Middelhoffs Erben Die größten Blender und Versager des Jahres
„Big T.“ ist nicht zu schlagen: In China startete Thomas Middelhoff im Filmbusiness durch. In Deutschland prozessierte er sich durch die Gerichte, und in Frankreich fand er eine neue Heimat. Bei so viel Einsatz droht sein Wirken um den Handelsriesen Arcandor fast in Vergessenheit zu geraten. Um die Erinnerung wachzuhalten, hat die WirtschaftsWoche wieder die gefallenen Helden der Wirtschaft gekürt und ihre Bilanz auf einer Skala von eins bis zehn (ein echter Middelhoff) eingestuft.
Nicolas Berggruen
Wie machen die das nur in Essen? Wann immer es darum geht, ein Top-Kaliber des internationalen Jetset-Business zu verpflichten, ist Karstadt mit von der Partie. Wann immer es gilt, einen beherzten Griff zu wagen, darf Karstadt nicht fehlen – selbst wenn es nur der ins Klo ist. Respekt! Erst verrichtete in Essen Thomas Middelhoff sein Geschäft aufs Imposanteste, nun macht Nicolas Berggruen weiter. Letzterer vermag es ob seiner Aura sogar, das siechende Unternehmen allein im Glanze seiner Person wieder genesen zu lassen. Folgerichtig informierte Berggruen die „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ jüngst per Brief über seinen „Beitrag zur endgültigen Gesundung von Karstadt“. Nämlich: Er verscherbelt die Mehrheit an den Luxus- und Sportgeschäften. Dass der Held von Essen das Kronjuwel des deutschen Einzelhandels nicht polieren, sondern portionieren würde, hatte er bis dahin zwar strikt dementieren lassen, aber Schwamm drüber. „Niemand muss sich Sorgen machen“, lässt Berggruen seine Karstadt-Kräfte im Brief noch wissen. Nö, Quatsch, Sorgen bei Karstadt – warum auch?
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Thorsten Heins
Als Thorsten Heins im Januar 2012 an die Spitze des angeschlagenen Smartphone-Pioniers Blackberry geholt wurde, konnte er sich mit geradezu idealen Referenzen für diesen Harakiri-Job empfehlen: Schließlich war er schon einmal auf den Chefsessel eines strauchelnden Mobil-Herstellers berufen worden, im Frühjahr 2004 als Chef der Handysparte von Siemens. Der Erfolg hielt sich in Grenzen: Nur ein Jahr später verkaufte Siemens sein trudelndes Mobiltelefon-Geschäft an den taiwanesischen IT-Konzern BenQ, der den Laden 2006 in die Pleite rutschen ließ. Gar nicht so unähnlich reüssierte Heins bei den Kanadiern aus – nomen est omen – Waterloo: Seit seinem Amtsantritt häufte er Quartal um Quartal neue Verluste an und sorgte derweil mit fröhlichen Visionen für Furore: „In fünf Jahren sehe ich Blackberry als den absoluten Marktführer im Bereich des Mobile Computing“, prophezeite er noch im Frühjahr 2013. Investoren schenkten der steilen These indes kaum Beachtung. Als schließlich der von ihm selbst geplante Notverkauf von Blackberry scheiterte, endete Heins’ Waterloo-Ära: Die einst saftige Brombeere ist verschrumpelt zum winzigen Beerchen.
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Ralph Schrader
Ralph Shrader lebt den amerikanischen Traum: Sein Job ist so sicher wie der eines Beamten, doch er darf sich CEO nennen und ein Gehalt von 3,7 Millionen Dollar kassieren. Sein Brötchengeber, die Beratung Booz Allen Hamilton, macht 99 Prozent ihres Umsatzes mit US-Behörden. So konnte es Shrader locker angehen, als bekannt wurde, dass Ex-Booz-Mitarbeiter Edward Snowden tonnenweise NSA-Unterlagen an die Presse weitergeleitet hat. Dass Snowden angeheuert wurde, obwohl er zuvor bei der CIA aufgefallen war – egal, ist halt schwer, gutes Personal zu finden.
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Frank Asbeck
Kann ja mal passieren, lieber Frank Asbeck. Sie kaufen der TV-Plaudertasche Thomas Gottschalk für geschätzte fünf Millionen ein Schloss am Rhein ab, und das wird genau dann publik, als Sie die Öffentlichkeit mit der Nachricht schocken, ihr Unternehmen stecke in einer existenzbedrohenden Krise. Eben dumm gelaufen.
