MeinFernbus-Chef Torben Greve "Je schlechter die Bahn, desto besser der Bus"

Torben Greve ist Chef von MeinFernbus. Im Interview spricht er über den ersten Jahresgewinn, lukrative Strecken und seine Zeit bei der Bahn.

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MeinFernbus wird aller Voraussicht nach dieses Jahr schwarze Zahlen schreiben. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Greve, im Wochenrhythmus ziehen sich Fernbusanbieter zurück. Ist der Markt ein Minusgeschäft für alle?

Greve: Wir befinden uns aktuell tatsächlich in einer sehr rauen Marktphase. Auch wir spüren einen deutlichen Preisdruck. Allerdings ist der sehr unterschiedlich von Strecke zu Strecke. Wir sind wirtschaftlich sehr gut unterwegs und wachsen exakt nach Plan. Wir werden in diesem Jahr aller Voraussicht nach schwarze Zahlen schreiben.

Wie bitte? Während ADAC, City2City und Deinbus.de einknicken, peilen Sie die Gewinnschwelle an?

Ja. Wir haben ein großes Netz, das uns Größenvorteile beschert. So sitzen in unseren Bussen etwa ab Berlin nicht nur Fahrgäste aus der Region, sondern auch Kunden aus Lübeck, Schwerin und Stralsund, die von dort kommen und in Berlin umsteigen. Durch die Umstiege erreichen wir eine sehr hohe Auslastung, die sich auf Niveau von Fluggesellschaften bewegt.

Über..

Dort liegt die Auslastung bei mehr als 80 Prozent…

Das ist auf vielen Linien auch unsere Größenordnung. Weil sich der Umsatz aus Menge mal Preis bestimmt, bin ich mit der Entwicklung von MeinFernbus mehr als zufrieden. Hinzu kommt noch etwas: Die kleineren Wettbewerber haben sich vor allem auf die Hauptstrecken gesetzt, wo der Wettbewerb sehr intensiv ist. Wir profitieren auch von lukrativen Nebenstrecken, wo der Preisdruck weniger groß ist.

MeinFernbus hat inzwischen einen Marktanteil von 45 Prozent. Welche Vorteile rechnen Sie sich aus?

Wir sind bundesweit bekannt und erreichen dadurch eine hohe Kundenbindung. Unser Ziel ist es, die sympathischste Fernbus-Marke in Deutschland zu bleiben. Das ist uns bislang sehr gut gelungen. Und wir lassen uns keine Strecke wegnehmen. So haben wir uns auch erfolgreich auf der Linie zwischen Freiburg und München durchgesetzt.

