Lufthansa Der geborgte Boom

Lufthansa-Chef Carsten Spohr präsentiert die wohl stärkste Halbjahresbilanz der Fluglinie. Warum es schwer werden dürfte, das Niveau zu halten.

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Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Quelle: dpa

Um seine Laune zu verbessern, hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Urlaub mit Frau und Töchtern im Ferienhaus auf Sardinien in diesem Jahr eigentlich nicht nötig. Der Manager mit Hauptwohnsitz in München konnte bereits vor Beginn der bayerischen Sommerferien am vergangenen Wochenende gute – je nach Rechnung sogar die besten – Halbjahreszahlen in der Geschichte seiner Fluglinie verkünden.

Mit gut einer Milliarde Euro Ergebnis vor Steuern und Zinsen verdoppelte die Lufthansa nicht nur den Vorjahreswert, wie das Unternehmen verkündete. Spohr konnte zuletzt sogar versprechen, dass Europas umsatzstärkste Fluglinie im Gesamtjahr rund 1,8 Milliarden Euro verdienen wird. Denn, so Spohr, „Wir stehen vor dem besten Sommer aller Zeiten“. Die subtile Botschaft: Mit einer rekordverdächtigen Hauptreisezeit im Rücken könnte der Konzern erstmals sogar die 2,5 Milliarden Euro knacken.

Nun hat es sich Spohr wie wohl kein Vorstandsvorsitzender eines Dax-Unternehmens verdient, mal ein paar Erfolge zu feiern und die Konferenz mit Analysten und Medien am Mittwoch seinem Finanzchef Ulrik Svensson zu überlassen. Schließlich verliefen für ihn die vergangenen vier Jahre holprig. 

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Spohrs Aufstieg

Der Manager aus Wanne-Eickel war 2013 zwar als Favorit für die Nachfolge von Christoph Franz gesetzt, doch statt einer schnellen Kür musste der ehrgeizige Manager ein halbes Jahr zusehen, wie ihn sein Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber mit immer neuen Vorwänden und unrealistischen Gegenkandidaten piesackte. Kaum war er im Amt, jagte ein Streik seines Personals den nächsten.

Doch davon hat sich der Manager mit der Kapitänslizenz für einen Airbus Mittelstreckenjet nicht irremachen lassen. Stattdessen hat er die Probleme der Reihe nach abgearbeitet. Zuerst rang er seinen Piloten Zugeständnisse ab - auch mit der Drohung, den Verkehr zu Billigtöchtern zu verlagern.

Ohnehin warf Spohr seine langjährige Skepsis gegen die konzerneigenen Billiglinien ab und baute Eurowings gezielt aus. Davon ließ er sich auch nicht abbringen, obwohl der Prozess deutlich komplizierter war als angenommen.

Doch allzu euphorisch sollte Carsten Spohr, der wie wenige Manager unerschütterlichen Optimismus ausstrahlt, im Angesicht der guten Zahlen nicht werden. Sicher ist der dauerhafte Aufschwung nicht. Das liegt nicht nur daran, dass in der Flugbranche nach der Krise eigentlich immer vor der Krise ist, wie Spohr selbst mal kalauerte. „Der aktuelle Aufschwung ist eher ein geborgter Boom“, urteilt ein führender Lufthanseat.

Was der Lufthansa den Aufschwung brachte

Sicher hat Lufthansa viele ihrer Hausaufgaben gemacht. Dank Effizienzprogrammen und einer engeren Bestuhlung der Maschinen sanken die Kosten. Gleichzeitig sorgte die clevere Preispolitik für vollere Flieger.

Laut einer aktuellen Analyse der Branchenanalysten des Center for Aviation beruht der Erfolg jedoch nicht bloß auf den erledigten Umbauten - sondern vor allem auf günstigen Umständen.

Da ist zum einen der billige Sprit. Er drückt die Ausgaben der Fluglinie um ein paar hundert Millionen pro Jahr. Und weil der von allen erwartete Anstieg der Spritpreise trotz Krise in Katar und Venezuela ausbleibt, wird das noch eine Weile so bleiben.

Spohrs zweites Glück ist die unerwartet starke Konjunktur in Deutschland. Sie kurbelt nicht nur die Reisenachfrage der Urlauber an. Sie hilft der Lufthansa auch stärker als früher, weil sie dank Eurowings inzwischen im deutschsprachigen Europa der größte Ferienflieger ist. 

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Die guten Exporte sorgen auch für mehr Geschäftsreisende, die im Schnitt mehr als doppelt so viel pro Ticket zahlen wie ein Urlauber. Der Aufschwung stimmt auch die Reiseplaner der Unternehmen milder. Sie gönnen ihren Geschäftsreisenden nun eher mal einen Flug in der Business Class.

