Lufthansa, Turkish Airlines, Emirates Endspiel im Kampf mit den Golfairlines

Nach der Annäherung von Air France-KLM an Etihad braucht die Lufthansa eine engere Partnerschaft mit einer Linie aus der Region. Sinnvoll scheint vor allem eine Kooperation.

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Turkish-Airlines, Lufthans und Emirates. Quelle: dpa, Montage

Wenn Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Emirates-Kollegen Tim Clark im Hauptquartier der arabischen Fluglinie in Dubai besucht, ist die Atmosphäre entspannt und freundschaftlich. Vergessen sind dann die gelegentlich heftigen Auseinandersetzungen und die Vorwürfe, der jeweils andere erhalte unerlaubte Staatshilfen. Das liegt nicht nur am gemeinsamen Interesse am Segelsport. „Ich buche Lufthansa wenn ich kann, denn ich bewundere die Linie und den Service wirklich sehr“, schwärmt der 66-jährige Clark von seinem europäischen Rivalen.

Geht es allein nach den äußeren Umständen, könnte aus der Sympathie der beiden Konzernlenker bald mehr werden. Glaubt man Branchenkennern, ist am Ende sogar eine enge Kooperation zwischen Lufthansa und Emirates möglich.

Das Verhältnis der Fluglinien aus Europa und dem arabischen Raum ist im Wandel. „Plötzlich sind Golfairlines nicht mehr der Feind“, titelte jüngst der Informationsdienst Aero Telegraph.

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Den jüngsten Anstoß hierzu gab Ende vergangener Woche Alexandre de Juniac. „Wir wollen künftig enger mit Etihad aus Abu Dhabi zusammen arbeiten“, verkündete der scheidende Chef von Air France-KLM, der nach Umsatzzahlen zweitgrößten Airline Europas. Statt wie bisher den Golflinien das Leben schwer zu machen, will er nun einen Teil seiner Flugstrecken in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der arabischen Linie einbringen.

Noch tiefer geht die Zusammenarbeit von Qatar Airways mit Europas drittgrößter Airline-Gruppe IAG. Die Linie aus dem Gasemirat Katar hält seit dem vorigen Jahr gut zehn Prozent an der Mutter von British Airways, Iberia und Vueling. Und Qatar-Chef Akbar Al Baker will das bald aufstocken.

Damit wächst der Druck auf die Lufthansa, ebenfalls mit einer Linie aus dem mittleren Osten zu kooperieren. „Sonst wäre Lufthansa als einzige ohne Partner aus der Region“, sagt Christoph Brützel, Professor für Luftverkehrsmanagement an der Fachhochschule Bad Honnef und früher einer der Top-Berater der Branche. Bislang gibt es Kooperationen nur im Rahmen des Flugverbundes Star Alliance mit Turkish Airlines.

Doch die Lufthansa zögert – nicht nur, weil sie im abgelaufenen Geschäftsjahr sehr erfolgreich war. „Diese Kooperationen sind riskant und eher der Beginn des fliegerischen Endspiels zwischen Europa und Arabien“, sagt ein hochrangiger Lufthanseat.

Zweifelhafte Allianzen

Dabei wirkt ein solcher „Luftkorridor“, wie französische Politiker den franko-arabischen Verbund nennen, zunächst wie eine einfache Lösung für die Probleme der Europäer auf den Langstrecken nach Asien. „Dort nahmen die Emirats-Linien den Europäern dank niedriger Preise und besserem Service immer mehr Passagiere ab“, sagt Ralf Baron, Flugspezialist der internationalen Beratung Arthur D. Little. Lufthansa und andere europäische Linien mussten deshalb immer mehr Routen einstellen. Flüge nach Australien, Südasien, Indien und zuletzt sogar nach China wurden gestrichen.

Dagegen wehrten sich die Linien zunächst durch den Ausbau ihrer Allianzen. Air France setzte auf Skyteam und Lufthansa auf Star Alliance, um für eine größere Abdeckung zu sorgen. „Doch im Zweifel ist den Mitgliedern der eigene Vorteil wichtiger als die Allianz“, sagt Gaurang Shetty, Vorstand bei Jet Airways. Die indische Linie hat deshalb lieber Etihad an Bord geholt.