Das sind die größten Fernbus-Anbieter
Platz 7 – Deutsche TouringBis 2005 gehörte die Deutsche Touring der Bahn, seitdem ist das Unternehmen eigenständig. In Deutschland haben die Busse gerade einmal 1,8 Prozent Marktanteil, die Deutsche Touring verdient seit jeher aber vor allem Geld mit internationalen Busverbindungen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 5 – City2CityAuch die Briten wollen ein Stück vom deutschen Fernbus-Markt abhaben: National Express bedient mit seiner deutschen Tochter knapp fünf Prozent der Fahrplankilometer hierzulande. Die City2City-Busse sind der Studie zufolge sowohl zum Normalpreis (6,1 Cent pro Kilometer) als auch bei den Sparangeboten (3,3 Cent) günstiger als viele andere. Das ist beides deutlich unter dem Durchschnitt der Branche: Dieser liegt bei 9 bzw. 5 Cent pro Kilometer. Quelle: dpa
Platz 4 – PostbusAn vierter Stelle fährt ein junges Angebot ein: Die gelben Postbusse rollen erst seit dem 1. November 2013 durch Deutschland. Betrieben werden sie gemeinsam vom ADAC und der Deutschen Post. Die Postbusse decken mit 175 Fahrtenpaaren pro Woche 7,5 Prozent des Marktes ab. Dabei ist die Deutsche-Post-Mobility sogar günstiger als die großen Konkurrenten: 7,1 Cent kostet der Kilometer durchschnittlich. Bei den DB-Töchtern sind es 10, bei Mein Fernbus 9,5 Cent. Allerdings gilt das nur für die Normalpreise, mit Sparangeboten kann es deutlich günstiger werden. Der Postbus kommt dann auf durchschnittlich 5,2 Cent pro Kilometer, Mein Fernbus auf 4,3 und Flixbus sogar auf 3,7 Cent. Quelle: dpa
Platz 3 – FlixbusEbenfalls erst seit dem Jahr 2013 fährt Flixbus. Die Firma aus München steht auf Platz drei der größten Fernbusunternehmen in Deutschland mit knapp 15 Prozent der Fahrplankilometer. Pro Woche bietet Flixbus 324 Fahrtenpaare an. Seit dem 1. Januar 2013 dürfen Unternehmen Fernbusverbindungen anbieten. Ziel der Gesetzesänderung war es unter anderem, Konkurrenz zur Bahn zuzulassen und so den Fernverkehr erschwinglicher zu machen. Quelle: dpa
Platz 2 – Deutsche BahnSchon viel länger dabei sind Tochterunternehmen der Deutschen Bahn wie die Gesellschaft BEX, die den Berlin-Linien-Bus betreibt. Vor der Liberalisierung durften die Unternehmen nur wenige Verbindungen anbieten, vor allem von und nach Berlin. Derzeit bedienen Tochterfirmen der Bahn knapp 22 Prozent des Fernbusmarktes gemessen an den Fahrplankilometern. Erhoben hat diese Zahlen die Mobilitätsberatungsagentur IGES in einer Studie von Dezember 2013 (PDF). In Auftrag gegeben hat die Studie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Quelle: dpa
Platz 1 – Mein FernbusDer mit Abstand größte Anbieter von Fernbusverbindungen ist ein Branchen-Neuling: Die Meinfernbus GmbH mit Sitz in Berlin bedient fast 40 Prozent des deutschen Fernbusmarktes. Die markanten grünen Busse starteten erst kurz vor der Liberalisierung des Fernbusverkehrs Anfang des Jahres. Dennoch hat das Unternehmen erfahrene Konkurrenten hinter sich gelassen: Mittlerweile bietet Meinfernbus 826 Fahrtenpaare (also Hin- und Rückfahrt) pro Woche an, das entspricht mehr als 750.000 Kilometern pro Woche. Quelle: dpa

Was war da los?

München-Freiburg war unsere allererste Strecke. Die haben wir im April 2012 mit Sondergenehmigung aufgebaut, als der Markt für Linienbusse auf der Fernstrecke noch gar nicht liberalisiert war. Seit anderthalb Jahren hat der IC Bus der Deutschen Bahn versucht, uns im Zwei-Stunden-Takt und mit Kampfpreisen aus dem Markt zu drängen. Nun zieht sich die Deutsche Bahn wieder zurück. Das ist eine tolle Botschaft für uns.

Aber das zeigt doch, dass der Markt nur über die Preise funktioniert. Selbst wenn Sie die Gewinnschwelle in diesem Jahr erreichen sollten, wie wollen Sie damit langfristig richtig viel Geld verdienen?

Zum einen werden die Preise in der Zukunft auf einigen Strecken leicht steigen. Sie werden aber immer deutlich unter denen der Bahn liegen. Zum anderen sehen wir, dass die Wachstumsgrenze noch lange nicht erreicht ist. 40 Prozent der Deutschen sagen, sie könnten sich vorstellen, Fernbusse zu nutzen. Aber nur sechs Prozent haben es bislang getan. Da ist noch riesig Luft nach oben.

Ihre Konkurrenten erhöhen die Anzahl der Linien ebenfalls…

Die Situation ist vergleichbar mit der der Billigflieger vor zehn Jahren. Damals haben viele gedacht, die Billigflieger würden bald wieder verschwinden oder allenfalls in einer Nische verweilen. Doch wir sind keine Blase. So wie Billigflieger werden auch die Fernbusse weiter wachsen.

Aktuell sind 308 Busse für MeinFernbus im Einsatz

Wie sieht Ihre weitere Expansionsstrategie aus?

