Kunst Marketing finanziert Museum

Das Frankfurter Städel-Museum wurde für 52 Millionen Euro spektakulär renoviert und erweitert. Das Geld kam zur Hälfte von privaten Sponsoren – animiert vom Museumschef, der das Spendensammeln zur Chefsache machte.

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Bullaugen auf der Fläsche des Städel Museums Quelle: Pressebild

Das Architekturmodell hat er schon vor Wochen rausschaffen lassen. An der Wand hängt nur noch ein letzter Aufriss auf Millimeterpapier. In der Ecke stehen ein paar gelbe Gummistiefel, der kleine Kühlschrank, in dem seit Wochen eine einsame Pulle Schampus zum Feiern mit den Mitarbeitern lagerte, ist leer:

In Max Holleins Büro deutet nur noch wenig darauf hin, was ihn, den Direktor des Frankfurter Städel-Museums in den zurückliegenden Jahren auf Touren hielt: die Renovierung und Erweiterung des Städel am Frankfurter Museumsufer.

Erst der Blick aus dem Fenster, der den Blick freigibt auf eine Rasenfläche mit kleinem Hügel, perforiert von 195 gläsernen Bullaugen, lässt erahnen, was beim Gang über eine riesige Freitreppe in die Tiefe schließlich offensichtlich wird: dass hier, gut acht Meter unter der Erde, ein Glanzstück deutscher Museumsarchitektur entstanden ist. 3000 Quadratmeter unterirdischer Ausstellungsfläche in einem Betonkubus, getragen von einem Dutzend monumentaler Säulen, bestückt mit Kunst ab 1945.

Es ist Schluss- und Höhepunkt einer Wiedergeburt dieses Frankfurter Museums, das mit seinem Überblick über 700 Jahre abendländische Kunstgeschichte bis in die unmittelbare Gegenwart zu den bedeutendsten Kunsthallen Europas zählt.

Der Geist des Gründers

Und doch ist es weder architektonische Brillanz noch die Exzellenz der neuen Werke, die Städel-Chef Hollein ins Schwärmen geraten lässt. Sondern der neu zum Leben erweckte Geist des Frankfurter Bankiers und Gewürzhändlers Johann Friedrich Städel, der das Museum 1815 „als Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und Kunstsachen“ gründete, „zum Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft“, ohne Einmischung der Obrigkeit.

Und das als erste bürgerliche Museumsstiftung Deutschlands. „Dieses Projekt knüpft an den Gründungsgedanken des Städel an“, sagt Hollein. „Es hat die Tragfähigkeit bürgerlichen Engagements bewiesen und als Idee neu entfacht.“

Das zeigt allein ein Blick auf die wichtigsten Zahlen: 52 Millionen Euro kostete das gesamte Projekt, davon entfielen 34 Millionen Euro auf den Neubau unter der Erde und 18 Millionen auf die Renovierung der Altmeister-Abteilung. 26 Millionen Euro steuerten die Stadt Frankfurt, die angrenzende Gemeinde Eschborn und das Land Hessen bei.

Die zweiten 26 Millionen Euro sammelte Hollein ein bei Stiftungen, Unternehmen – und vor allem bei Frankfurter Bürgern. Vom Bund, der im Schnitt 94 Prozent der deutschen Museumslandschaft subventioniert, kam kein Cent. Dafür stifteten etwa die Deutsche Bank und die DZ Bank, aber auch zahlreiche vermögende Privatsammler, Hunderte hochkarätiger Werke zeitgenössischer Kunst, die nun in den neuen Räumen zu sehen sind.

„Wir haben zur rechten Zeit eine Chance genutzt“, erinnert sich Hollein an die Anfänge des Projekts 2008. „Wir mussten damals einfach loslegen.“

Gesellschaft rückt zusammen

huGO-BildID: 25286049 Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU - l-r), der Städel- Direktor Max Hollein, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der Vorsitzende der Städelschen-Administration, Nikolaus Schweickart, die Vorsitzende des Städelschen Museums-Vereins, Sylvia von Metzler, und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, durchschneiden am Mittwoch (22.02.2012) in den neuen Gartenhallen des Städel Museums ein rotes Band. Mit der Eröffnung des Erweiterungsbaus für die Präsentation der Gegenwartskunst findet die größte inhaltliche und architektonische Erweiterung in der rund 200-jährigen Geschichte des Frankfurter Museums seinen Abschluss. Foto: Emily Wabitsch dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Eine Gelegenheit, die wohl die Wenigsten als solche wahrgenommen hätten in Zeiten der Finanzkrise, als Unternehmen ihre Kulturetats merklich stutzten und allerorts eher über die Schließung von Museen als ihre kostspielige Erweiterung diskutiert wurde. So stoppte Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen, Mitte 2009 die auf 70 Millionen Euro taxierten Neu- und Umbaupläne staatlicher Ausstellungshallen.