Es kann auch mal passieren, dass Aktionäre aufgrund jahrelanger Misswirtschaft und Fehleinschätzungen des Managements quasi enteignet werden und auf mehr als 80 Prozent ihres Kapitals verzichten müssen. Zum Trost: Für ein Prinzessinnen-Schloss von Playmobil dürfte es für den einen oder anderen SolarWorld-Kleinaktionär trotzdem noch reichen. Es kann sogar passieren, dass Anleihegläubiger auf mehr als die Hälfte ihres Geldes verzichten und ausgerechnet Sie sich Ihr Bankkonto durch Aktienverkäufe im Oktober und November für gut drei Millionen Euro aufplustern. Das ist eben die grüne Variante des Kapitalismus.
Aber wie kann es passieren, dass Sie sich mitten in der größten Krise des Unternehmens zutrauen, das Thüringer Solarwerk von Bosch zu übernehmen, weil der Elektronikkonzern aufgrund milliardenschwerer Verluste kein Solargeschäft mehr haben will? Immerhin hängen daran 800 Arbeitsplätze.
Stimmt es eigentlich, lieber Herr Asbeck, dass Sie über Wasser gehen können?
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Hartmut Mehdorn
Für Herausforderungen gibt’s in Deutschland viele Manager, für Unmögliches nur einen: Hartmut Mehdorn, Garant für Wunder, zumindest der blauen Art. Wie beim verpatzten Börsengang der Bahn und der noch offenen Sanierung von Air Berlin zeigt der 71-Jährige nun bei der Rettung des neuen Berliner Flughafens, dass er für Bewegung steht. Wenn auch nicht notwendigerweise in die richtige Richtung. Gut ein Jahr nachdem Mehdorn mit einem Rudel Berater unter anderem seines Freundes Roland Berger das groß angekündigte Beschleunigungsprogramm Sprint inklusive Fanartikel vom Becher bis zur Tasche startete, gibt es zwar auf der Baustelle ebenso wenig Fortschritte wie bei der Ankündigung eines Starttermins oder zumindest einer Teileröffnung. Doch anderswo gab es reichlich Bewegung. Als Erstes biss Mehdorn Mit-Geschäftsführer Horst Amman nach monatelangem sandkastenreifem Gezänk raus. Dazu gerieten die Baukosten mit wohl bald sechs Milliarden Euro so hoch, dass allein die Zinskosten die heutigen Umsätze übersteigen. Immerhin: Seit Mehdorn die Baucontainer für deutlich mehr als eine Million Euro versetzen ließ, sieht Deutschlands größtes Baudesaster wenigstens etwas schöner aus.
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Isabella de Krassny
Mal ehrlich: Maseltov – zu Deutsch: Viel Glück! – ist schon ein selten dämlicher Name für einen Fonds, der ausgerechnet mit der Machtübernahme von Praktiker Geld verdienen will. Da hätte sich die österreichische Heimwerkerfee und Fondsleiterin Isabella de Krassny beim großen Baumarkt-Vokabel-Bingo doch wirklich was Sortimentsaffineres rauspicken können: „Investmenthäcksler“ (1) zum Beispiel, „Geldkomposter“ (2) oder warum nicht der schlichte und schöne Klassiker aller Baumarktdramen: das „Kettensägenmassaker“ (3). Schließlich gab es da ja diese – aufgemerkt! – „hammermäßig“ (4) üblen Nachrichten über die Heimwerkerbude. Erst nahm de Krassny Vorstand und Aufsichtsrat des Konzerns in die „Zange“ (5), griff beherzt in die „Werkzeugkiste“ (6) der Finanzgestaltung und platzierte schließlich ihre eigenen Mannen an der Spitze des saarländisch-hanseatischen Selbermachvereins. Die setzten prompt die „Axt“ (7) am Konzern an, tauften allerlei Läden auf die Marke Max Bahr um und versuchten den rostigen Namen Praktiker an den „Nagel“ (8) zu hängen. Allein, es half nichts. Das Billig-Image haftete dank der jahrelangen „20-Prozent-auf-alles“-Aktionen wie „Pattex“ (9) am Unternehmen. Als dann auch noch der lange Winter die Umsätze zertrümmerte wie ein „Hilti-Bohrer“ (10) den „Spritzbeton“ (11), war endgültig Schluss. Praktiker trudelte in die Pleite. Bei Investoren erfreute sich die Baumarktruine darob ähnlicher Beliebtheit wie „Schleif“- (12) als Ersatz fürs Klopapier. Selbst mit dem Verkauf von Max Bahr war für die Insolvenzverwaltung kein „Blumentopf“ (13) mehr zu gewinnen. Rund 14.000 Mitarbeiter dürfen sich jetzt einen neuen Job suchen, Tausende Gläubiger werden wohl leer ausgehen, und auch das Spielgeld von de Krassny ist futsch. Tja, der Name Maseltov passt da einfach nicht.
