Als Erstes überarbeitete die Innovationsabteilung die Regeln für Meetings. Den klassischen Sitzungsraum mit seinen Tischen und Stühlen schafften sie kurzerhand ab. Brainstorming-Räume mit Sitzsäcken rückten an seine Stelle.
Schon bei der ersten Maßnahme prallte Muirhead mit der Schwerfälligkeit eines Großkonzerns zusammen. Die Beschaffungsabteilung blockierte die Renovierung, weil ihre SAP-Systeme keine Brainstorming-Möbel vorsahen. Nur viel Überzeugungsarbeit machte die Denkräume möglich. Heute werden sie von Kollegen aus allen Konzernteilen gebucht.
Kein Wunder. Denn die Säcke nehmen auch dem formellsten Meeting den Ernst und erschweren eine alte Konzernregel: „Recht hat immer der Höchstbezahlte im Raum“, sagt Muirhead mit einem Lachen.
Hockt der Chef auf einem Sitzsack, leidet die Autorität. Mit der Zeit rutschen die Hosenbeine hoch und die Socken runter. Da sich alle die Meeting-Teilnehmer auf dem Sack bewegen, ist oft nicht ganz klar, wer gerade geredet hat. „Dadurch werden die Ideen wichtiger als derjenige, der sie äußert“, so Muirhead. Den freien Ideenfluss fördert zudem, dass es in den lockeren Runden jeder die Reaktionen nur schwer erkennen kann. Damit machen Redner ihre Kommentare nicht nur seltener von der Reaktion des Chefs abhängig. Sie äußern in der halben Anonymität auch offener ihre Meinung, gerade zu Beiträgen der Vorgesetzten.
Dazu verbot das Lufthansa-Team viele der üblichen Meeting-Formulierungen, mit denen Ideen schon im Keim erstickt werden. „Das geht nicht“ steht ebenso auf der schwarzen Liste wie „das Problem ist...“. Wer sich zu einer Sache oder einem Projekt äußern will, muss sich hineinversetzen. Geduldet wir nur konstruktive Kritik wie „das ginge wenn ...“ oder „eine Lösung könnte sein“. „Das diszipliniert ungemein“, so Muirhead.
Damit die Meetings schneller und konzentrierter verlaufen, ist das Vorschlagswesen stark vereinfacht. Wer eine Idee hat, präsentiert die nicht mit Powerpoint.
Vor Muirheads Büro hängt ein leeres Bierfass. Wer eine Idee hat, nimmt sich einen der darauf liegenden Bierdeckel. Auf die eine Seite mit dem Titel „What is the pain?“ kommt eine kurze Beschreibung des Problems. Auf die Seite „What is to gain?“ muss die Lösung und wie die Lufthansa damit Geld verdienen kann. „Mehr Platz gibt es nicht, so kommt jeder schnell auf den Punkt“, sagt Muirhead.
Es soll auch an diesem einfachen Konzept liegen, dass die Lufthansa die Zahl neuer Patente in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat.
Geld bekommt nur, wer schon mal gescheitert ist
Ebenso ungewöhnlich wie die Bierdeckelvorschläge sind die Arbeitsplätze. Als Muirheads Crew vor rund 15 Jahren ihren Schuppen bekam, baute sie den um. Im Fokus standen nicht die Konzernregeln, sondern die eigenen Anforderungen. Heraus kam eine Großgarage mit reichlich Platz für gemeinsame Arbeit, aber auch Ecken zum ungestörten Nachdenken. „Mit anderen Worten: das Gegenteil eines klassischen Ingenieurbüros“, so Muirhead. Auch im neuen, bumerangförmigen Gebäude der Abteilung kann jeder Mitarbeiter zwischen offenem Raum und abgeschlossenem Büro wählen.