Allenfalls reiche Privatsammler gönnten sich zuletzt spektakuläre Museumsbauten – etwa Galerist Heiner Friedrich, der in Traunreut die alte Fabrikhalle seines Vaters in eine 2500 Quadratmeter große Kunsthalle umwandelte, die er über eine private Stiftung finanziert.

Eine Sicherheit, von der Hollein beim Spatenstich der Städel-Erweiterung im September 2009 nur träumen konnte: Zwei Wochen zuvor war die US-Investmentbank Lehman Brothers pleitegegangen, die Finanzierung des ehrgeizigen Projekts damals noch nicht mal zur Hälfte gesichert.

Doch Hollein, der seine Pläne zur Städel-Erweiterung der Findungskommission schon zu seinem Amtsantritt erläutert hatte, vertraute darauf, „dass die Gesellschaft zusammenrücken muss, gerade in diesen Zeiten“.

Der Name auf der Spendentafel

Er behielt recht: Sieben Millionen sammelte er von der Hertie-Stiftung ein, drei Millionen spendete die Bankiersfamilie von Metzler, 16 Millionen die Stadt Frankfurt, sechs Millionen das Land Hessen, vier Millionen die Gemeinde Eschborn. Und wer im Jahr 25 000 Euro berappt, darf als Mitglied des Städelkomitees über Ankäufe mitbestimmen.

Vor allem aber startete der smarte Österreicher, der in Wien Kunstgeschichte und Betriebswirtschaft studiert und das Einmaleins des Kunstbetriebs als Assistent des umtriebigen Guggenheim-Direktors Thomas Krens in New York gelernt hatte, ein fein abgestuftes Spendenmodell: Die Patenschaft für ein Oberlicht gab es für 35.000 Euro, die für eine Stufe der Treppe, die das alte mit dem neuen Gebäude verbindet, für 50 000 Euro.

Eine einfache Spendentafel kostete 5000 Euro, der eigene Name am Saal ein paar Millionen.

Unbezahlbar: Holleins bemerkenswerte Marketingkampagne, die dem Projekt ein sympathisches Gesicht verlieh – mit einem nüchternen Slogan („Frankfurt baut das Städel – bauen Sie mit“). Und mit knallgelben Gummistiefeln, produziert und gespendet von Schuhfabrikant Deichmann, die fortan immer öfter im Stadtbild auftauchten.

Anpfiff fürs Städel

Die Fußballer von Eintracht Frankfurt warben fürs Städel. Quelle: Pressebild

Die Frankfurter Fußballprofis („Die Eintracht freut sich auf den Anpfiff im Neuen Städel. Und Sie?“) tauschten Stollen- gegen Gummischuh und ließen sich ebenso vor den Kulturkarren spannen wie der Kaufhof an der Einkaufs- und Fressmeile Zeil. Das Kaufhaus war zeitweise mit Fotos von Bürgern zugepflastert, die sich für Geld in den gelben Stiefeln ablichten ließen.

Frankfurts Bürgermeisterin Petra Roth tauchte zur Verkündung der Finanzierung durch die Stadt ebenso in den gelben Tretern auf wie Glenn Lowry, Chef des New Yorker Museum of Modern Art, der das Projekt mit einem Vortrag unterstützte.

Den 8. Mai 2010 deklarierte Hollein zum Stiefeltag, an dem alle gelb beschuhten Spender freien Eintritt ins Museum hatten. „Wir wollten ein breites Gefühl der Unterstützung erzeugen“, sagt Hollein, „von Bürgern für Bürger.“

Mit vollem Erfolg: Eine Frankfurter Bäckerei spendierte den Erlös aus dem Verkauf eines Städel-Brots, eine Parfümerie stiftet vier Wochen lang drei Euro aus dem Verkauf jedes Flakons eines Goethe-Rosenwassers. Angesagte Bars kreierten einen „Städel-Drink“, eine Brauerei warb auf eigens produzierten Bierdeckeln um Spenden.

Spende auch per SMS

Statt sich zum Geburtstag beschenken zu lassen, verwandelten Jubilare großbürgerliche Geburtstagsfeiern in Spendenrunden fürs Städel. Ein Frauenclub lud zum Benefizball, Schüler malten Bilder, verkauften diese im Kreise der Familie und stifteten den Erlös.

Oder zweigten per SMS-Spende ein paar Euro von ihrem Taschengeld fürs Städel ab. Jeden Tag berichtete das Städel auf dem museumseigenen Blog und auf YouTube über den aktuellen Spendenstand – fünf Millionen kamen allein über diese Kleinspenden. Ende Januar 2012 konnte Hollein schließlich die Vollfinanzierung des Projekts verkünden – dank einer Drei-Millionen-Spende durch den Museumsverein.

„Diese großartige Unterstützung“, sagt Hollein, „verstehen wir als Auftrag, die Institution Museum in die Zukunft zu tragen.“

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