Kühne + Nagel vor dem Kadi Logistiker unter Korruptionsverdacht

Ärger für Kühne + Nagel: Der Logistikriese muss sich in Hamburg einem Schadenersatzprozess um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen stellen. Es geht um einen rätselhaften Geldstrom nach Hongkong.

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Ein Mann in einer Logistikhalle von Kühne+Nagel Quelle: dpa

Klaus-Michael Kühne ist eine Größe in der Hamburger Society. Er sponsert den Fußball-Erstligisten Hamburger SV und wurde vom Senat der Hansestadt als Förderer der Wissenschaften mit dem Ehrentitel Professor dekoriert. Dazu passt so gar nicht, dass sein Unternehmen Kühne + Nagel, das er als Mehrheitsaktionär kontrolliert, sich einem unrühmlichen Schadenersatzprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg stellen muss. Am Donnerstag geht es in die Beweisaufnahme.

Das Verfahren gewährt Einblicke in einen der Öffentlichkeit meist verborgenen Bereich des Logistikriesen, der 63.000 Mitarbeiter beschäftigt und fast 18 Milliarden Euro jährlich umsetzt: in das interne Rechnungswesen. Im Raum steht der Vorwurf, Kühne + Nagel habe jahrelang Bestechungszahlungen geleistet und diese durch Überweisungen und Gutschriften innerhalb des Unternehmens bis zur Unkenntlichkeit versteckt. Kühne + Nagel wollte sich zum laufenden Verfahren auf Anfrage nicht äußern.

Klage deckt undurchsichtige Geschäftspraktiken auf

Die undurchsichtigen Usancen des im schweizerischen Schindellegi ansässigen Konzerns kommen wegen einer Schadenersatzklage ans Licht. Frühere Gesellschafter einer inzwischen insolventen Handelsfirma namens Chromo Möbel aus Sonnefeld bei Nürnberg wollen von Kühne + Nagel mindestens vier Millionen Euro Schadenersatz.

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Der Logistiker, so ihr Vorwurf, habe Chromo mit überhöhten Rechnungen ausgeplündert. Mit dem zu viel gezahlten Geld sei dann ein Bevollmächtigter von Chromo in Hongkong bestochen worden, damit der stets Kühne + Nagel als Spedition beauftragt.

Chromo hatte Möbel aus China importiert, Kühne + Nagel die Ware nach Deutschland befördert. Die Vorgänge datieren aus den Jahren 1992 bis 2000. Ein Fall für die Justiz wurde das Geschäft durch die Insolvenz von Chromo 2002. Danach nahm die Staatsanwaltschaft im bayrischen Hof Ermittlungen gegen den ehemaligen Chromo-Geschäftsführer Thomas Launer wegen Untreue auf. Sie vermutete zunächst, Launer habe Geld von dem Chromo-Bevollmächtigten in Hongkong verdeckt kassiert.

Bei ihren Ermittlungen stießen die Staatsanwälte auf ein kaum durchschaubares internes Verrechnungssystem bei Kühne + Nagel. Nach der Zeugenaussage einer Kühne + Nagel-Mitarbeiterin durchsuchten die Fahnder sogar mehrere Niederlassungen. Im Fall Launer hatte die zentrale Rechnungsstelle von Kühne + Nagel in Bremen Chromo Rechnungen geschickt, die Beträge aber nicht komplett an die für Chromo zuständige Filiale in Nürnberg weitergeleitet.

Ansprüche sind nicht verjährt

Wie interne Dokumente zeigen, überwies Bremen auch einen Teil der Rechnungsbeträge an die Konzernniederlassung in Hongkong, die das Geld an den Bevollmächtigten von Chromo zahlte. Damit die Abflüsse auf den internen Konten der Nürnberger Niederlassung nicht fehlten, erhielt diese von der Rechnungsstelle in Bremen jeweils eine Gutschrift zum Ausgleich. Rund 1,9 Millionen Euro schrieb Bremen der Filiale Nürnberg gut, fand die interne Revision von Kühne + Nagel bei zwei Untersuchungen heraus.

Was sich bei den Ermittlungen nicht bestätigte, ist der Vorwurf, Launer selbst habe das Geld vom Hongkonger Bevollmächtigten bekommen. Jetzt fordert Chromo das Geld von Kühne + Nagel zurück. Zweimal gelang es dem Konzern, die Forderung abzuwehren, weil sie verjährt sei. Diese Ansicht verwarf 2014 jedoch der Bundesgerichtshof. Eine Verjährung liege nicht vor, so die Bundesrichter. Weil die Vorinstanzen den Vorwurf der Bestechung durch Kühne + Nagel nicht überprüft hätten, sei dieser zunächst „als richtig zu unterstellen“ und im Schadenersatzprozess detailliert aufzuarbeiten.

Dass die Sache nun vor Gericht landet, ist auch für den heutigen Kühne + Nagel-Finanzchef Markus Blanka-Graff unangenehm. Mit dem hatte Launer 2009 über eine außergerichtliche Einigung verhandelt. Nach dem Gespräch zeigte Kühne + Nagel den Ex-Chromo-Chef und sogar dessen Anwalt wegen Erpressung an. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ließ Kühne + Nagel aber abblitzen, stellte die Ermittlungen ein.

Folge der Prozesshanselei ist nun jedoch, dass das Rechnungswesen von Kühne + Nagel vor Gericht thematisiert wird.

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