Dritter und letzter Treiber ist das unerwartete Verhalten der Wettbewerber und Geschäftspartner.  Da ist zum einen die überraschende Schwäche der Gobos, wie Lufthansa-intern die Linien vom Golf (wie Emirates und Etihad) oder Bosporus (Turkish Airlines) heißen. Sie haben in den vergangenen Jahren die Zahl ihrer Flüge deutlich zweitstellig gesteigert und durch das unvermeidliche Überangebot die Preise gesenkt. Nun halten sie sich zurück, weil ihre staatlichen Eigentümer wegen des sinkenden Ölpreises weniger Geld zum Investieren haben. Im Falle der Türkei ist die Nachfrage zudem so sehr gesunken, dass die heimischen Linien ihre Flieger selbst mit Kampfpreisen nicht mehr vollkriegen. 

Überraschender ist das rationale Verhalten im Rest der Brache. In früheren Aufschwung-Phasen war den Airlines ein steigender Marktanteil wichtiger als höhere Gewinne. Jetzt ist es umgekehrt. Sowohl die US-Fluglinien wie auch die IAG-Gesellschaften halten sich beim Ausbau zurück. „Und dass kleinere Linien wie Air Berlin nun auf einmal  ihren Verlusten durch mehr Wachstum entkommen wollen, stört angesichts der sonstigen Disziplin bei der Kapazität nicht weiter“, sagt Thomas Jaeger, Chef des Schweizer Datendienstleisters Ch-Aviation.

"Fast schon eine Zeitenwende"

Fast neu für die Lufthansa ist dagegen das Entgegenkommen vieler Geschäftspartner - insbesondere das der Flughäfen. Mag die Kranichlinie auch nach außen hin immer wieder das Klagelied steigender Gebühren anstimmen. „Das Entgegenkommen von Frankfurt zuerst gegenüber Ryanair und in Folge dessen gegenüber der Lufthansa ist schon eine kleine Zeitenwende“, so ein Flughafenmanager.

Allerdings: Keine von Spohrs Aufschwung-Stützen steht auf sicheren Beinen. So erfolgreich die bisherigen Einsparungen auch waren, diese Früchte sind geerntet. Um mehr rauszuholen, müssten neue Ideen kommen - etwa beim Verkauf von Extras neben dem Ticket. Doch die bisherigen Angebote gerade über eine stärkere Digitalisierung sind vergleichsweise schwer umzusetzen. Zudem verlangen sie neue, schlankere Arbeitsweisen. Damit tut sich das Traditionsunternehmen Lufthansa noch schwer.

Dazu wecken die hohen Gewinne naturgemäß die Wünsche der Belegschaft nach höheren Gehältern. „Ertragsrekorde und Abbauprogramm passen nicht zusammen“,  heißt es etwa bei der Industriegewerkschaft Luftverkehr.

Zumindest ebenso schnell kann der Rückenwind durch externe Faktoren drehen. So halten Analysten ein weiteres Absinken des Ölpreises für unwahrscheinlich. Dagegen könnte es spätestens im nächsten Jahr nach oben und spürbar über die psychologisch wichtige Marke von 50 Dollar für die gängige Maßeinheit Barrel gehen.

Die Flugpreise sind bereits unter Druck geraten. Schon jetzt muss die Lufthansa für den Rest des Jahres ihre Tickets öfter als geplant mit Rabatt verkaufen. Das dürfte bald noch häufiger der Fall sein.

Der bislang fast zehn Jahre lange konjunkturelle Aufschwung könnte an Schwung verlieren, wenn sich EU und Großbritannien nicht auf einen Kompromiss beim Brexit einigen. Darunter würde die Lufthansa wohl nicht direkt leiden. Allerdings haben Billigflieger wie Ryanair und Wizzair angekündigt, ihre Flieger von den britischen Inseln aufs europäische Festland zu verlagern. Das würde die Preise weiter drücken. Dazu wird ein weiteres Vordringen der Langstreckenbilligflieger wie Norwegian oder der isländischen Wow Air für Überkapazität und Preiskampf auf dem Nordatlantik sorgen.

Wie real die Gefahr ist, zeigt die Lufthansaaktie. Bis Juli hatte sich der Kurs gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Seitdem ist er um mehr als zehn Prozent gefallen.

Daher wäre es keine Überraschung, wenn Spohr derzeit vor allem Kraft für den Herbst schöpft - und die Bilanz für die ersten neun Monate 2017 Ende Oktober kurz vor den bayerischen Herbstferien zur Beruhigung aller wieder selbst präsentiert.

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