Lufthansa, Air China und Air Berlin Carsten Spohrs Tanz mit dem Teufel

Lufthansa-Chef Carsten Spohr will durch Kooperationen mit Air Berlin und Air China das bröckelnde Geschäft in Europa und Asien retten. Die beiden Deals haben viel gemeinsam – vor allem das hohe Risiko.

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Lufthansa kooperiert mit Air Berlin und Air China. Quelle: dpa, Montage

Wer den Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Verlegenheit bringen wollte, musste ihn zuletzt nur auf zwei Probleme ansprechen: Wann bekommt der konzerneigene Billigflieger Eurowings die versprochenen neuen Partner? Und warum wehrt sich Lufthansa nicht gegen die übermächtige Konkurrenz der Fluglinien vom Golf? „Glauben Sie mir bitte, da kommt bald was“, beschwor der 49-Jährige regelmäßig seine Zuhörer.

Nun kann er endlich Antworten liefern. In den kommenden Tagen wird er beide Probleme mit den gleichen Mitteln angehen: neue Kooperationen.

Am Dienstag unterschrieb Spohr in Chinas Hauptstadt Peking einen Vertrag, der sein Fluggeschäft ins bevölkerungsreichste Land der Welt in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der staatlichen Air China packt.

Die besten Airlines der Welt
Das RankingDie Auszeichnung für die Airline des Jahres von Skytrax basiert auf einer Fluggastbefragung, die seit 1999 durchgeführt wird. Ausgewertet werden die Daten von rund 18 Millionen Passagieren aus über 160 Ländern. Die Angebote an Bord sowie die Services der Fluggesellschaften an den Flughäfen werden bewertet. Die „Skytrax World Airline Awards “ gelten als angesehenste Auszeichnung für die Luftfahrtbranche. Quelle: dpa
Platz 10: Garuda IndonesiaDie indonesische Airline Garuda arbeitete sich in die Top Ten vor. Im Vorjahr stand sie noch auf Platz 11. Quelle: REUTERS
Platz 9: Hainan AirlinesGleich drei Plätze aufwärts ging es für Hainan. Die Fluggesellschaft erhielt auch den Preis als beste chinesische Airline und erhielt den Award "Best China Airline Staff Service". Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: dpa
Lufthansa Quelle: dpa
Eva Air Quelle: dpa
Platz 5: Cathay Pacific Airways Im Vorjahr lag die Fluglinie noch auf Platz 4. In diesem Jahr ist Cathay Pacific Airways um einen Platz abgesackt. Quelle: REUTERS

Eine Woche später soll sein Aufsichtsrat eine Kooperation mit Air Berlin und deren Haupteigentümer Etihad beschließen. Der Kern: Die rund 40 Flugzeuge der Hauptstädter in Köln, Hamburg, München und Stuttgart fliegen künftig inklusive Besatzung für Eurowings. Dazu will Lufthansa mit Air-Berlin-Hauptaktionär Etihad aus Abu Dhabi zusammenarbeiten. Offiziell äußert sich derzeit keines der beteiligten Unternehmen.

Die Abkommen haben scheinbar wenig miteinander zu tun. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt drei Gemeinsamkeiten.

1. Die Deals sollen lästige Angreifer bremsen

Die aktuellen Verkehrsstatistiken der Lufthansa zeigen vor allem zwei Problemfelder: Europa und Asien. Wegen der wachsenden Konkurrenz sind in beiden Regionen zuletzt die Zahl der Passagiere und die Auslastung der Maschinen gesunken. Letzteres trifft Airlines besonders hart. Angesichts der hohen Fixkosten im Fluggeschäft, drückt ein Umsatzrückgang beim Ticketverkauf in fast voller Höhe den Gewinn. Das sollen die Kooperationen zumindest bremsen.

Wie es bei der Lufthansa besser werden soll

Klappt die Zusammenarbeit mit Air Berlin, hilft das Lufthansa vor allem in Deutschland. Dann fällt die Hauptstadtlinie nicht nur in München oder Hamburg als lästiger Konkurrent aus und sichert der Lufthansa so vor allem den lukrativen Verkehr mit Geschäftsreisenden morgens und abends.

Der Pakt sichert Lufthansa auch deren wertvolle Startrechte bevor sie sich andere nehmen. Mit ihrem anhaltenden Schrumpfkurs hat Air Berlin zuletzt vor allem in Köln und München Platz für Wettbewerber wie Ryanair oder Transavia gemacht. Bei einem plötzlichen Kollaps der Berliner könnten auch weitere aggressive Angreifer mit vollen Taschen, wie Easyjet, die Lücke füllen. Das würde Lufthansa mehr zusetzen als die finanzschwache Air Berlin. Die Gefahr wäre nach einer Übernahme nun erstmal gebannt.

