Als Violeta Bulc und Dimitris Avramopoulos gestern an die amerikanische Regierung einen Brief zum geplanten Verbot von Elektrogeräten in der Flugkabine schrieben, klang der Ton auf den ersten Blick freundlich. Die EU Kommissare für Verkehr und Zuwanderung erinnerten ihre US-Kollegen erstmal zwei Absätze lang an ihre Gemeinsamkeiten gerade im Kampf um mehr Sicherheit.
Im dritten Absatz wurde das Schreiben selbst für diplomatische Verhältnisse sehr deutlich. „Es ist wichtig, dass wir Informationen bekommen, damit wir eine Reaktion entwickeln können, die belastbar, angemessen und im Interesse unserer gemeinsamen Sicherheit ist“, forderten die beiden Mitglieder der europäischen Regierung da.
„Nervt uns nicht mit euren egoistischen Alleingängen und sagt endlich mal, warum ihr in Laptops verbietet, damit wir gemeinsam mal was Sinnvolles hinbekommen, sonst steigen wir aus“, so übersetzt ein Kenner der Brüsseler Szene den Satz. „Viel deutlicher kann man kaum werden ohne einen diplomatischen Eklat zu provozieren.“
Warten auf offizielle Ankündigung, dann bleiben 72 Stunden
Der Unmut hat seinen Grund in der Eile. Denn der Bann von Laptops und Tablets träfe die EU ebenso schnell wie überraschend. „Die Europäische Kommission erwartet eine Ankündigung der USA in den kommenden Tagen (wahrscheinlich am Wochenende oder kommende Woche)“, schreibt Olivier Jankovec, Chef des europäischen Flughafenverbands ACI Europe, vorgestern in einer internen Mail an seine Mitglieder. Das Verbot würde dann wahrscheinlich binnen 72 Stunden in Kraft treten. Doch bis heute ist nur völlig unklar wann der Bann nun kommt. Es ist offen, welche Flüge, Passagiere und Geräte er Bann genau betreffen würde.
Für den Zorn sorgt neben Hast auch die Tatsache, dass der US-Alleingang nicht der erste ist in Sachen Sicherheit. Bereits im März hatten die USA quasi über Nacht ein ähnliches Geräteverbot für Flüge aus einigen arabischen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten erlassen. Auch damals gab es keine genaue Begründung, aber den – laut Insidern ohne große diplomatische Zierde – geäußerten Wunsch, die EU solle umgehend nachziehen.
Doch damals erreichte die Order aus Übersee ihr Ziel nicht. Statt einen Bann auszulösen, erboste der Alleingang fast alle EU-Länder. „Wir sehen keine neuen Fakten, die eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigen“, sprach damals der italienische Verkehrsminister Graziano Delrio seinen EU-Amtskollegen aus der Seele. Einzige Ausnahme war sein britischer Kollege, denn die Regierung ihrer Majestät zog umgehend mit einem ähnlichen Bann nach. Der sorgte freilich für Verwirrung, weil er teilweise andere Flugziele als der US-Ukas betraf.
Ob der Kommissars-Brief freilich viel ausrichtet, ist fraglich. Denn auch diesmal sind sich die EU-Länder nicht einig. Der Londoner Flughafen Heathrow ist bereits vor der offiziellen Verkündigung des transatlantischen Computer-Banns vorgeprescht und hat zusätzliche Kontrollen an Flugsteigen für USA-Verbindungen angekündigt. Dazu will Europas größter Airport alle Passagiere vorab per Mail auffordern, Laptops gleich in ihr aufgegebenes Gepäck zu packen.
Und auch die Regierung des Vereinten Königreichs sowie die IAG genannte Muttergesellschaft des britischen Marktführers British Airways wollen das Vorgehen der USA offenbar still hinnehmen. „Die Briten wollen offenbar weder schwach in Sachen Sicherheit erscheinen noch angesichts des bevorstehenden Brexit die Amerikaner durch zu viel europäisches Denken oder Nähe zu Brüssel verprellen“, vermutet ein EU-Kenner.
Verstoß gegen eigene Sicherheitsanweisungen
Beim Rest der Länder sowie ihren heimatlichen Fluglinien und Flughäfen stößt die Maßnahme hingegen auf scharfe Ablehnung. So verlangen laut Insidern Deutschland oder Frankreich Proteste und Gegenmaßnahmen, nicht zuletzt auf Druck ihrer nationalen Fluglinien Air France-KLM und Lufthansa.
Dafür sorgt nicht nur der Unwillen, sich international von den USA in den Senkel stellen zu lassen. Schwerer wiegt der Zweifel, ob der Bann die Sicherheit erhöht. Auch wenn US-Behörden dies nicht offiziell als Begründung angeben. In Gesprächen hatten sie dem britischen Geheimdienst Informationen vorgelegt, die auf eine hohe Gefahr durch zu Bomben umgebaute Laptops und Tablet-Computer hindeuten sollen.
