Lufthansa Technik Jemand muss die dummen Fragen stellen

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Sitzsäcke für effektivere Meetings

Als Erstes überarbeitete die Innovationsabteilung die Regeln für Meetings. Den klassischen Sitzungsraum mit seinen Tischen und Stühlen schafften sie kurzerhand ab. Brainstorming-Räume mit Sitzsäcken rückten an seine Stelle.

Schon bei der ersten Maßnahme prallte Muirhead mit der Schwerfälligkeit eines Großkonzerns zusammen. Die Beschaffungsabteilung blockierte die Renovierung, weil ihre SAP-Systeme keine Brainstorming-Möbel vorsahen. Nur viel Überzeugungsarbeit machte die Denkräume möglich. Heute werden sie von Kollegen aus allen Konzernteilen gebucht.

Kein Wunder. Denn die Säcke nehmen auch dem formellsten Meeting den Ernst und erschweren eine alte Konzernregel: „Recht hat immer der Höchstbezahlte im Raum“, sagt Muirhead mit einem Lachen.

Mit diesen Angeboten will die Lufthansa künftig punkten
Warum Konzernchef Spohr auf Innovation setzt 2015 war für die Lufthansa ein Rekordjahr. Doch die Aussichten sind bestenfalls gemischt. Im Wettbewerb mit Billigfliegern und Konkurrenten aus den Golfstaaten leidet der Konzern unter hohen Kosten, vergleichsweise altbackenem Service und gemächlichen Abläufen. Stärker als seine Vorgänger setzt Konzernchef Carsten Spohr darum auf Neuerung bei den Angeboten. „Qualität und Effizienz kann jede Airline lernen“, sagt Spohr. Innovation nicht. Quelle: dpa
Besserer Service durch kontaktlose Kontrollen„Wir müssen um das besser sein, was wir wegen des Standorts Deutschland, teurer sein müssen“, begründet Konzernchef Spohr seine Service-Offensive. Kern sind Neuerungen für Geschäftsreisende und Vielflieger. Sie bringen der Airline das meiste Geld. Zu den Innovationen zählt die kontaktlose Kontrolle an den Türen zur Lounge oder den Flugsteigen. Hier lesen Empfangsgeräte die Daten auf der Vielfliegerkarte oder dem Handy. Die Technik erkennt, ob ein Passagier in die noblen Warteräume darf. Damit entfällt das lästige rauskramen der Karte. Stand: Ist an ersten Lounges im TestbetriebBildquelle: Lufthansa Quelle: PR
Verkauf von Extras via Mail und virtueller RealitätNichts ist im Airlinegeschäft rentabler als der Verkauf von Extras zum Ticket. Um die Kundschaft nicht durch das Streichen bisher kostenloser Service zu verärgern, bietet Lufthansa im Rahmen des Smile-Programms für mehr Service vermehrt Dinge, die bisher nicht zu kaufen waren. Wer früh am Airport ist, bekommt etwa in München per Mail oder SMS die Frage, ob er gegen Aufpreis in die Lounge will. In New York gewähren die Lufthanseaten per Virtual-Reality-Brillen einen Einblick in die Premium-Economy oder die Business Class – und verkaufen dann gern das passende Upgrade. Das ist erst der Anfang. Die Datenbrillen könnten bald einen plastischen Eindruck der Angebote im Bordkatalog vermitteln. Stand: Feldversuche laufen Quelle: dpa
Koffersuche per Big Data Wenig vermiest die Reise so wie ein verlorener Koffer. Zwar kann die Lufthansa fehlgeleitetes Gepäck nicht verhindern. Doch sie will die Folgen mildern. Ein mit Rimowa und der Telekom entwickelter Koffer zeigt auf einem Display Ziel und Besitzer des Gepäckstücks - selbst wenn das Bändchen abgerissen ist. Zudem will die Lufthansa künftig schon nach der Landung direkt informieren, dass der Koffer nicht auf dem Band liegt. Mit Hilfe der Daten aus früheren Kofferverlusten soll ausgerechnet werden, wann der Besitzer mit ihm rechnen kann.Stand: Der Koffer ist zu kaufen, die Infodienste laufen im Probebetrieb Quelle: dpa
Fracht für Privatleute Wenn die Urlaubsmitbringsel auf der Heimreise die Gepäckgrenze sprengen, kostet das in der Regel hohe Übergepäck-Zuschläge. Künftig will die Lufthansa ihren Kunden diesen Transport mit anbieten. Das erspart Reisenden die lästige Suche nach einem lokalen Spediteur, der sich der Sache annimmt, oder den teuren Gang zu Expressdienstleistern wie DHL oder FedEx.Stand: Feldversuche laufen Quelle: dpa
Lukrativer Wachstumsmarkt Drohnen Mit dem Boom ferngesteuerter oder autonomer Flugkörper wachsen die Ansprüche an die Betreiber in den Bereichen Sicherheit und Zuverlässigkeit. Davon erhofft sich Konzernchef Spohr Aufträge von Unternehmen, die ihre Drohnen sicherheitshalber von Profis wie der Wartungstochter Lufthansa Technik betreuen und mit Extras aufrüsten lassen wollen. Derzeit läuft eine Studie bei der Beratungstochter LH Consulting, wie sich damit Geld verdienen lässt. Stand: erste Studien ab Juli fertig(Symbolbild) Quelle: dpa
Mobiles Bezahlen für Vielreisende Bezahlen per Kreditkarten ist nicht nur bequem, sondern oft auch etwas unsicher und in jedem Fall lästig, wenn es darum geht, die Belege für die Spesenabrechnung zuordnen. Da will die Lufthansa-Bezahltochter Airplus helfen: Zum einen soll sich eine virtuelle Kreditkarte unter anderem in Kassensysteme etwa in Restaurants einloggen. Sie sammelt dann nach dem Einbongen die Posten. Beim Bezahlen bleibt den Kunden die Überraschung erspart. Getrenntzahlern erlaubt die VR-Karte das vorzeitige Auseinanderrechnen. Ein Reiseassistent sammelt Belege und ordnet sie für die Spesenabrechnung. Stand: Prototypen laufen (Symbolbild) Quelle: dpa

