WirtschaftsWoche: Herr Müller, die Euro-Krise ist immer noch ungelöst, jetzt droht auch noch ein Konjunkturabschwung in weiten Teilen Europas. Wie laufen die Geschäfte bei Ihnen?
Dieter Müller: Wir haben keinen Grund zur Klage. Im Gegenteil, für uns ist das Jahr 2012 sehr gut gelaufen. Die durchschnittliche Auslastung unserer Hotels ist um zwei Punkte auf 72 Prozent gestiegen, der Umsatz um gut ein Viertel auf 170 Millionen Euro und das Ergebnis vor Steuern sogar um 50 Prozent auf etwa 35 Millionen Euro. Zudem haben wir rund 75 Millionen Euro in neue Hotels und die Renovierung bestehender Häuser investiert.
Aber 2013 wird auch für Motel One schwieriger?
Nein, das glaube ich nicht. 2013 wird sicher spannend, aber ein Krisenjahr erwarten wir nicht. Bei der letzten Wirtschaftskrise nach der Lehman-Pleite 2009 haben wir erste Erfahrungen gemacht, und unser Konzept zeigte sich recht krisenresistent. Zudem haben sich seither auch die Rahmenbedingungen zu unseren Gunsten geändert.
Inwiefern?
Viele Unternehmen haben angesichts der konjunkturellen Probleme ihre Reiserichtlinien neu gefasst. Rund 70 Prozent unserer Gäste sind Geschäftsreisende. Wenn die Firmen jetzt stärker auf ihre Kosten achten als früher, kommt uns das zugute, weil die Nachfrage sich zugunsten des Low-Budget-Segments, also den preiswerteren Hotels, verschiebt.
Motel One ist also ein typischer Krisengewinner?
Ich würde es lieber so formulieren, dass unser Preisniveau und die attraktiven Standorte in den Innenstädten ein guter Schutzschild gegen Krisen sind. Zugleich bieten wirtschaftlich schwierige Zeiten auch neue Chancen. Zum Beispiel steigen die Immobilienpreise nicht mehr so schnell. Wenn man die finanziellen Mittel hat, um antizyklisch investieren zu können, ergeben sich im Abschwung günstige Gelegenheiten.
Preisentwicklung bei Wohnimmobilien seit der Eurokrise
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1899 Euro*
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 24 Prozent
* Kriterien: Durchschnittsimmobilie, 30 Jahre alt, gepflegter Zustand
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1180 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 10 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1252 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 1 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1692 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 19 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 2237 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 21 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1718 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 15 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1243 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 0 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 2427 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 17 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 2625 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 28 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 2464 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 30 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1479 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 16 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1506 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 16 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1994 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 17 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1426 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 7 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 889 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 8 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1805 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 8 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1788 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 13 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 3692 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 33 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 1827 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 22 Prozent
Preis pro Quadratmeter im zweiten Quartal 2012: 2346 Euro
Veränderung seit dem zweiten Quartal 2009: + 15 Prozent
In Deutschland haben Sie es doch aber eher mit steigenden Immobilienpreisen zu tun.
Ja, wir stehen bei Grundstücksakquisitionen im Wettbewerb zu dem boomenden Wohnungsmarkt und haben daher nur Chancen, wenn in den Bebauungsplänen auch ein Gewerbeanteil ausgewiesen ist. Anders ist die Entwicklung zum Beispiel in etlichen Städten Großbritanniens. Wir haben das genutzt und gerade ein erstes Haus in Edinburgh eröffnet, ein zweites folgt in diesem Jahr, 2014 und 2015 gehen zwei Hotels in London und je eines in Manchester und Newcastle an den Start.
Potenzial oder Überkapazität?
Obwohl die Branchenexperten der Unternehmensberatung Treugast Überkapazitäten bei Billighotels in Deutschland prognostizieren, setzen Sie weiter auf Expansion und wollen hierzulande bis Jahresende fünf neue Hotels eröffnen. Warum ignorieren Sie die Warnung?
Wir ignorieren sie nicht, glauben aber, dass die Potenziale im Low-Budget-Segment in Deutschland noch nicht ausgeschöpft sind und es nach wie vor nur wenige professionelle Wettbewerber in dieser Nische gibt. Als wir 2000 mit Motel One angefangen haben, gab es mit den ibis-Hotels des französischen Accor-Konzerns nur einen einzigen ernst zu nehmenden Mitbewerber. Inzwischen sind große Anbieter wie Holiday Inn Express oder B&B dazugekommen, andere stecken in den Startlöchern. Wir gehen davon aus, dass sich demnächst zwar eine gewisse Marktsättigung einstellen wird, wollen aber bis dahin unsere Marktanteile in den deutschen Großstädten auf etwa zehn Prozent ausbauen. In Berlin kommen wir mit unseren Häusern heute schon auf etwa sechs, in München und Hamburg auf etwa sieben Prozent aller Übernachtungen.