Auch Air-France-Chef de Juniac will einen Schritt weiter gehen und seine Flüge in Richtung Osten zunehmend in Gemeinschaftsunternehmen mit Etihad einbringen. Dann gäbe es weniger Asien-Flüge ab Paris und Abu Dhabi würde zum entscheidenden Drehkreuz des französisch-niederländischen Konzerns in die Region.

Die Personalkosten der Fluggesellschaften

Die Allianz soll für vollere Flieger und weniger Preiskämpfe sorgen. Dazu fliegt die Linie aus Abu Dhabi dank der vielen neuen sparsamen Jets, dem Personal ohne hohe Lohnnebenkosten und niedrigerer Flughafengebühren deutlich günstiger als Air France. Also bleibt pro Passagier mehr hängen und auch bislang verlustbringende Routen lassen sich profitabel betreiben.

Doch das Risiko ist tatsächlich hoch. „Am Ende profitieren die Golflinien von einer solchen Zusammenarbeit mehr als die Europäer“, warnt der Chef einer großen Flugallianz. Seine Marktforscher haben mehrere Kooperationen zwischen Airlines aus Arabien und westlichen Linien untersucht, darunter die 2012 beendeten Gemeinschaftsflüge der Lufthansa mit Qatar Airways.

Das Ergebnis: Zwar legten die Westler anfangs zu. Doch am Ende griffen sich die Golflinien viele der besten Kunden. Die Europäer und Nordamerikaner bekamen mehr preissensible Kunden, an denen sie unterm Strich fast nichts verdienen.“ Darum könnte eine Kooperation am Ende den Niedergang der Europäer bestenfalls verzögern, aber nicht aufhalten. Am Ende, so die Befürchtung, verlieren die Europäer fast den kompletten Verkehr nach Asien.

Die Lufthansa wäre gut beraten, für die Zukunft vorzusorgen

Zudem schlägt sich die Lufthansa mit ihrem Allianzsystem deutlich besser als der Rest der Branche – inklusive ihrer Partner in der Star Alliance. Die Deutschen haben anders als IAG oder Air France-KLM in Asien bereits drei Gemeinschaftsunternehmen. Und die Kooperationen mit ANA aus Japan, Air China sowie Singapore Airlines sind vergleichbar mit denen, die Air France mit Etihad anstrebt. „Damit haben wir die größten Märkte der Region abgedeckt“, sagt Lufthansa-Chef Spohr.

Doch ob das auf Dauer reicht, ist zweifelhaft. So haben die Lufthansa und ihre Partner im Vergleich zu Emirates höhere Kosten. Bei Preiskämpfen können sie nur begrenzt mithalten.

Zudem laufen sie Gefahr, ihren Service-Vorsprung einzubüßen. Noch zahlen viele Passagiere für Lufthansa und Partner mehr als für Flüge mit den Golflinien. Denn dank des größeren Streckennetzes, des dichteren Flugplans und vergleichsweise kurzen Umsteigezeiten bringen die ihre Passagiere schneller ans Ziel als die arabischen Angreifer. Bei denen müssen Reisende gerade bei Routen aus nördlich gelegenen Städten zeitfressende Umwege und lange Umsteigezeiten hinnehmen. „Doch je mehr die Golflinien ihr Netz ausbauen, desto mehr schwindet der Vorteil“, so Berater Baron.

Welche Airlines ihre Kunden verwöhnen
Menschenmengen an den Flughäfen Quelle: dpa
Michael O´Leary. Quelle: dpa
Tuifly Quelle: dpa
Germanwings Quelle: dpa
Condor Quelle: AP
Air Berlin Quelle: dpa
Turkish Airlines Quelle: REUTERS

Die Lufthansa wäre gut beraten, für die Zukunft vorzusorgen – am besten durch eine Kooperation mit einer Linie aus dem mittleren Osten.

