Fabian Stich verkauft Erinnerungen an Abenteuer, Adrenalin, Luxus. Er macht aus Buchhaltern Bungee-Jumper und aus braven Hausfrauen lüsterne Mordkomplizinnen. Action gegen Bares ist das Geschäftsmodell von Eventvermittler mydays.de. 106 Meter Brücken-Bungee am Vorarlberg: 99 Euro, Krimidinner für zwei im Hamburger Restaurant Alster Au: 59 Euro.
Derweil sind Mydays-Geschäftsführer Stich selbst und sein neuer Kompagnon, der ProSieben-Manager Jörg Trouvain, auf einem Adrenalintrip der besonderen Art: der Jagd auf Marktführer Jochen Schweizer.
Penetranter Verkäufer
Das Duo greift mit einem millionenschweren TV-Werbebudget an, wirbt mit ersten eigenen Läden um Laufkundschaft und grätscht beim stark wachsenden Geschäft mit Firmenkunden rein. Doch reicht das, um Schweizer im rund 500 Millionen Euro schweren Markt für Erlebnisgeschenke in Deutschland zu entthronen? Die Drohkulisse ist gewaltig. Seit 2013 ist das 2003 gegründete Unternehmen Mydays Teil der ProSiebenSat.1-Gruppe. Daher flimmert seit Oktober gefühlt jede Viertelstunde der Mydays-Kundenberater über den Bildschirm.
Er mimt hysterisches Giggeln über freudiges Glucksen bis hin zur bebenden Unterlippe, bis der Kunde ruft „Das will ich!“ und der Verkäufer einen Erlebnisgutschein überreicht, der beim Beschenkten zu solch überschäumender Dankbarkeit führen soll. Stichs Wachstumsstrategie ist simpel: Er will all das, was Schweizer längst hat.
Erstens: stationäre Shops. Schweizer hat bereits 39. Ob die sich alle rechnen, zweifeln Brancheninsider an, doch seine Bekanntheit haben die Läden enorm gesteigert. Mydays experimentiert derzeit mit einem temporären Pop-up-Store in Berlin. Eigene stationäre Shops könnten folgen.
Zweitens: Firmenkunden. Bei Jochen Schweizer hat die Sparte Corporate Solutions gerade eine neue Büroetage bezogen. Das Geschäft boomt. Trouvain und Stich wollen Arbeitgebern daher ebenfalls Mitarbeitermotivation mittels „außergewöhnlicher Erlebnisse“, etwa Betriebsausflügen, anbieten. Co-Geschäftsführer Trouvain zielt dabei auf Synergien innerhalb der Pro-Sieben Travel-Sparte ab.
Der ärgste Konkurrent bleibt gelassen
Drittens: größere Produktpalette. „Wir wollen das Thema Geschenke deutlich breiter denken“, verklausuliert Stich. Der ehemalige Finanzchef will Geschenke zum Anfassen verkaufen. Ob das eher Parfüm oder der Bademantel fürs Wellnesswochenende sein wird, will er noch nicht sagen.
„Mydays trifft den Geschmack der hauptsächlich weiblichen Zielgruppe“, sagt Christian Bücherl, der die Metasuchmaschine erlebnisgeschenke.de betreibt.
Reichweite und Bekanntheit dürften, so Bücherl, schnell wachsen, wenn ProSieben weiter für werbewirksame Kooperationen in der Senderfamilie sorgt. So beschenkte Mydays als Sponsor bereits „Germany’s Next Topmodel“. „Der Abstand zu Jochen Schweizer wird weiter schrumpfen“, erwartet Bücherl. Mydays-Chef Stich sagt über die TV-Werbung, sie habe „als Umsatzhebel meine Erwartungen weit übertroffen“. Konkreter wird er nicht. 50 Millionen Umsatz bis Ende 2015 lautet das 2013 kommunizierte Ziel.
Jochen Schweizer knackt 70-Millionen-Euro-Marke
Seit dem Einstieg von ProSieben nennen die Chefs keine Zahlen mehr. Schweizer dagegen hat bereits die 70-Millionen-Euro-Marke geknackt. Trotz der TV-Offensive dürfte Mydays im Zweikampf mit Schweizer den Kürzen ziehen. Bücherl beobachtet, dass Mydays’ penetrante Werbung auch aufs Konto der Konkurrenz einzahlt: Jochen Schweizer hatte 2014 das beste Jahr seiner Geschichte.
Zudem ist er über die Frage „Was schenke ich?“ längst hinaus und fragt: „Was mache ich morgen?“
Wer freitags noch keine Pläne fürs Wochenende hat, kann spontan mobil eine Massage, eine Quad-Tour oder eine Höhlenwanderung buchen – mit Zeit und Ort. Das kann bisher nur Schweizer. Sein nächstes Großprojekt startet im April. Gemeinsam mit Airbus baut er in Taufkirchen bei München eine Erlebniswelt mit Windtunnel, stehender Surf-Welle und einem Hochseilklettergarten.
Mydays’ Expansionsplänen sieht er aufmerksam, aber gelassen entgegen. „Authentizität wird sich durchsetzen“, sagt Schweizer. „Wir ändern gar nichts.“