Zwar gibt es nur einen belegten Fall einer Computerbombe: ein Anschlag auf die Fluglinie Daello Airlines im vergangenen Februar, bei dem aber nur der Attentäter ums Leben kam. Doch das US-Heimatschutzministerium ließ durchsickern, es gebe gut ein halbes Dutzend Vorkommnisse. Diese sind europäischen Experten freilich bislang nicht bekannt
Darum wollen die EU-Minister die Begründung derzeit nicht gelten lassen. Zum einen wäre aus ihrer Sicht ein Fall wie Daello Air in Europa wohl nicht passiert, weil bei den heutigen Kontrollen in Europa der Sprengsatz gefunden worden wäre.
Wichtiger jedoch: die Gefahr durch präparierte Elektrogeräte ist aus Sicht vieler Experten größer, wenn diese wie von den USA vorgeschrieben im aufgegebenen Gepäck liegen. „Die Koffer im Bauch der Flieger wurden oft nur zu einem Teil durchleuchtet, während bei Handgepäck alles geprüft wird“, so der Chef eines großen deutschen Flughafens. „Also macht eine Bombe im Koffer mehr Sinn.“
Dazu würden die USA mit der Regel gegen eine ihrer eigenen Sicherheitsanweisungen verstoßen. Weil in der Vergangenheit mehrfach die besonders starken Lithium-Ionen Akkus von Computern und Handys wie dem Samsung Galaxy Note 7 oder den Batterien des Boeing Dreamliners 787 Feuer gefangen haben, hat die US-Flugaufsichtsbehörde FAA mehrfach von einem „hohen Risiko beim Transport in Frachträumen“ gesprochen.
Trotzdem bereiten sich nun sicherheitshalber auch alle skeptischen Fluglinien auf die Umsetzung des Banns vor. „Angesichts des ersten Laptop-Verbots aus einigen arabischen Flughäfen waren wir zwar überrascht, aber nicht unvorbereitet“, heißt es bei eine großen Fluglinie. „Denn wenn ein Land dem Verbot nicht nachkommt, würden die US-Linien wahrscheinlich eigene Kontrollen organisieren und alle anderen Linien dürften die USA nicht mehr anfliegen.“
Bann trifft vor allem Premium-Kundschaft
Ganz recht dürfte der Bann allerdings auch den US-Linien nicht sein. Denn der Bann verärgert am Ende alle Kunden und schadet auch ihnen.
Am strengsten träfe der Bann die begehrtesten Passagiere: Eilige Topmanager, Anwälte oder Investmentbanker. Die wollen oder dürfen ihre Geräte oft nicht aus der Hand geben, weil sie dort vertrauliche Unternehmensdaten speichern. „Diese Klientel müsste nun streng genommen nur noch telefonieren statt reisen oder ihre Geräte in eigene Safes packen“, so ein führender europäischer Flugmanager.
Aber auch andere Geschäftsreisende verprellt der Bann. Denen haben die Airlines bisher teurer Tickets in der Business oder Premium Economy verkauft mit dem Hinweis, dass kein Gepäck mehr aufgeben müssen, weil sie zwei Handgepäckstücke mit in die Kabine nehmen dürfen. Das brachte wertvolle Zeit, weil die Premium-Kundschaft nach der Landung nicht mehr am Gepäckband auf ihre Koffer warten musste und schneller zum Termin oder zu Anschlussflügen kam. Dazu nahm es die Furcht, der Koffer könnte unterwegs verloren gehen.
Aber auch beim Rest der Passagiere trifft die Airlines das Computerverbot. Denn es verdirbt ihnen eine schöne Einsparmöglichkeit.
Nachdem die Linien in den vergangenen Jahrzehnten ihr Unterhaltungsprogramm an Bord aufgerüstet haben, fahren es nun viele wieder zurück. Statt Bildschirmen im Vordersitz bieten sie nun WLAN. Das mögen viele Kunden, weil sie ohnehin lieber online oder offline auf ihren Mobilgeräten Filme und Musik genießen.
Das war den Airlines mehr als Recht. Zum einen müssen sie nun weder die teuren Unterhaltungsgeräte einbauen, noch den Filmverleihern oder Musikfirmen viel Geld für die Senderechte bezahlen. Dagegen können sie nun den Kunden bis zu gut 20 Euro für den WLAN-Zugang abknöpfen.
Nur einen Teil der Flugbranche könnte am Ende das Verbot freuen: die Privatjetanbieter. Denn für sie gilt der Bann nur begrenzt. „Da werden nun viele der Top-Kunden bei uns buchen, weil sie da die Geräte mit ihren Geschäftsdaten bei sich haben und auf dem Flug arbeiten können“, so ein Kenner der Branche.