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Gerhard Cromme
Gerhard Cromme, das hohe C der deutschen Wirtschaft, der Mega-Supermann der Managerszene: super angezogen, super vernetzt, super höflich. Als Vorstandschef Mega-Fusion von Krupp mit Hoesch 1992 und mit Thyssen 1997. Dann als Aufsichtsratsvorsitzender Mega-Chancen auf die Nachfolge von Berthold Beitz als Chef der Krupp-Stiftung und Herrscher über die deutsche Schwerindustrie. Crommes Träume gehen allerdings ebenso megamäßig in die Hose: Von ihm abgesegnete Investitionen in zwei Stahlwerke in den brasilianischen Mangrovensümpfen bei Rio und im US-Staat Alabama reißen Mega-Löcher in die Bilanz: An die sechs Milliarden Euro Schulden, im dritten Jahr in Folge häufen sich die Verluste. Ein eisenharter Konzern am Rande des Untergangs. Aber Cromme hat bis März 2013 als Oberaufseher alles „unter Kontrolle“, wie er beteuert. Seine Reisespesen mit Firmenjets gelten zum Schluss nur noch als Petitesse im Vergleich zu dem Desaster, das er angerichtet hat. Er muss gehen auf Druck von Ziehvater Beitz, der wenige Monate später stirbt. Cromme klammert sich nun an den Chefsessel des Siemens-Aufsichsrats, um nicht von der Bühne der Supermänner zu verschwinden.
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Paul Flowers
Britische Banken sind Orte der Verderbnis. Zockende Teufel greifen Millionenboni ab und hauen den Mammon für Schampus, Stripperinnen und sonstige Sünden raus. Selbst in diese Nacht glimmt gelegentlich das Licht des Herrn. In London erschien es in Gestalt von Paul Flowers. Der Pfarrer erkletterte 2010 die Aufsichtsratsspitze der Co-Op Bank. Das Ethik-Institut meinte den Slogan „Gut mit Geld“ moralisch und missionierte durch Übernahmen von Konkurrenten drauflos. Flowers aber geriet in Versuchung. Ein Video zeigt ihn beim Großeinkauf harter Drogen, unter der Kontrolle des „Crystal Methodist“ schlitterte die Bank fast in die Pleite. Schließlich sah auch er, dass es nicht gut war. Seine Kenntnisse des Bankwesens seien „wahrscheinlich veraltet“, er habe aber „andere Erfahrungen“. Der Antichrist muss Engländer sein.
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Max Schön
Mit reichlich Trara wurde 2009 die Desertec-Initiative (DII) ins Leben gerufen, die sich für Deutschland so ambitioniert ausnahm wie einst die Mondlandemission der USA. Bis 2050, so das Ziel der zugehörigen Projektgesellschaft, sollten für 400 Milliarden Euro in der Sahara an die 300 Sonnenkraftwerke gebaut werden und der dort erzeugte Strom via Mittelmeer-Kabel Europa erleuchten. „Es liegt mir sehr am Herzen, eine Lösung für die globalen Probleme zu suchen“, predigte der damalige Ober-Gutmensch im Desertec-Aufsichtsrat, Max Schön, zugleich Chef des deutschen Club of Rome. „Ich fühlte mich wie der Präsident einer Bananenrepublik“, stöhnte dagegen DII-Chef Paul van Son. Mit gutem Grund: Bis dato existiert kein einziges Kraftwerk, DII fungiert heute schlicht als Beratung.
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Franz-Peter Tebartz-van Elst
Werte Arbeitgeber,
als gelernter Bischof von Limburg durfte ich bereits erste Erfahrungen im Bereich schlüsselfertiges Bauen sammeln. Nun ist es an der Zeit für neue berufliche Herausforderungen, vorzugsweise als Führungskraft in der gehobenen Immobilienwirtschaft.
