Möglicher Wechsel Warum Ronald Pofalla für die Deutsche Bahn so wichtig ist

Die Deutsche Bahn steht in Berlin und Brüssel derzeit heftig unter Druck. Ein Wechsel des früheren Kanzleramtsministers Ronald Pofalla soll dem Staatskonzern alte Pfründe sichern.

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Angela Merkel und Ronald Pofalla vor dem Museumszug Rheingold-Express. Die Diskussion über den möglichen Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn für den früheren Kanzleramtsminister Pofalla zieht immer größere Kreise. Quelle: dpa

Für kaum ein Unternehmen ist die politische Einflussnahme so wichtig wie für die Deutsche Bahn. Und so wollte Rüdiger Grube die Sachen eigentlich selbst in die Hand nehmen. Als der Manager 2009 das Amt des Staatskonzernchefs übernahm, strich er den damaligen Posten des Chef-Lobbyisten aus dem Vorstand und übernahm die Aufgaben in Personalunion. Grube, der bis dato als Strategievorstand bei Daimler und Verwaltungsratsmitglied beim Luftfahrtkonzern EADS mit allen Wassern geschaffen war, sah sich in puncto Lobbyismuskompetenz offenbar selbst als Bestbesetzung.

Doch inzwischen muss Grube einräumen, dass die Beeinflussung politischer Entscheidungsträger nicht als Nebenaufgabe zu erledigen ist. Die Deutsche Bahn steht derzeit sowohl in Berlin als auch in Brüssel mächtig unter Druck. Zahlreiche Regulierungsvorhaben drohen die Bahn empfindlich zu treffen. Die mögliche Berufung des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla in den Bahn-Vorstand wäre daher aus Konzernsicht eine konsequente Besetzung – der öffentlichen Empörung zum Trotz.

Steinbrück heuert bei der ING-DiBa an
Peer Steinbrück Quelle: dpa
Katherina Reiche Quelle: dpa
Viviane Reding Quelle: dpa
Der Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr ist ab November Generalbevollmächtigter bei Allianz Private Krankenversicherung (APKV). Quelle: dapd
parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Ursula Heinen-Esser (l) Quelle: dpa
Stéphane Beemelmans Quelle: dpa
Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Jan Mücke Quelle: dpa

Seit Jahren schon setzt die Deutsche Bahn auf Spitzenpolitiker, um gegen Regulierungsvorhaben zu lobbyieren. Ex-Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) hielt für die Bahn Kontakt nach Brüssel. Der bayerische Ex-Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) zog sieben Jahre lang im Vorstand die Drähte zu Bundesregierung und Bundestag. Derzeit leitet der CDU-Politiker und frühere Bahn-Aufsichtsrat Georg Brunnhuber die Abteilung Wirtschaft, Politik und Regulierung. Doch offenbar scheint Grube mit dem aktuellen Chef-Lobbyisten nicht sehr zufrieden zu sein.

Vor allem aus Brüssel droht der Bahn eine empfindliche Niederlage. Die EU-Kommission will das Schienennetz unabhängiger von Entscheidungen aus der Holding machen. Dazu bereitete Verkehrskommissar Siim Kallas ein viertes Eisenbahnpaket vor, dass die finanzielle Stärkung der Infrastrukturgesellschaften vorsieht. Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat die Vorgaben des Verkehrskommissars mit leichten Änderungen angenommen. So müssen künftig die Gewinne des Schienennetzes wieder in Bau und Instandhaltung von Gleisen, Brücken und Bahnhöfen fließen. Die Deutsche Bahn hatte jahrelang dagegen opponiert. Weil das EP und die Verkehrsminister der EU-Staaten noch zustimmen müssen, käme Pofalla die Aufgabe zu, das Schlimmste zu verhindern. Bislang hatten die Weltuntergangs-Argumente der Deutschen Bahn gegen eine schärfere Regulierung bei den Europapolitikern allerdings keinen Erfolg.

