Das System begünstigt hohe Gehaltsforderungen geradezu. Denn es schafft den Anreiz besonders hohe Abschlüsse herauszuholen, die vor allem der eigenen bereits beschäftigten Klientel dienen und weniger dem eigenen Nachwuchs oder den Kollegen im Rest des Unternehmens. Als abschreckendes Beispiel dieser gewerkschaftlichen Sparten-Denkart gilt ein Zitat von Rick Dubinski, langjähriger Chef der Piloten beim amerikanischen Lufthansa-Partner United Airlines. Der begrüßte laut einem Bericht der New York Times in den späten neunziger Jahren seinen Verhandlungspartner auf Arbeitgeberseite mit den Worten: „Wir wollen die goldene Gans gar nicht töten. Wir wollen ihr nur den Hals zudrücken bis sie uns auch das allerletzte Ei überlässt.“
So grobschlächtig argumentieren die Cockpit-Funktionäre zwar nicht. Aber aus ihrer Sicht ist ihre Forderung nach einem Gehaltsplus von 20 Prozent in Ordnung, weil die Lufthansa derzeit Rekordgewinne schreibt und das Geld ohne eine Lohnerhöhung für sie doch nur den Aktionären überweisen würde.
Diese Gedanken befördert allerdings auch die Konzernstruktur der Lufthansa. Weil die Linie neben der Fliegerei auch in deutlich profitableren Feldern wie Wartung oder Catering aktiv ist, erkennt die finanziellen Nöte des Fluggeschäfts nur jemand, der tiefer in den Geschäftsbericht blickt. Das scheinen die Piloten – zumindest laut ihren öffentlichen Auftritten – nicht zu tun.
Womit die Lufthansa ihr Geld verdient
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 32,1 Milliarden Euro
Angaben für 2015
Quelle: CAPA, Unternehmensangaben
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 16 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 5,4 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 4,5 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 10,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,1 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 1,9 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,0 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,4 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 0,1 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 5,1 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 8,8 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 3 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): 2,8 Prozent
Umsatz (inklusive interner Umsätze): 2,5 Milliarden Euro
Gewinnmarge (Ebit): -15,2 Prozent
Doch die Struktur zu ändern, wäre für Lufthansa-Chef Carsten Spohr riskant. Er könnte zwar die Wartungsbetriebe oder die Flugküchen teilweise an die Börse bringen. Diese Transparenz würde den heute oft versteckten Wert der Töchter deutlich machen und den Konglomerats-Abschlag beim Aktienkurs mindern - und natürlich den Piloten die schwachen Finanzen des Fluggeschäfts zeigen. Leider würde ein Umbau aber auch die heute übliche enge Verflechtung innerhalb der Gruppe mindern, die etwa bei den von den Werkstätten angestoßenen Innovationsprozessen oder den Managerwechseln in der Gruppe zusätzlichen Wert schafft.
Somit ist am Ende eine Lösung des Problems schwer. Denn aus Sicht der Piloten funktioniert das System perfekt. Und selbst wenn sie für einige Wochen als gierige Buhmänner dastehen. Am Ende sind die Erhöhungen ein schönes Schmerzensgeld.
Spohr hingegen bleibt am Ende nicht viel mehr als erstmal die Forderungen auszusitzen -und gleichzeitig daran zu arbeiten, dass die Vereinigung Cockpit im Rahmen einer größeren Gewerkschaftsgruppe aufgeht, die dann weniger radikale Forderungen stellt.
Welche Rechte Fluggäste bei Streik haben
Die Verbraucherzentrale NRW erklärt, welche Rechte betroffene Fluggäste haben.
Die Airline muss laut EU-Verordnung einen Ersatzflug zum nächstmöglichen Zeitpunkt anbieten. Alternativ können Fluggäste bei Annullierung des Flugs vom Luftbeförderungsvertrag zurücktreten und sich den Flugpreis erstatten lassen.
Bei Ausgleichszahlungen ist die Lage strittig. Nach bislang überwiegender Ansicht gelten Streiks als "außergewöhnliche Umstände", und dann braucht die Fluggesellschaft nicht zu zahlen.
Findet der Flug verspätet statt, sichert die europäische Fluggastrechte-Verordnung folgende Rechte zu: Anspruch auf kostenlose Betreuung besteht ab zwei Stunden Verzögerung bei Kurzstrecken (bis 1500 km), ab drei Stunden bei Mittelstrecken (bis 3500 km) und ab vier Stunden bei Langstrecken. Die Airline muss dann für Mahlzeiten, Erfrischungen, zwei Telefongespräche, Telexe, Faxe oder E-Mails sowie eventuell notwendige Hotelübernachtungen (falls sich der Flug um einen Tag verschiebt) samt Transfer sorgen.
Wollen die Fluggäste die Reise bei einer mehr als fünfstündigen Verspätung nicht mehr antreten, können sie ihr Geld zurückverlangen.
Der Reiseveranstalter ist der erste Ansprechpartner, wenn der ausfallende Flug Teil einer Pauschalreise ist. Auch der Veranstalter hat die Pflicht, schnellstmöglich für eine Ersatzbeförderung zu sorgen.
Erst, wenn der Flieger mehr als vier Stunden verspätet ist, kann je nach Flugstrecke ein Reisemangel vorliegen. Dann können für jede weitere Verspätungsstunde fünf Prozent des Tagesreisepreises vom Veranstalter zurückverlangt werden.
Wenn durch den Streik Reiseleistungen ausgefallen sind, haben Urlauber die Möglichkeit, nach ihrer Rückkehr den Preis der Reise zu mindern.