Am Freitag, dem 13. Januar 2017, schreibt ein leicht pummliger, rotgelockter Brite Musikgeschichte: Zum ersten Mal seit es Musik-Charts gibt, stürmt mit Ed Sheeran ein Künstler mit zwei neuen Songs zeitgleich auf Platz 1 und 2. Weder Elvis noch die Beatles brachten das je zustande.
Wer Kunde eines Musik-Streamingdiensts wie Spotify, Deezer, Amazon Prime, oder Apple Music ist, hat Sheerans Coup vielleicht mitbefeuert: Der Brite gehört zur wachsenden Gruppe von Stars, deren Songs bei den Internetdiensten durchstarten, ehe sie in klassischen Medien wie Radio und TV laufen. Andere, wie die Neuseeländerin Lorde, sind sogar ausschließlich durch Streaming weltbekannt geworden; sie brauchen die klassischen Medien nicht mehr.
Mehr als 200 Millionen Menschen streamen bereits Musik über ihr Smartphone oder ihren PC. Gegen eine monatliche Flatrate von rund zehn Euro eröffnen ihnen die Dienste Zugriff auf bis zu 45 Millionen Stücke, rund um die Uhr und so oft sie wollen. In Skandinavien oder England stammen schon 80 Prozent der Umsätze aus Streaming. Die Technik hat die lange darbende Musikindustrie wiederbelebt.
Das Geschäft wächst stark – und ist dabei, die Gesetzmäßigkeiten der Branche umzupflügen. Im neuen Kosmos sind Algorithmen die DJs und Talentscouts. Was die Konsumenten wann zu hören bekommen, können die Promoter der Industrie immer weniger beeinflussen.
Algorithmen analysieren bis ins kleinste Detail unseren Geschmack, scannen die Archive der Musikverlage und suchen nach Übereinstimmungen. Die Musik-Algos sind einer der ersten großen Erfolge der künstlichen Intelligenz: Selbstlernend filtern sie immer besser das Angebot von Millionen verfügbaren Streamtiteln, ohne dass Programmierer sie dafür je umschreiben oder erweitern müssen. Aber wie funktionieren sie?
Bücher, TV, Streaming? Diese Medien finden die Deutschen unverzichtbar
Nur wenige Erwachsene in Deutschland können sich ein Leben ohne Bücher oder Fernsehen vorstellen. Das ergab eine repräsentative Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur aus dem Januar 2016. Andere Unterhaltungsmedien hielten die Befragten dagegen eher für entbehrlich.
Nur eine Minderheit von 13 Prozent der Befragten findet gedruckte Bücher verzichtbar. Elektronische Bücher (zum Beispiel Kindle oder Tolino) halten 41 Prozent für verzichtbar.
14 Prozent der Befragten können sich ein Leben ohne das klassische Fernsehen vorstellen.
Schon wesentlich mehr können sich vorstellen, auf Musik-CDs zu verzichten: Rund ein Fünftel (21 Prozent) der Befragten fand CDs verzichtbar. Hörbücher auf physischen Tonträgern wie CDs spielen für 46 Prozent keine allzu wichtige Rolle.
Ein Leben ohne Kinobesuche ist für 23 Prozent vorstellbar.
Auf Spielfilme oder Serien von DVD würden 24 Prozent der Befragten verzichten.
Weniger wichtig finden die Erwachsene laut der YouGov-Umfrage Online-Videotheken. 38 Prozent könnten ohne das Streaming von Serien und Filmen (etwa via Netflix, Amazon, Maxdome, Watchever) leben, 40 Prozent ohne Musik-Streaming (zum Beispiel via Spotify oder Apple).
Eindeutig ist die Tendenz, wenn man nach den Altersgruppen schaut: So finden bei den 18- bis 24-Jährigen immerhin 21 Prozent das Fernsehen verzichtbar, bei den Menschen über 55 sind es dagegen nur 10 Prozent.
Film-Streaming finden dagegen die Leute ab 55 kaum relevant: 50 Prozent können darauf verzichten, wie sie angaben. Bei den Jüngeren (zwischen 18 und 24 Jahren) sind es dagegen nur 27 Prozent, die es missen könnten. In der Altersgruppe 25 bis 34 Jahre sind es sogar nur 24 Prozent
„Früher warben alle Streamer mit Masse: 20, 30, 40 Millionen Songs für zehn Euro im Monat“, sagt Deezer-Manager Michael Krause. Doch die schiere Quantität überfordert viele Nutzer. Also suchen die Anbieter nach Wegen, die Musik zielgruppengenauer an die Hörer zu bringen.
Der Algorithmus Flow analysiert bei Deezer die bestehenden Musiksammlungen in den Kunden-Accounts und vergleicht sie mit den privaten Playlisten anderer Kunden. „Bei vielen Übereinstimmungen schließt Flow auf gemeinsame Vorlieben und schlägt die Songs aus der jeweils anderen Playlist vor“, sagt Krause – ähnlich wie Amazons Algorithmus, wonach „Kunden, die dieses Kinderbuch mögen, auch diese Windeln kauften“.