Lokführer kritisieren möglichen Wechsel Pofallas

Die größten Pannen der Deutschen Bahn
Juli 2015Wegen der großen Hitze sind die Luftkühlungen mehrerer IC-Züge ausgefallen. Anders als im Sommer 2010 reagierte die Bahn diesmal schnell: Sie stellte für die besonders betroffene Linie Berlin-Amsterdam zwei Ersatzzüge bereit. Sie sollen eingesetzt werden, wenn die Luftkühlung in anderen IC auf der Strecke versagt, wie ein Sprecher mitteilte. Außerdem wurden in Osnabrück mehrere Busse stationiert. Dort mussten insgesamt mehrere Hundert Fahrgäste in nachfolgende Züge umsteigen, weil in ihren Zügen die Klimaanlage ausgefallen war. Es habe aber kein Fahrgast gesundheitliche Probleme bekommen, so der Sprecher. Bei etwa einem Dutzend älterer Intercitys auf der Linie Berlin-Amsterdam hatten die Klimaanlagen ihre Arbeit eingestellt. Quelle: dpa
Oktober 2014Ein Warnhinweis sorgt für Lacher, Spott und eine Entschuldigung der Deutschen Bahn: „Cannstatter Wasen: Es ist mit Verspätungen, überfüllten Zügen und verhaltensgestörten Personen zu rechnen“ ist am Samstag auf den Anzeigetafeln an mehreren Bahnhöfen in der Region Stuttgart zu lesen gewesen, wo das Volksfest an seinem letzten Wochenende in diesem Jahr wieder Tausende Besucher anlockte. „Wir entschuldigen uns dafür“, sagte eine Bahn-Sprecherin am Sonntag und bestätigte Online-Berichte der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Ein Mitarbeiter habe den Text entgegen aller Vorgaben verfasst. Er werde Anfang der Woche zum Rapport bestellt. Dann solle auch der gesamte Vorgang aufgeklärt werden. Quelle: dpa
August 2013Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgte im August 2013 für ein Fahrplanchaos am Mainzer Hauptbahnhof - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen. Die Deutsche Bahn hat für das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof wegen massiver Personalprobleme auf Facebook um Entschuldigung gebeten. „Für die derzeitigen Einschränkungen möchte ich mich entschuldigen“, antwortete ein Mitarbeiter in dem Sozialen Netzwerk auf Beschwerden einer Nutzerin. Die Situation sei „wahrlich nicht schön“. Quelle: dpa
August 2013Um dem Problem der häufig verstopften und verdreckten Zugtoiletten Herr zu werden, setzt die Bahn ab sofort neue Reinigungskräfte, sogenannte Unterwegsreiniger, in ICE-Zügen ein. Die Reinigungskolonne, die auf der Fahrt die Toiletten putzt, wird um 50 Beschäftigte auf 250 aufgestockt, wie der Vorstandsvorsitzende DB Fernverkehr, Berthold Huber, ankündigte. Die Mitarbeiter sollen zugleich stärker entsprechend der Zugauslastung eingesetzt werden. Damit würden die Toiletten in besonders gefragten Bahnen mindestens zweimal und damit doppelt so oft auf der Fahrt gereinigt wie bisher. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) lobten die Initiative, wiesen aber zugleich auf andere Probleme hin. „Neben den kaputten oder dreckigen Toiletten gibt es tagtägliche Kundenbeschwerden vor allem über die Klimaanlagen und Verspätungen“, sagte Pro-Bahn-Bundessprecher Gerd Aschoff. Und das sind nicht die einzigen Pannen der Deutschen Bahn... Quelle: dpa
November 2011Nach der persönlichen Anmeldung im neuen elektronischen Ticketsystem „Touch & Travel“ waren für nachfolgende Nutzer die Kundendaten sichtbar. Quelle: dpa
Juli 2010Am einem Wochenende fallen in mehreren ICE-Zügen die Klimaanlagen aus. Fahrgäste kollabierten, Schüler mussten dehydriert ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Zuge der Panne wurde bekannt, dass die Klimaanlagen der Bahn nur bis 32 Grad funktionieren. Damals fielen in Dutzenden Zügen die Klimaanlagen aus. Quelle: dpa
April 2010 - ICE verliert TürBei voller Fahrt verliert ein ICE auf dem Weg von Amsterdam nach Basel eine Tür. Das Stahlteil schlägt in einen entgegenkommenden ICE ein. Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln werden sechs Menschen leicht verletzt. Ursache für den Unfall ist eine lose Stellmutter an der Verriegelung. Foto: dpa

