ist fertig mit Aida.

Selbstbedienung und Kleingedrucktes

Den alltäglichen Kampf um die freien Liegen gab es auf der beschriebenen Reise auch Quelle: dapd

Im Fernsehen gibt es 13 Programme oder besser gesagt Deutsche Welle, drei Außenbordkameras - und stolze neun Verkaufsprogramme von Aida. Ein Spielfilm kostet acht Euro. Eine E-Mail zu lesen, die über den Fernseher empfangen werden kann, kostet 50 Cent - pro Aufruf. Also lieber den Inhalt abschreiben oder auswendig lernen... Unterhaltsamer ist da schon der Kampf um die Liegen an Bord, den deutsche Rentner gerade austragen. Der selbsternannte Aida-Partykönig lässt sich derweil den Cocktail schmecken, den ein Offizier gemixt hat. Offiziersmixen heißt der Programmpunkt, der mit lauter Musik des Aida-Radios begleitet wird. Sein eigenes Wort versteht auf dem Sonnendeck niemand mehr. Das Offiziersmixen gibt es dann auch mehrmals, wie die Akrobaten aus Kiew oder die Abba-Show oder die Beatles-Show. Letztere finden im nach allen Seiten offenen Atrium statt, einer Art Durchgangshalle. Dort werden tagsüber natürlich auch die Aida-Ausflüge beworben. Die Crew singt auf dem Pooldeck - kostenloses Abendprogramm für Aida. Applaus.

Meiner Freundin ist schlecht. Sie ist seekrank. Ich will also unseren Aufenthalt in der Wellness-Oase absagen. Dieser kostet immerhin 30 Euro für uns beide. „Nur mit Attest“, sagt die Dame im Spa-Bereich. Das Attest gibt es beim Arzt. Dort habe ich bereits 78 Euro gelassen, als ich mir beim Kajak-Ausflug eine Schnittwunde am Fuß zuzog. Wir protestieren. Mit Erfolg, wird der Spa-Dame doch nach einer Weile klar, dass sie es wäre, die den Tresen putzen müsste, sollte es meine Freundin nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schaffen. Ich will Dart spielen. Das geht nur um 16 Uhr, wenn ein Aufpasser dabei ist. Okay, dann halt Billard. 1,50 Euro pro Viertelstunde und pro Person halten mich dann aber auch davon ab. Ich lese schließlich ein Buch in der Kabine und gehe am Abend vor lauter Langeweile zum Pokern. Wo man übrigens kostenlos Geld von seinem Bordkonto abheben kann, was an der Rezeption dagegen Gebühren kostet.

In Brunei haben wir und viele andere Aida-Neulinge dann gelernt und meiden organisierte Ausflüge. Aida reagiert und bietet einen reinen Shuttle-Bus an - für gut 27 Euro pro Person. Wir verzichten und nehmen lieber den öffentlichen Bus, der zwei Gehminuten entfernt vom Hafentor abfährt - für 60 Cent Euro pro Person und Fahrt und mit Rückfahrt, wenn wir wollen. Dafür gönnen wir es uns, die Wäsche an Bord waschen zu lassen. Sieben Teile für 15 Euro - klingt gut. Im Kleingedruckten steht dann aber: Wir übernehmen keine Haftung für Farbechtheit und Schrumpfungen. Auf Deutsch: Wir waschen alles zusammen bei 100 Grad. Das ist einem Anwalt, den wir an Bord kennen lernen, auch aufgefallen. Eine andere Dame berichtet uns von ihrer Buchung im vergangenen Winter. Sie war damals so begeistert von der Aida-Kreuzfahrt in der Karibik, dass sie gleich an Bord noch die nächste Reise gebucht hatte. Sie bekam 150 Euro Bordguthaben als Frühbucherrabatt und zahlte 2670 Euro für ein Businessflugpaket und 3000 Euro für eine Balkonkabine. Stattdessen setzte sie Aida in die Condor-Comfort-Klasse. Die Dame war bedient.

Was man von uns am Tisch im Restaurant nicht sagen kann. Selbst die Getränke muss man sich holen. Das nervt auf Dauer. Dafür lernt man ständig neue Leute kennen – und dass die Preise für 14 Tage Kreuzfahrt samt Flug für eine Innenkabine von 1300 bis 2100 Euro schwanken können, oder für eine Balkonkabine von 1600 bis 3000 Euro. Der Dumme ist - wie wir-, wer früh bucht.

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