Sie alle, das zeigt die Auswertung der Unterlagen aus den bisherigen Verfahren, trafen sich von Ende 1999 bis Anfang 2006 zu Hunderten Meetings wie 2000 in Toronto. Dabei ging es wohl in der Regel darum, Unternehmen – allen voran Speditionen wie der Bahn-Tochter Schenker – höhere Tarife abzupressen.
Für die Kunden waren die Absprachen nur schwer erkennbar. Denn jede Airline hatte weiterhin ihre eigenen Grundpreise, die je nach Angebot und Nachfrage schwankten. Darauf schlugen die Kartellbrüder und -schwestern abgesprochene einheitliche Zuschläge, etwa für höhere Treibstoffpreise oder mehr Sicherheitsaufwand. Hierauf, so eine weitere verbotene Absprache, gab es dann keine der üblichen Rabatte für Großkunden mehr.
Zwar hagelte es für die verbotene Mauschelei schon saftige Strafen. So verurteilten Gerichte von Australien über die Schweiz bis in die USA bereits ein Dutzend Flugmanager zu Haftstrafen von bis zu 13 Monaten und verhängten fast 2,5 Milliarden Euro Geldbußen. Doch Schadensersatz in Milliardenhöhe, wie ihn die Deutsche Bahn nun einklagt, hat bisher noch kein Unternehmen gefordert.
Mehr noch, der Staatskonzern ist offenkundig gewillt, eine Vorreiterrolle zu spielen, und hat aus der Jagd auf Kartellsünder sogar schon ein hochprofitables Geschäftsfeld gemacht (siehe Kasten). Kern der neuen Strategie ist weniger Rücksichtnahme auf gewachsene Beziehungen zu Kartellsündern unter den Lieferanten, zum Beispiel zum Ruhrkonzern ThyssenKrupp, der sich mit anderen Schienenproduzenten abgesprochen hatte.
„Wir wollen weiter gut miteinander zusammenarbeiten“, beschreibt Bahn-Rechtsvorstand Becht die neue Linie. „Eins muss aber klar sein: Wir können nicht dulden, dass der entstandene Vermögensverlust nicht beglichen wird.“ Die Deutsche Lufthansa könnte dadurch deutlich mehr als den Nettogewinn von 313 Millionen Euro im vergangenen Jahr verlieren, nachdem sie bisher nicht einmal Bußgeld zahlen musste, weil sie als Kronzeugin gegen ihre Mitverschwörer ausgesagt hatte.
Lufthansa: Bei Kunden ist kein Schaden entstanden
Aus Sicht der Kranich-Linie hat die Klage der Bahn keine Grundlage, weil diese sich auf eine Entscheidung der EU-Kommission berufe, die „weiterhin nicht rechtskräftig“ sei. Zudem habe ein von der Lufthansa in Auftrag gegebenes Gutachten – allen sonstigen Urteilen zum Trotz – „das Ergebnis“ erbracht, „dass bei Kunden kein tatsächlicher Schaden durch das Kartell entstanden sei“. Weiter wollte sich die Fluglinie nicht äußern, weil es sich um ein noch laufendes Verfahren handele.
Wie auch immer die deutschen Richter die kühne These werten – ein Blick in die umfangreichen Unterlagen zu den vielen bisherigen Verfahren zeigt etwas anderes. So errechnete der oberste Gerichtshof Australiens 2008 in einem Verfahren gegen British Airways, dass die Airline durch die abgesprochenen Zuschläge gut 20 Prozent mehr verdiente.
Dazu legen Dokumente aus anderen Verfahren nahe, dass Lufthansa-Manager eine zentrale Rolle bei den Absprachen spielten. Mehr als 100-mal trafen sie sich mit Kollegen von Wettbewerbern: beim Sommer-Barbecue des Air Cargo Clubs New England in der Nähe von Boston, auf dem Golfplatz des Hanil Country Clubs in Korea oder im Hotel Altes Amtsgericht im mittelhessischen Provinzort Braunfels. Dabei sprachen die Lufthanseaten, wie Urteile gegen sie etwa in Südafrika und Korea belegen, mit ihren Kartellbrüdern Preise und Verkaufsbedingungen ab. Das taten sie offenkundig mit vollem Unrechtsbewusstsein. So versahen Lufthansa-Manager und ihre Mitverschwörer viele ihrer E-Mails ausdrücklich mit Zusätzen wie „sofort löschen“ oder „nicht weiterleiten“.