Und was kommt danach?
Dann werden wir verstärkt im europäischen Ausland investieren. Derzeit entfällt die Hälfte unseres Wachstums auf Deutschland, das wird sich künftig zugunsten neuer Standorte jenseits der deutschen Grenzen verschieben.
Ihre Hotels liegen im Zentrum, die Zimmer sind im Schnitt 16 Quadratmeter groß, bieten modernes Design und freies Internet, es gibt sie aber trotzdem schon ab 69 Euro pro Nacht. Verraten Sie uns, wie man damit Geld verdienen kann?
Indem wir uns auf das Wesentliche fokussieren und damit die Kosten im Zaun halten. Wenn wir ein neues Hotel bauen, investieren wir rund 50.000 Euro pro Zimmer, zuzüglich anteiliger Grundstückskosten. Bei einem. Vier-Sterne-Hotel müssen Sie zwischen 80.000 und 100.000 Euro veranschlagen und haben zudem einen um 40 bis 50 Prozent höheren Grundstücksanteil pro Zimmer.
Weil Sie an der Ausstattung sparen?
Nein, im Gegenteil. Das Design und die Qualität unserer Ausstattung bis hin zur Bettwäsche und Handtüchern hält jedem Vergleich mit der Luxushotellerie stand. Die Differenz ergibt sich, weil wir auf viele Dinge verzichten. Wir haben zum Beispiel eine Lounge und eine Bar, die gleichzeitig auch Frühstücksraum ist, aber kein Restaurant. Das senkt nicht nur die Personalkosten, wir brauchen auch keine großen Küchen oder Lagerräume. Wir verzichten außerdem auf Tagungsräume. Die bringen zwar Geld, aber nicht so viel, dass sich der Flächenbedarf dafür lohnen würde.
Langfristige Planung
Anders als die meisten anderen Hotelketten beschränken Sie sich nicht auf die Rolle eines Hotelbetreibers, der die Häuser langfristig pachtet. Warum belastet Motel One sich mit den Immobilien?
Wir machen beides. 60 Prozent unserer Hotels sind langfristig gepachtet, in der Regel für 20 Jahre, der Rest gehört uns selbst. Die Strategie der großen internationalen Ketten, möglichst wenig eigenes Vermögen einzusetzen, ist vor allem von bilanziellen Überlegungen getrieben: relativ hohe Renditen bei geringem Kapitaleinsatz.
Was ist daran falsch?
Nichts, aber wir verfolgen eine andere Strategie, wir sind sehr langfristig orientiert. Das erfordert zwar einen hohen Kapitaleinsatz, bringt aber auch ein hohes Maß an Stabilität und einen Inflationsschutz. Wenn Sie einen 20-Jahres-Pachtvertrag abschließen, ist der in der Regel indexiert. Die Pacht, die der Betreiber zu zahlen hat, steigt also mit den Lebenshaltungskosten. Beim Eigentum an den Immobilien ist es genau umgekehrt: Mit fortschreitender Entschuldung sinken die Kosten. Gleichzeitig steigt in den von uns bevorzugten Innenstadtlagen meistens der Wert der Immobilie. Beides zusammen bringt auch auf die Immobilie interessante Renditen. Die Strategie geht allerdings nur auf, wenn die Aktionäre ebenfalls langfristig orientiert sind. Motel One ist also nichts für Heuschrecken, also für kurzfristig denkende Finanzinvestoren.
Mit welchen Argumenten setzen Sie sich im Kampf um neue Pachtverträge gegen große internationale Mitbewerber durch?
Wir sind mit einem Eigenkapital von 170 Millionen Euro, unserer im Verhältnis zum Ertrag geringen Verschuldung und einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent ein starker und verlässlicher Partner. Zudem erhöht die hohe Qualität des Konzeptes den Wert der Immobilie. Dadurch konnten wir uns bei etlichen neuen Projekten gegen namhafte Mitbieter durchsetzen.
Wo denn zum Beispiel?
In Berlin-Charlottenburg am Breitscheidplatz entwickelt und baut die Strabag den Upper-West-Tower, ein Hochhaus mit insgesamt 35 Stockwerken, gegenüber der Gedächtniskirche. Wir haben dort den Zuschlag für ein Motel One mit 600 Zimmern bekommen, Eröffnung ist 2016. Was uns besonders freut: Unsere Gäste zahlen nur 69 Euro pro Nacht, haben von der Dachterrasse im 10. Stock aber einen viel besseren Blick als die im viel teureren Waldorf Astoria schräg gegenüber. Dessen Dachterrasse liegt nur im 6. Stock.