Lufthansa-Deal Das wird Air Berlin auch nicht retten

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Air-Berlin-Durcheinander trifft die Kunden

Ähnlich lief es beim Umbau des Flugangebotes. Im Sommer 2015 versprach Pichler drastische Einschnitte im Netz. Im November verkündete er einen Ausbau, im Frühjahr wurde wieder gekürzt. „Es ging quasi jedes Jahr in eine andere Richtung“, so der Ex-Manager.

Die Unsicherheit schlug schließlich auf die Belegschaft durch. Und sie wurde verstärkt, weil die von den wechselnden Firmenchefs angekündigten Sparprogramme nicht berechenbar waren. „Wie soll ich die Passagiere gut betreuen, wenn ich nicht weiß mehr, wo es mit dem Unternehmen hingeht und wie lange ich meinen Job noch habe?“, klagt ein Betriebsrat.

Als Etihad dann ab dem vergangenen Herbst schrittweise die Macht übernahm, wurde es nicht besser. „Nun bekamen zwar wichtige Manager bei uns eine Art Aufpasser aus Abu Dhabi, doch die hatten nicht nur wenig Ahnung vom deutschen Markt. Ihnen war der Nutzen für Etihad wichtiger als unsere Rettung“, sagt ein Ex-Manager.

Das Durcheinander traf auch die Kunden. Das Hin und Her aus Flugplankürzungen und Umbauten führte dazu, dass immer mehr Flüge ausfielen. Der Ärger darüber und die Unsicherheit über die Zukunft der Linie sorgten dann dafür, dass im Hauptreisemonat August bei Air Berlin als fast einziger Fluglinie in Europa die Auslastung sank.

Das verbliebene Kundenvertrauen dürfte Pichler mit seinen bislang vorgetragenen Pläne kaum zurückgewinnen. Zwar versprach der Manager seinen Kunden heute, Air Berlin werde alle gebuchten Flüge wie geplant durchführen. Doch das kann er kaum halten:

Ihm fehlen ab April zumindest die 40 an die Lufthansa verliehenen Maschinen. „Wir legen die Flugpläne selbst fest, verkaufen unsere Tickets und dürfen uns mit Air Berlin gar nicht abstimmen“, stellte Eurowings-Chef Garnadt klar. Mit anderen Worten: Das Gros der 40 Jets fliegt garantiert nicht da, wo sie Air Berlin derzeit eingeplant hat. Und wenn, dann sind sie wahrscheinlich voller Eurowings-Kunden.

Um gegenzusteuern, müsste Pichler eigentlich die genannten Probleme gezielt angehen. Dazu könnte er etwa durch eine Umschuldung der geleasten Jets die Finanzlast senken oder über eine Serviceinitiative die Kunden zurückgewinnen.

Stattdessen verspielt die angestrebte Realteilung aus heutiger Sicht mehr oder weniger die letzte Chance auf Rettung. Eurowings und wahrscheinlich TUI, der kolportierte zweite Partner, werden mit dem Ferienverkehr die am ehesten sanierbaren Teile und die wichtigsten finanziellen Stützen bekommen. Air Berlin hingegen behält mit dem auf Umsteiger ausgerichteten Verkehr in Berlin und Düsseldorf den riskantesten Teil – und die wesentlichen Verlustbringer.



So hart der Wettbewerb auf der Kurzstrecke in Europa ist, auf der Langstrecke ist er noch härter. Hier trifft Air Berlin nicht nur auf eine wachsende Zahl von Billigfliegern wie Norwegian oder WowAir aus Island. Dazu kommen auch die Lufthansa, Fluglinien vom Golf wie Emirates und die finanziell gesunden Linien aus den USA wie etwa Delta Airlines. Die US-Linie hat ausgerechnet am Donnerstag angekündigt, die Strecke Berlin-New-York gegen Air Berlin fliegen zu wollen.

Alle Konkurrenten fliegen ihre Routen täglich oder mehrfach täglich, was bei den für Pichler so wichtigen Geschäftsreisenden deutlich besser ankommt, als die nur drei bis vier Flüge pro Woche, die bei Air Berlin die Regel sind.

Das Air-Berlin-Dilemma

Die Crux: Auch wenn der Dreier-Deal unter diesen Gesichtspunkten auf ersten Blick unverständlich bis verzweifelt wirkt, am Ende war er unvermeidlich. Falls Stefan Pichler trotz aller bisherigen Unklarheiten noch eine Chance haben will, braucht er für eine echte Sanierung neben Zeit auch Geld. Da Etihad nach den Milliardenhilfen der vergangenen Jahre erstmal nichts mehr nachschießen kann, ohne gegen das Beihilferecht der EU zu verstoßen, blieb nur die Spaltung zur Geldbeschaffung. Nach den Flugzeugverkäufen und den Hochzins-Anleihen waren nur die Segmente des Flugbetriebs noch etwas wert.

Doch die Einnahmen tragen nicht weit. Selbst wenn Lufthansa aus Angst vor einem Angriff anderer Billigflieger wie Ryanair der Air Berlin mehr überweist als nötig: Angesichts der gegenwärtigen Verluste von gut einer Million Euro pro Tag könnte bei den Berlinern bald wieder das Geld genauso knapp werden wie im vorigen Herbst.

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