Darum sind die Deals für die Lufthansa riskant

Dazu gibt der Bund Eurowings einen spürbaren Schub bei ihrer Expansion nach Europa. Hier will Spohr die Linie zur Nummer drei ausbauen, weil künftig Billigflieger ohne ein großes europaweites Netz keine große Rolle mehr spielen werden. Doch dafür fehlten Spohr bislang die Flugzeuge, weil er sie kaum auf einen Schlag bekommen hätte - und wenn, hätte er sie sich nicht leisten können.

Mit den 40 Fliegern der Berliner macht Eurowings nun nicht nur einen großen Sprung in die ersten drei Ränge der europäischen Flugdiscounter. Sie wird vor allem im Urlaubsverkehr eine große Nummer. Mit Air Berlin ist die Lufthansa-Tochter vor allem auf dem wichsten Flugziel deutscher Touristen in Mallorca der Marktführer, wo Eurowings mit seinen zwei Maschinen nicht einmal eine Nebenrolle spielte. Dazu kommen viele Ziele in Spanien und Teilen Italiens.

Der Bund mit Air China hingegen soll die Lufthansa davor schützen, dass die Golflinien sich in China breitmachen. Im wichtigsten Wachstumsmarkt der Branche tun sich Emirates, Etihad und andere bislang schwerer als im Rest Südostasiens. Aus Ländern wie Indonesien oder den Philippinen konnten sie Lufthansa und andere europäische Linien fast komplett vertreiben.

Die wichtigsten Billigflieger in Deutschland

Doch die Regierung in Peking beschränkt die Flugrechte, um ihre staatlichen Airlines vor den oft bequemeren und meist effizienteren Ausländern zu schützen. Dazu können hier die Golflinien ihren Kostenvorteil nur begrenzt ausspielen. Denn gerade Geschäftskunden aus Nordeuropa tun sich hier schwer, weil sie wegen des Umwegs inklusive Flugzeugwechsel nicht selten einen halben Tag länger unterwegs sind bei Nonstop-Verbindungen.

Mehr Nonstop-Verbindungen

Im Verbund mit Air China kann Lufthansa künftig zunächst mehr Nonstop-Verbindungen zu Zielen abseits der Metropolen Peking oder Schanghai fliegen. Dafür hatte die Kranichlinie bislang häufig zu wenige Kunden und musste Routen wie München-Shenyang einstellen.

Dazu darf Lufthansa dank des Air China-Bundes als einziges ausländisches Unternehmen umfangreiche Umsteigeverbindungen zu Zielen abseits der Metropolen Peking oder Schanghai anbieten, worauf besonders in Deutschland viele ihrer Unternehmenskunden warten. Sie darf ihre Tickets dank Air China auch im Reich der Mitte vermarkten. Und wenn in 2019 Pekings neuer Airport fertig ist, dürfen Lufthansa und Air China auf dem deutlich besser erreichbaren heutigen Landeplatz bleiben.

Doch beide Deals sind auch riskant für die Lufthansa.

2. Lufthansa betritt fliegerisches Neuland

Air Berlin und Air China haben eine weniger kundenfreundliche Firmenkultur als die Lufthansa nach den Verbesserungsprogrammen der vergangenen zwei Jahre. Chinas Staatslinie gilt trotz vieler Fortschritte bei Service an Bord und am Boden sowie der Flugsicherheit als bürokratisch und unflexibel in ihrer Arbeitsweise. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie sich als Staatsunternehmen in vielen Fragen bei ihrem Alleinaktionär Regierung rückversichern muss.

Bei Air Berlin haben die vielen Sparrunden und die jahrelange Ungewissheit Kundendienst und Zuverlässigkeit geschadet. Bei den Statistiken von Fluggastrechtportalen wie Flightright oder Fairplane landet die Linie immer ganz vorne bei Unregelmäßigkeiten und ungewollten Flugverspätungen. Mit @airberlinhell widmet sich gar ein eigener Twitteraccount den Unzulänglichkeiten der Berliner. Das könnte bei einer Kooperation auch auf das Bild der Lufthansa in der Öffentlichkeit trüben.

Dazu muss Lufthansa beim Pakt mit Air Berlin mit hohen Auflagen der Wettbewerbshüter rechnen. Der neue Bund wäre mit Abstand Marktführer in Hamburg, Köln, Stuttgart und München - und Monopolist bei allen Routen zwischen den vier Orten sowie auf vielen Ferienstrecken ans Mittelmeer. „Wir fordern weiterhin stabile Ticketpreise“, verbittet sich Dirk Gerdom, Chef des deutschen Geschäftsreiseverbands VDR und oberster Reisemanager des Software-Riesen SAP denn auch Preiserhöhungen.

Zwar hat hier Eurowings-Chef Karl Garnadt bereits vorsorglich Stimmung gemacht. Auf einem Kongress der Fachzeitschrift FVW prophezeite er, ohne Konsolidierung gebe es bald „eine Intensität des Wettbewerbs, wie wir ihn bisher noch nicht gesehen haben“. Doch weil der einem Verbund Lufthansa-Air Berlin zunächst zumindest in Deutschland eher weniger trifft, dürften die Wettbewerbshüter einiges verlangen, etwa dass Lufthansa selbst Wettbewerber für die vier Airports des deutschen Duos sucht.