Auch in Berlin ist der Druck gestiegen. Im Juni scheiterte im Bundesrat zwar eine Novelle des Eisenbahnregulierungsgesetzes. Die Deutsche Bahn hatte vor allem bei den Ministerpräsidenten mit SPD-Parteibuch erfolgreich lobbyiert. Eigentlich sollte die Bundesnetzagentur als Kontrollinstanz gestärkt werden – so wollte es der Bundestag. Die Bonner Behörde sollte künftig besser berechnen können, wie die Trassenpreise entstehen, wie effizient die Bahn mit öffentlichen Geldern umgeht und wie hoch die Rendite aus dem Schienennetz für die Bahn sein darf.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch die Bahn drohte damit, keine Eigenmittel mehr in das Schienennetz zu investieren. Das Gesetzesvorhaben scheiterte vorerst. Doch klar ist, dass der neue Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das Papier als allererstes wieder aus der Schublade ziehen wird. Selbst die Pkw-Maut dürfte dafür in der Prioritätenrangfolge nach hinten rücken. Pofalla würde auch hier versuchen, Einfluss zu nehmen.

Wie sehr der Druck gegenüber der Deutschen Bahn gestiegen ist, zeigt auch folgendes Beispiel. Im Bundesverkehrsministerium wollte man die Debatte um Netzgewinne endgültig begraben. Spitzenbeamte ersannen ein Modell, wie die Deutsche Bahn gezwungen wäre, die Gewinne aus dem Betrieb des Schienennetzes wieder in das Netz zu reinvestieren. Um den Anschein zu erwecken, man reagiere nicht immer nur auf Druck der Politik, schlug Bahnchef Grube die im Ministerium erarbeitete Fonds-Lösung Mitte vergangenen Jahres plötzlich selbst vor.

Aus Unternehmenssicht wäre eine Berufung Pofallas jedenfalls eine Investition in die Zukunft. Die 1,3 bis 1,8 Millionen Euro, die ein Bahn-Vorstand pro Jahr verdient, könnten schnell wieder reingeholt werden, sollte der CDU-Politiker und Vertraute von Kanzlerin Merkel Regulierungsvorhaben erfolgreich verhindern. Die aktuelle Gesetzeslage sichert der Deutschen Bahn ein Monopol im Fernverkehr und Gewinne aus dem Schienennetz. Eigentlich wollte die frühere Bundesregierung aus CDU und FDP die Abführung der Netzgewinne an die Holding bereits 2009 kappen. Doch aus dem Vorhaben wurde in dem Koalitionsvertrag von 2009 nur ein „Prüfauftrag“. Dieser verpuffte wirkungslos. Die entscheidende Passage wurde damals kurzfristig aus dem Kanzleramt in den Koalitionsvertrag redigiert.

Fraglich ist, ob angesichts der öffentlichen Kritik der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn die Personalie Pofalla im März dieses Jahres durchwinken wird. Inzwischen mehren sich die kritischen Stimmen. „Die mögliche Berufung von Ronald Pofalla zur Deutschen Bahn halten wir für kritisch“, sagte Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, der WirtschaftsWoche. Die GDL hält einen Sitz im Kontrollgremium. „Wir brauchen mehr Eisenbahnfachverstand im Unternehmen. Dinge sollten weniger über Lobbyismus, sondern mehr über Fachverstand bewegt werden. Ob die GDL einer Berufung Pofallas in den Bahn-Vorstand im Aufsichtsrat zustimmen wird, entscheiden wir erst, wenn es soweit ist.“

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