Ich biete:
- einschlägige Kenntnisse im Kostenmanagement von Großprojekten,
- mehrjährige Erfahrung in barocker Lebensgestaltung,
- sicheren Umgang mit gängigen Reisebuchungsportalen,
- ausgezeichnete Lateinkenntnisse in Wort und Schrift,
- überdurchschnittliche Affinität zu schmucken Residenzen und flauschigem Hermelinfell,
- hohes Engagement (nachweislich mehrere Arbeitseinsätze auch sonntags).
Ich suche:
- eine Kultur der Budget- und Fehlertoleranz,
- viel Vertrauen,
- eine wohlaustarierte Work-Lifestyle-Balance,
- eine angemessene, leistungsunabhängige Vergütung.
Sollten Sie über entsprechende Vakanzen verfügen, zögern Sie nicht, sich bei mir vorzustellen.
Gott zum Gruße,
Ihr Franz-Peter Tebartz-van Elst
Bild: dpa
Uwe Laue
Uwe Laue, Chef der Debeka, präsentierte sich in der Versicherungszunft bisher als Tugendwart und Wertepapst. Als vor zwei Jahren die Düsseldorfer Ergo wegen ihrer Sexreisen für Vermittler unter Beschuss kam, empörte sich Laue: Bei seinem Unternehmen, Deutschlands größtem Anbieter privater Krankenversicherungen (PKV), bekämen die erfolgreichsten Vermittler bestenfalls einen Besuch der Bundesgartenschau spendiert. Nun zeigen sich nicht nur ein paar dunkle Flecken auf Laues vermeintlich weißer Weste, nein, der ganze Anzug ist verschmutzt. Vertreter der Debeka, so der Verdacht, sollen mit schmuddeligen Methoden Adresslisten von Beamtenanwärtern ergaunert haben, um diesen Krankenversicherungen zu verkaufen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Debeka wehrt sich gegen die Vorwürfe. Erst im Juni war Laue Vorsitzender des Verbands der Privaten Krankenversicherer geworden. Mister Saubermann, so das Kalkül der Branche, sei erste Wahl, um in Berlin für den Erhalt der unter Beschuss geratenen PKV zu trommeln. Doch Politiker dürften nun allenfalls müde lächeln, wenn Laue in Berlin aufkreuzt. Im schlechtesten Fall drücken sie ihm Eimer und Lappen in die Hand, um in der Debeka-Zentrale in Koblenz mal richtig sauber zu machen.
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Willi Balz
Er wollte der Herr der Meere sein. Jahr für Jahr mit seiner Klitsche namens Windreich einen milliardenschweren Mühlenpark in die Nordsee rammen und Stromkonzernen wie RWE und E.On zeigen, wie man Energiewende auf hoher See macht.
Mit dem Nordsee-Windpark Global Tech 1 haut das sogar hin. 2012 rast Willi Balz auf der Überholspur. Doch der Gegenverkehr wird immer dichter. Das Geld für neue Windparks bekommt er nicht zusammen. Darlehen werden fällig, die Verschuldung steigt. Fortan dreht sich beim umtriebigen Schwaben alles um Zwischen- und Brückenfinanzierungen. Selbst die Staatsanwaltschaft Stuttgart kann den Motorsportfreak nicht bremsen. Die Behörde rückt im März zur Razzia am Firmensitz und andernorts aus. Der Verdacht: Insolvenzverschleppung, Anlagebetrug, Bilanzmanipulation.
Balz weist die Vorwürfe weit von sich, es seien Versuche von Neidern, ihn zu stoppen. Nach der Razzia schreibt er Beruhigungsbriefe an die Zeichner seiner Anleihen. „Die Talsohle ist durchschritten, bei Windreich geht es richtig aufwärts“, jubelt er Ende Juli. Alle „Lügengeschichten über Pleiten, Pech und Pannen“ könnten Windreich nichts anhaben, trompetet er später. „Die Liquidität ist nicht überschäumend. Aber von einer Insolvenz sind wir ganz weit weg“, tönt die Ein-Mann-Energiewende Mitte August.
Ganz weit weg ist dann genau einen Monat später: Mitte September beantragt Balz Insolvenz in Eigenregie. Schließlich seien die Zahlungsschwierigkeiten nur vorübergehender Natur. Denkste. Die Insolvenz in Eigenregie scheitert. Im Dezember wird das Insolvenzverfahren eröffnet.
Bild: dpa
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