Lufthansa Franz präsentiert einen versteckten Kracher

Christoph Franz‘ letzte Bilanz als Konzernchef ist eine eher langweile Angelegenheit. Aber dann gibt es doch noch eine faustdicke Überraschung. Die Lufthansa-Aktie steigt auf Sechsjahreshoch.

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Wenn ein Dax-Konzern nach einem recht unruhigen Jahr seine Jahresbilanz vorstellt, gibt es die Neuigkeiten normalerweise erst nach dem Beginn der Pressekonferenz. Dann stellen der Vorstandsvorsitzender und der Finanzchef ihre Zahlen vor und versuchen ein paar positive Aha-Effekte einzubauen. Gut aufgenommene Geschäftszahlen haben die Aktien der Lufthansa am Donnerstag auf den höchsten Stand seit mehr als sechs Jahren katapultiert. Besonders der Dividendenvorschlag von 45 Cent je Aktie begeisterte die Anleger.

Bei der Lufthansa ist das heute ein wenig anders. Wenn der scheidende Konzernboss Christoph Franz und seine Finanzchefin Simone Menne Schlag Mittag im ebenso düsteren wie unscheinbaren Konferenzraum mit Blick auf Franz' Büro im obersten Stock der Konzernzentrale am Frankfurter Flughafen auf ein leicht erhöhtes Podium steigen, ist alles Wichtige eigentlich schon gesagt.

Natürlich haben die beiden auch die Jahreszahlen präsentiert. Doch sind die nicht besonders aufregend. Der Umsatz ist durch den Not-Verkauf der britischen BMI leicht niedriger, der Gewinn – ohne eine ganze Liste von Sondereffekten - hingegen etwas höher. Das liegt sicher an Franz und den ersten Früchten seiner Sanierung etwa bei der lange vor sich hin siechenden Austrian Airlines und Rekordgewinnen bei der Catering Tochter LSG und dem Technik genannten Wartungsgeschäft. Aber nicht weniger wichtig ist der milde Ölpreis, der im vergangenen Jahr weniger stark gestiegen ist als zunächst befürchtet.

Doch das ändert nichts am Gesamtbild. Am Ende ist die operative Marge vor Zinsen und Steuern mit rund drei Prozent noch ein gutes Stück entfernt von jenem Ertragsziel von acht Prozent, dass Franz vor gut zwei Jahren beim Start seines Umbauprogramms Score mal als Ziel vorgegeben hat. Und das Passagiergeschäft ist mit einem Prozent Rendite ein gutes Stück davon entfernt, selbst im aktuellen Niedrigzinsumfeld seine Kapitalkosten zu verdienen.

Eine kleine Überraschung gab es dennoch, wenn auch keine, die die Anleger begeistern dürfte. Denn die Lufthansa hat sich entschlossen, ihre Flugzeuge künftig über einen längeren Zeitraum abzuschreiben. Das klingt nach langweiliger Finanzmathematik. Tatsächlich aber steckt dahinter ein kleiner Schritt von einer grundsoliden Lufthansa in eine ein bisschen weniger solide Lufthansa.

Stille Reserve schrumpft

Durch die schnelle Abschreibung innerhalb von zwölf Jahren hatte die Linie immer eine Finanzreserve für schlechte Zeiten, denn die Flieger standen immer zu einem niedrigeren Wert in den Büchern als sie tatsächlich wert waren. Damit konnte die Lufthansa auf die Schnelle einen Gewinn und Bargeld einfahren, wenn sie die Maschinen vorab verkaufen musste.

Jetzt mit einer Abschreibung auf 20 Jahre, fällt diese stille Reserve geringer aus. Dafür fällt der operative Gewinn besser aus. Das erleichtert der Lufthansa ihr Ertragsziel von acht Prozent zu erreichen, denn angesichts der Investition von bis zu 20 Milliarden in neue Flieger, sinkt die Belastung um rund 350 Millionen Euro jährlich. Das ist schön, wenn man mehr Gewinn macht. Aber auch, wenn es fast alle Wettbewerber machen. Ein Zeichen von Solidität ist es eben nicht. Der Kommentar von Finanzchefin Menne: „Die Lufthansa Group und ihre Unternehmen sind für kommende Herausforderungen gerüstet“, klingt da einen Hauch weniger überzeugend.

Doch dieser Hingucker verblasst neben den wirklich aufregenden Nachrichten, die die Lufthansa kurz und bündig noch am Mittwoch erledigt hat – und dabei zwei Überraschungen verkündete, eine mittlere und eine faustdicke. Die mittlere war eine Kette von Personalien, die gemessen am Tohuwabohu in der Führungsriege bei der Wahl Wolfgang Mayrhubers zum Aufsichtsratschef und der quälend langen Bestellung Carsten Spohrs zum Konzernchef recht geordnet und im klassischen Lufthansa-Stil über die Bühne ging. Wenn Spohr am 1. Mai Konzernchef wird, rückt Cargo-Chef Karl Garnadt nach als neuer Leiter Chef des Hauptgeschäfts, der Passage genannten Flüge unter der Marke Lufthansa.