Die Partnerwahl ist freilich schwierig. „Emirates ist naheliegend, aber die sind längst zu groß und scheuen die in einer Partnerschaft nötigen Kompromisse“, sagt ein Lufthansa-Manager. Andere Linien wie Etihad oder Oman Air scheiden aus seiner Sicht aus, weil sie zu sehr auf Wachstum und zu wenig auf Wirtschaftlichkeit getrimmt sind.

So bleibt am Ende eigentlich nur eine übrig: Turkish Airlines. Doch das Verhältnis ist angespannt.

Mit der Linie aus Istanbul arbeitet Lufthansa zwar seit fast zehn Jahren im Rahmen der Star Alliance zusammen. Beiden zusammen gehört auch deren Ferienflieger Sun Express. Doch die Beziehung ist erkaltet.

Die Turkish-Führung um Temil Kotil gibt sich nicht mehr mit einer Juniorrolle zufrieden und nimmt der Lufthansa zu viele Passagiere weg. Immerhin fliegt die türkische Linie in Deutschland mit 13 Städten fast so viele Airports an wie die Lufthansa selbst.

Das Turkish-Netz ist eine gute Ergänzung

Das sei auf Dauer kein Grund gegen eine Zusammenarbeit, urteilen Branchenkenner. „Die sind vielleicht nicht der ideale Partner, aber doch der am wenigsten gefährliche“, so ein Lufthanseat.

Zum einen sind für die Lufthansa die möglichen Nachteile aus einer Kooperation mit Turkish deutlich kleiner als bei Emirates. Immerhin hat die Türkei mehr Einwohner und mehr Verkehr als die Golfstaaten. Dazu ist die Türkei ein Wachstumsmarkt. Viele Bürger und vor allem Unternehmen haben Verbindungen nach Deutschland. „Natürlich macht man lieber eine Allianz mit jemandem auf, der ein paar eigene Passagiere mitbringt", so Brützel.

Zudem ist das Turkish-Netz eine gute Ergänzung. Die Linie hat dank ihren zahlreichen kleineren Maschinen viele Ziele im Programm, die Lufthansa sowie andere Golfcarrier mit ihren großen Maschinen kaum füllen können.

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Lufthansa Quelle: dpa
Platz 11 - All Nippon Airways (Japan)All Nippon Airways ist die größte Fluggesellschaft Japans und Mitglied der Luftfahrtallianz Star Alliance. Die Flottenstärke beträgt aktuell 213 Flugzeuge. Quelle: dpa
Japan Airlines (JAL) Quelle: REUTERS
Platz 9 - Qantas Airways (Australien)Qantas Airways ist die nationale Fluggesellschaft Australiens und Mitglied der Luftfahrtallianz oneworld. Die Fluggesellschaft wurde 1920 gegründet und verfügt über 118 Flugzeuge. Quelle: REUTERS
Etihad Airways Quelle: AP
Emirates Quelle: REUTERS
Eva Air Quelle: REUTERS

Weiterer Bonuspunkt: der Flughafen Istanbul. Wenn wie geplant Ende des Jahrzehnts der neue Flughafen der Stadt öffnet, hat er fast unbegrenzte Kapazitäten. Aufgrund seiner Lage am südöstlichen Ende Europas eignet er sich gut als Verteiler für Umsteiger aus dem Rest Europas. Auf dem Weg von und nach Asien müssen die Jets weniger Umwege fliegen als bei Reisen über Dubai oder Katar. „Und die ganzen Südeuropäer fliegen dann anders als bei Frankfurt oder Zürich schon mal in die richtige Richtung", so Brützel.

Auch beobachten Lufthanseaten, dass Turkish in jüngster Zeit kompromissbereiter auftritt. „Das Geschäft leidet etwas unter der politische Krise des Landes und dem Auftreten des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan“, so ein Beobachter.

Und zu guter Letzt ist da Turkish-Chef Kotil. Zu ihm findet Carsten Spohr eher einen persönlichen Draht als zu Etihad-Boss James Hogan oder dem schillernden Qatar-CEO Al Baker. Und Kotil hat bereits gezeigt, dass er mit der Lufthansa zusammenarbeiten will. Das unterscheidet ihn von anderen Airline-Chefs der Region.  

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