Wir werden unser Netz in Deutschland weiter verdichten. Wenn wir auf bestimmten Strecken zum Beispiel zusätzliche Busse einsetzen, bekommen wir zwar kurzfristig eine kleine Auslastungsdelle, langfristig steigt aber die Zahl der Fahrgäste. Das zeigt uns, dass die Nachfrage noch nicht erschöpft ist. Zudem wollen wir unsere Marke ins Ausland exportieren. Da ist noch ein großes Potenzial für Wachstum. Zudem arbeiten wir an unserer Qualität.

Das sagen alle. Der ADAC Postbus sieht sich selbst als Qualitätsführer…

Die Post reklamiert das für sich, wir für uns. Wir bieten WLAN und Steckdosen im Bus, in einigen Bussen auch Onboard-Entertainment . Unsere Fahrer werden geschult, sie informieren die Fahrgäste und helfen beim Gepäck. Natürlich läuft nicht immer alles perfekt. Daran arbeiten wir.

Woran hakt es derzeit?

Ich sehe die größten Baustellen bei den Haltestellen. Oft fehlen Unterstände, Toiletten und Kioske. Das ist nicht das Niveau, was wir uns wünschen. Die kommunalen Verwaltungen agieren hier sehr verhalten. Viele glauben, dass wir nur ein vorübergehendes Phänomen sind. Dabei bieten wir soziale Mobilität für alle. Ich hoffe, dass sich das auch in den Köpfen der Politiker festsetzt.

Wie viele Busse haben Sie derzeit im Einsatz?

Aktuell sind es 308 – doppelt so viele wie vor einem Jahr. Und natürlich werden wir weiter wachsen.

Wie bezahlen Sie Ihre Buspartner eigentlich?

Wir bezahlen eine kilometer-abhängige Mindestvergütung. Hinzu kommen erfolgsabhängige Bestandteile. Je erfolgreicher die Strecke, desto besser für den Busunternehmer, der in unserem Auftrag fährt.

Die Bezahlung hängt dann also auch von Auslastung und Umsatz ab?

Ja, und anderen Kriterien. Je höher etwa die Weiterempfehlungsquote der Kunden ist, desto höher ist die Bezahlung. Wir arbeiten mit unseren 87 Buspartnern wie eine Genossenschaft zusammen. Wir agieren als Einkaufsgemeinschaft für Busse, Kraftstoff und Reifen. Gleichzeitig arbeiten die Buspartner untereinander eng zusammen, um die Kosten niedrig zu halten. Wir sind wie ein Club. Wenn der Freiburger Buspartner für uns von Baden nach Berlin fährt, kann es sein, dass der Leipziger Unternehmer ab Sachsen die Fahrt mit seinem Fahrer übernimmt. So sparen wir Hotelkosten und Spesen. Alle Buspartner haben ein Interesse am Erfolg von MeinFernbus. Das schweißt zusammen. Diese Anreizstruktur hilft uns, voraussichtlich noch in diesem Jahr die Gewinnzone zu erreichen.

Und unterstützt werden die Subunternehmen inzwischen von 250 Mitarbeitern in Berlin. Was machen die?

Die Betriebssteuerung etwa hält Kontakt zu den Fahrern und leitet sie bei Bedarf um Staus herum. Unser Kundenservice bearbeitet Anfragen von Kunden. Andere Kollegen bauen Fahrpläne auf und passen sie an, beispielsweise um den Berufsverkehr zu vermeiden. Andere werten die Kundenumfragen aus. Die Aufgaben sind vielschichtig. Wir sind gerade erst umgezogen, um Platz für unsere Mitarbeiter zu schaffen. Inzwischen sind auch unsere zwei Etagen fast zu klein.

Sie haben früher für die Deutsche Bahn gearbeitet. Helfen diese Erfahrungen?

Absolut. Ich habe fünf Jahre lang in der Angebotsplanung für den Fernverkehr gearbeitet. Ich war also dafür zuständig, wann etwa ein ICE ab Hannover abfährt. Ich weiß, wo die Bahn gut ist und wo schlecht. Außerdem kenne ich das Bahn-Netz in und auswendig. Das hilft. Und ich weiß auch: Je schlechter die Bahn, desto besser der Bus.

Inwieweit haben Sie vom Streik der Lokführer profitiert?

Wir haben 150 zusätzliche Busse eingesetzt und konnten so 400 zusätzliche Fahrten durchführen. Das war für uns eine schöne Sonderkonjunktur.

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