Lufthansa und die Extragebühr Warum der Kunden-Schreck als Vorbild taugt

Wer seinen Lufthansa-Flug nicht direkt bei der Airline bucht, zahlt ab Dienstag drauf. Reiseportale und Vielflieger gehen auf die Barrikaden. Andere Airlines bewundern die Idee hingegen - und überlegen, sie zu kopieren.

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Lufthansa trickst bei Ticketgebühren externer Anbieter. Quelle: REUTERS

In der Luft gibt’s für den Lufthansa-Passagier für 16 Euro mehr nicht mal einen pinken Tintenstift zu kaufen. Der "Ballpoint Pen" kostet laut Inflight-Shopping-Magazin 22 Euro. Am Boden gibt’s für 16 Euro mehr gerade ziemlich viel Ärger – für Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Ab Dienstag den 1. September erhebt Europas größte Fluggesellschaft eine neue Extragebühr auf Tickets, die nicht über das eigene Buchungssystem erworben werden. Für Tickets über globale Reservierungssysteme (GDS) wie Amadeus, Travelport oder Sabre fallen dann 16 Euro zusätzlich an. Der Zuschlag betrifft vor allem Buchungen in Reisebüros, über Urlaubsportale oder durch Konzernreisestellen. In welchem Umfang die Anbieter die Gebühr tatsächlich am Ende an die Kunden durchreichen, ist noch nicht abzusehen. Die Sorgen sind trotzdem groß.

Reiseunternehmen und Buchungssystemanbieter weltweit befürchten, dass die Transparenz leidet und sie deshalb Kunden verlieren; Reisende, dass sie für Spohrs Konzernsanierung löhnen sollen. Beide Parteien laufen seit Wochen heftig gegen das Vorhaben Sturm. Ohne Erfolg. "Bislang gibt keine Bewegung von Seiten der Lufthansa", sagt eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV). "Die Argumente sind ausgetauscht, die Fronten klar."

Drohungen und Beschwerden

Verhärtet träfe es ebenso. Die Lage ist mehr als nur angespannt. Die "Allianz selbstständiger Reiseunternehmen" hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, Protestbriefe an Carsten Spohr zu schicken und droht unverhohlen damit, in "größerem Ausmaß auf andere Airlines zurückzugreifen".

Der Geschäftsreise-Verband (VDR) verkündet, bei einer Umfrage unter seinen Mitgliedern sei herausgekommen, dass fast 70 Prozent bereit seien, das Geschäft "von der Lufthansa wegzusteuern". Das würde die Airline hart treffen im lukrativen Geschäft mit First- und Business-Class-Tickets.

Statt mit Drohungen versuchen es die Reisebüros auf juristischem Wege: Der europäische Dachverband der Reisebüros und Reiseveranstalter (Ectaa) beschwerte sich bei der EU-Kommission in Brüssel. Und der Deutsche Reiseverband hat das Bundeskartellamt eingeschaltet. Die Wettbewerbshüter sollen prüfen, ob die Einführung des Aufschlags für Tickets die GDS-Systeme diskriminiert.

Top 10 Fluglinien nach der Anzahl der Passagiere weltweit

Die Lufthansa nimmt sich die Kritik derweil nicht an. Man sei überzeugt, sich im Rahmen des geltenden Wettbewerbsrechts zu bewegen, heißt es schlicht aus dem Konzern. Zumindest offiziell hat man bei der Kranich-Linie keine Angst vor rückläufigen Passagierzahlen.

Reisebüros könnten die Gebühr umgehen, wenn sie direkt über das Lufthansa-System buchen. Ein Angebot, dass der DRV als "nicht praktikabel" abgeschmettert. Wichtige Funktionen wie das Stornieren und Umbuchen von Flügen sowie die Anbindung an Buchhaltungs-, Abrechnungs- und Auswertungssysteme von Firmenkunden und Geschäftsreisebüros fehlen. Der Flugticketgroßhändler Aertickt tobt ob des "dreisten" Angebots, dass einfach nur auf die Website der Lufthansa umleitet.

"Die GDS haben uns ausgepresst"

Die Logik hinter der Extragebühr ist aus Sicht des Konzerns sogar verständlich: Die Buchung über eines der Systeme bringt vor allem den Kunden einen Vorteil, weil sie so auf Knopfdruck einen genauen Preisvergleich zwischen allen Fluglinien haben. Doch die Kosten für die Abwicklung über externe Systeme muss die Fluglinie zahlen.

Nun reicht sie die Gebühren weiter. 18 Euro fallen bei Fremdbuchern an, sagt die Airline, nur zwei, wenn die Kunden über die Lufthansa-Seiten buchen. Macht 16 Euro Aufschlag.

Die wichtigsten Kennzahlen der Lufthansa

Weil zwei Drittel aller Lufthansa-Kunden ihre Tickets über Fremdsysteme kaufen, summieren sich die Beträge schnell. Bis zu 250 Millionen Euro soll die Extragebühr jährlich bringen. Ein Drittel des operativen Gewinns im Jahr 2014 – und Geld, das die klamme Airline im Umbau dringend braucht.