„Wenn das Geld weg ist, sind die Probleme größer als zuvor“

Kompliziert werden dürfte auch der Bund Lufthansa-Etihad als erste Kooperation unter Gleichen zwischen einer Linie aus Europa und einer vom Golf. „Nicht nur, dass fast jeder Gemeinschaftsflug der zwei gegen die Grundsätze von Lufthansas Star Alliance verstößt“, so ein Unternehmenskenner. „Wie soll Lufthansa mit einer Airline zusammenarbeiten, bei der für sie als Privatunternehmen unverzichtbare Dinge wie Wirtschaftlichkeit oder Gewinn fast keine Rolle spielen und fast alles dem Wunsch der Herrscherfamilie aus Abu Dhabi nach schnellem Wachstum und möglichst vielen Besuchern im Emirat untergeordnet ist.“

3. Die neuen Partner sind kaum berechenbar

Am offensichtlichsten ist die Unberechenbarkeit bei Air Berlin. Unternehmenskenner halten den Lufthansa-Deal für eine Art Verzweiflungstat der Berliner. Zahlt die Lufthansa die Miete für die 40 Flieger wie in der Branche üblich für mehrere Monate im Voraus, könnten Air-Berlin-Chef Stephan Pichler und seine Aufseher zwar mehrere hundert Millionen Euro verbuchen. Doch das Geld rettet Air Berlin nicht.

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Lufthansa Quelle: dpa
Platz 11 - All Nippon Airways (Japan)All Nippon Airways ist die größte Fluggesellschaft Japans und Mitglied der Luftfahrtallianz Star Alliance. Die Flottenstärke beträgt aktuell 213 Flugzeuge. Quelle: dpa
Japan Airlines (JAL) Quelle: REUTERS
Platz 9 - Qantas Airways (Australien)Qantas Airways ist die nationale Fluggesellschaft Australiens und Mitglied der Luftfahrtallianz oneworld. Die Fluggesellschaft wurde 1920 gegründet und verfügt über 118 Flugzeuge. Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: AP
Emirates Quelle: REUTERS
Eva Air Quelle: REUTERS

Es füllt zwar die Kasse, was das Unternehmen angesichts von fast zwei Milliarden Euro Verlusten seit 2011 und einem negativen Eigenkapital von einer Milliarde dringend braucht. Doch vor allem wegen der hohen Leasingraten für ihre Flugzeuge sind aus Sicht von Unternehmenskennern die Betriebskosten der Berliner pro Flugstunde höher als der Betrag, den Eurowings seinen Partnern anbietet. „Das ist eher eine Variante jener Sale-&-Leaseback-Deals, die Air Berlin unter Wasser drücken“, fürchtet ein Insider. „Und wenn das Geld weg ist, sind die Probleme größer als zuvor.“ Dann müsste Lufthansa entweder Air Berlin finanziell stützen oder den bislang gemieteten Teil komplett übernehmen.

Weniger dramatisch aber kaum weniger schwierig dürfte die Zusammenarbeit mit Air China werden. „Wie alle chinesischen Fluggesellschaften hat die Regierung sie angehalten kräftig zu wachsen“, sagt Lei Sheng, Professor an der Civil Aviation University genannten Ausbildungsstätte der staatlichen Luftfahrtbehörde. „Hintergrund für die Expansion ist vor allem die Seidenstraße-Initiative.“ Sie soll für möglichst viele Verbindungen vor allem nach Europa sorgen. Darum haben viele Linien die Zahl ihrer Auslandsverbindungen hochgefahren. China Eastern hat allein in diesem Jahr vier neue Ziele in Europa aufgenommen wie Amsterdam, Paris und Madrid. Bei Air China lag der Passagierzuwachs zuletzt bei gut 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das nächste Jahr stehen ähnliche Ziele im Plan.

Mehr Direktflüge

Das Plus soll Air China aber nicht nur das Gemeinschaftsunternehmen mit Lufthansa mit den Routen von China nach Deutschland liefern, sondern immer mehr auch Direktflügen in andere Städte Europas - „auch wenn diese Kunden und besonders die Premiumreisenden dann nicht mehr in Frankfurt oder München umsteigen und der Lufthansa fehlen“, so ein Kenner beider Unternehmen.

Am Ende dürften die Risiken jedoch Lufthansa-Chef Spohr nicht abhalten, weil er aus Sicht von Experten keine Wahl hat, will er in der Attacke von Billigfliegern und Golflinien nicht untergehen. „Es mag in beiden Fällen eine Art Tanz mit dem Teufel sein“, so ein Konzernkenner. „Aber was soll Spohr tun, wenn das leider die einzigen Partner sind?“

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