Miles & More als Gewinngarant


Das ist eine mittlere Überraschung. Zwar war von vorneherein klar, dass Spohr in den komplett von Franz (und natürlich dem Aufsichtsrat) berufenen Konzernvorstand mindestens einen seiner Vertrauten holen durfte. Doch es war nicht klar, welchen Posten dieser bekommt. Denn als heißer Kandidat für die Stelle „mächtiger Passagechef“ galt auch Harry Hohmeister.

Der ist nicht nur Chef der Swiss und oberster Aufseher aller anderen Linien im Konzern wie Austrian Airlines und der belgischen Brussels. Er ist auch ein sehr selbstbewusster Manager, der Zoff mit Chefs und Kollegen eher genießt als meidet. Hätte Mayrhuber Hohmeister als Passagechef platziert, hätte der sicher für mehr oder weniger kreative Unruhe gesorgt und Spohr mehr unter Druck gesetzt als Garnadt.

Letzterer ist zwar auch nur begrenzt obrigkeitshörig und sagt deutlich, was er denkt. Doch der 57-Jährige kennt Spohr aus vielen Jahren der Zusammenarbeit und hat– im Gegensatz zum jüngeren Hohmeister – keinerlei Ambitionen irgendwann doch noch mal Konzernchef zu werden. Darum ist die Entscheidung für Garnadt eine Entlastung für Spohr – und natürlich auch ein Zeichen, dass dem Aufsichtsrat etwas mehr klassische Lufthansa nach den vielen frischen Kräften von außen doch ganz recht ist.

In das ganze Bild passt denn auch, dass auf Garnadts Führungsposten im Frachtgeschäft Peter Gerber folgt. Der außerhalb des Konzerns eher unbekannte studierte Jurist gilt schon lange als heißer Kandidat für ganz hohe Aufgaben, nachdem er in den vergangenen Jahren neben klassischen Jobs wie Personalchef auch eine Reihe eher unangenehmer wie Sparprogramme und die extrem kitzligen Tarifverhandlungen mit den Piloten recht erfolgreich und vor allem fast geräuschlos erledigte. Insider trauen ihm zu, dass er in den Konzernvortand nachrückt, wenn Garnadt oder die – heute ebenfalls aufgewertete – Personalchefin Britta Volkens in absehbarer Zeit den Konzern verlassen.

Bonusprogramm wird selbständig

Dazu kam eine unauffällige aber umso größere Überraschung. Die Lufthansa verselbständigt ihr Bonusprogramm Miles & More. Das klingt erstmal langweiliger als die Personalien. Tatsächlich aber steckt dahinter eine clevere Taktik um den Lufthansa-Gewinn zu steigern. Denn längst sind die Meilenclubs von einem Kundenbindungsprogramm zu einem wichtigen, wenn nicht sogar der wichtigsten Gewinnquelle geworden, ohne die keine Airline schwarze Zahlen schreibt.

Denn statt Rabattmarken bietet das Programm hoch begehrte Meilen. Die kosten die Lufthansa in der Produktion lediglich den Bruchteil eines Cents pro Meile. Doch andere Unternehmen wie Hotels oder Zeitungsverlage zahlen dafür bis zu zwei Cent pro Meile, weil manche Kunden die Punkte innig lieben.

Zwar schweigt die Lufthansa, wieviel sie mit ihren Meilen verdient. Doch ihre Partnerlinie Air Canada kommt bei ihrem Aeroplan-Programm auf eine drogenhandelsverdächtige Umsatzrendite von gut 30 Prozent seit sie den Meilenclub für möglichst viele andere Partner geöffnet hat.

Darauf hofft wahrscheinlich auch die Lufthansa. Nun kann das Programm attraktiver werden für andere Kunden. Denn die gut 20 Millionen Wenigflieger unter den gut 25 Millionen Mitgliedern finden künftig wohl mehr Sammelmöglichkeiten als Flüge und Kreditkarten – und die Lufthansa mehr Abnehmer für ihre Meilen. Und wenn es mal ganz mies läuft, kann die Lufthansa Anteile an Investoren von außen verkaufen. Air Berlin hat dabei immerhin ein Mehrfaches vom Börsenwert der Airline eingenommen. Und das lag nicht nur daran, dass ihr Großaktionär Etihad einen kreativen Weg brauchte, Geld in seine angeschlagene Tochter in der deutschen Hauptstadt zu schicken.

Die Überraschungen dieser Woche werden jedoch nicht die letzten bei der Lufthansa im Verlauf dieses Jahr sein. Denn auch wenn Franz heute beschwören dürfte, wie weit die Sanierung doch bereits fortgeschritten sei: Tatsächlich hinterlässt er notgedrungen einen halbfertigen Konzernumbau, der ohne einige zusätzliche Einschnitte und weitere Anpassungen nicht zu beenden sein wird. Wenn er angesichts der ständigen Veränderungen der ganzen Flugbranche überhaupt jemals aufhört.

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