Und trotz des heftigen Gegenwinds: Für ihren Vorstoß wird die Lufthansa in der Branche bewundert, hat er doch das Potenzial, das Geschäft tüchtig aufzumischen. Nachdem Spohr sein Modell auf der Jahreskonferenz des Weltluftfahrtverbands IATA im Juni vorgestellt hatte, erklärten bei einer spontanen Umfrage 96 der anwesenden rund 120 Fluggesellschaften, dass sie dem Vorbild Lufthansa gern folgen möchten.

Abkehr von den GDS

Ihnen geht es nicht allein darum, Gebühren weiterzuleiten, sondern um die Chance, sich unabhängiger von den Reservierungssystemen machen zu können. "Die GDS haben uns dank ihres Monopols ausgepresst und mit unserem Geld fantastisch verdient", sagt ein Manager einer großer Fluggesellschaft. Er spielt an auf die Umsatzrendite von rund 20 Prozent, die das Reservierungssystem Amadeus im ersten Halbjahr 2015 erreichte.

ie mächtigsten Reservierungssysteme

Einst mit Unterstützung der Airlines selbst ins Leben gerufen, um das Buchen von Tickets für externe Stellen wie Reisebüros zu erleichtern, ist deren Macht den Fluggesellschaften längst ein Dorn im Auge. Trotz verschiedener Anbieter am Markt besaßen die Großen eine Art Gebietsmonopol. In Europa kam keiner an Amadeus vorbei, in den USA niemand an Sabre.

Die Reservierungssysteme zwingen die Fluglinien zudem dazu, Transparenz zu zeigen, wo die es gar nicht wollen und mit standardisierten Angeboten vergleichbar zu sein. Dank GDS können nicht nur Reisebüros mit wenigen Mausklicks verschiedene Airlines direkt nebeneinander stellen, sondern dank verschiedener Onlineportale auch jeder Passagier selbst.

Angst bei den Reisebüros

Über ihre eigenen IT-Systeme können die Linien hingegen nicht nur vordefinierte Tickets verkaufen, sondern auch individuelle Extras. Die Airline werde ihre Leistungen künftig "mit maßgeschneiderten Preisangeboten und zusätzlichen Services flexibler und modularer anbieten", heißt das etwa im Sprech des Lufthansa-Konzerns, der zuletzt mit der Staffelung der Economy-Tarife für Aufsehen sorgte.

Die Einnahmen durch Extras wie zusätzliche Gepäckstücke, Sitzplatzreservierungen oder Lounge-Zugang sind für die Airlines eine wichtige Geldquelle. Während die Umsatzrendite der Flugtickets nach jahrelangem Preiskampf wenige Prozent beträgt, liegt sie bei den Zusätzen schon mal bei einem Drittel und mehr.

Die sechs größten Baustellen der Lufthansa

Schafft es die Lufthansa, die Kunden ohne nennenswerten Verlust auf die eigene Buchungsseite zu ziehen, bringt ihr das zudem nicht nur mehr Geld. Sie bekäme auch sehr viel mehr Daten über die Passagiere als bislang. Das ließe sich nutzen, um direkt mit Kunden Kontakt aufzunehmen, etwa um ihnen gewinnbringende Extras vor dem Flug leichter verkaufen zu können – per E-Mail zum Beispiel.

Unter anderem Malaysia-Airlines-Chef Christoph Müller spielte bereits öffentlich mit der Idee, die Preise für Tickets künftig auch anhand der bisherigen Buchung festzulegen. Dank der Daten aus den eigenen Buchungssystemen bekämen die Linien ihre Flieger zum für sie besten Preis voll. Das Nachsehen hätten Kunden und Reisebüros, die auf der Suche nach dem Bestpreis verschiedene Anbieter und Portale miteinander vergleichen müssten.

Sonderfall Lufthansa

Kein Wunder also, dass der Kunden-Schreck der Lufthansa für andere Airlines als Vorbild taugt. Doch bis sie einen ähnlichen Schritt gehen, könnte es sich noch eine Weile hinziehen. Zum einen können viele die Gebühr noch gar nicht erheben. "Lufthansa war ein Sonderfall, weil bei den Kollegen die Verträge mit den GDS ausgelaufen sind", erklärt etwa Alexandre de Juniac, Chef von Air-France-KLM. "Unsere hingegen laufen noch und binden uns."

Zum anderen wollen viele Gesellschaften erst mal abwarten, ob sich das System durchsetzt, heißt es aus der Branche. Holt sich Lufthansa mit ihrem Vorstoß keine blutige Nase, dürften fast alle Fluglinien nachziehen.

Allein der Gedanke daran lässt in den Reisebüros die Alarmglocken schrillen. "Unsere Befürchtung ist natürlich, dass das Vorgehen der Lufthansa Schule macht", sagt eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands. "Es wäre Irrsinn, wenn plötzlich jede Fluglinie auf ihr eigenes Buchungssystem setzt und ein Rückschritt in vorsintflutliche Buchungsmethoden von vor Jahrzehnten."

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