Hockt der Chef auf einem Sitzsack, leidet die Autorität. Mit der Zeit rutschen die Hosenbeine hoch und die Socken runter. Da sich alle die Meeting-Teilnehmer auf dem Sack bewegen, ist oft nicht ganz klar, wer gerade geredet hat. „Dadurch werden die Ideen wichtiger als derjenige, der sie äußert“, so Muirhead. Den freien Ideenfluss fördert zudem, dass es in den lockeren Runden jeder die Reaktionen nur schwer erkennen kann. Damit machen Redner ihre Kommentare nicht nur seltener von der Reaktion des Chefs abhängig. Sie äußern in der halben Anonymität auch offener ihre Meinung, gerade zu Beiträgen der Vorgesetzten.

Dazu verbot das Lufthansa-Team viele der üblichen Meeting-Formulierungen, mit denen Ideen schon im Keim erstickt werden. „Das geht nicht“ steht ebenso auf der schwarzen Liste wie „das Problem ist...“. Wer sich zu einer Sache oder einem Projekt äußern will, muss sich hineinversetzen. Geduldet wir nur konstruktive Kritik wie „das ginge wenn ...“ oder „eine Lösung könnte sein“. „Das diszipliniert ungemein“, so Muirhead.

Damit die Meetings schneller und konzentrierter verlaufen, ist das Vorschlagswesen stark vereinfacht. Wer eine Idee hat, präsentiert die nicht mit Powerpoint.

Vor Muirheads Büro hängt ein leeres Bierfass. Wer eine Idee hat, nimmt sich einen der darauf liegenden Bierdeckel. Auf die eine Seite mit dem Titel „What is the pain?“ kommt eine kurze Beschreibung des Problems. Auf die Seite „What is to gain?“ muss die Lösung und wie die Lufthansa damit Geld verdienen kann. „Mehr Platz gibt es nicht, so kommt jeder schnell auf den Punkt“, sagt Muirhead.

Welche Airlines ihre Kunden verwöhnen
Menschenmengen an den Flughäfen Quelle: dpa
Michael O´Leary. Quelle: dpa
Tuifly Quelle: dpa
Germanwings Quelle: dpa
Condor Quelle: AP
Air Berlin Quelle: dpa
Turkish Airlines Quelle: REUTERS

Es soll auch an diesem einfachen Konzept liegen, dass die Lufthansa die Zahl neuer Patente in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat.

Geld bekommt nur, wer schon mal gescheitert ist

Ebenso ungewöhnlich wie die Bierdeckelvorschläge sind die Arbeitsplätze. Als Muirheads Crew vor rund 15 Jahren ihren Schuppen bekam, baute sie den um. Im Fokus standen nicht die Konzernregeln, sondern die eigenen Anforderungen. Heraus kam eine Großgarage mit reichlich Platz für gemeinsame Arbeit, aber auch Ecken zum ungestörten Nachdenken. „Mit anderen Worten: das Gegenteil eines klassischen Ingenieurbüros“, so Muirhead. Auch im neuen, bumerangförmigen Gebäude der Abteilung kann jeder Mitarbeiter zwischen offenem Raum und abgeschlossenem Büro wählen.

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