Nach Air-Berlin-Aus Das Airline-Monopoly nimmt Fahrt auf

Air Berlin ist vom Himmel verschwunden, die Lufthansa fliegt Rekordgewinne ein. Zurücklehnen kann sich der „nationale Champion“ aber nicht - denn noch kann die Übernahme an Brüssel scheitern.

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Der Markt der Fluggesellschaften ist noch immer zersplittert. Quelle: dpa

Deutschlands einst zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin ist Geschichte - doch das Airline-Monopoly nimmt weiter Fahrt auf. Die Konzentration wird nach der bislang größten Pleite einer europäischen Fluglinie weitergehen, sind sich Firmenchefs und Branchenexperten einig. Denn der Markt ist immer noch extrem zersplittert. Mehr als 160 Gesellschaften tummeln sich an Europas Himmel, und längst nicht jede hat eine eigenständige Zukunft, sagt etwa der erfahrene Airline-Berater Gerd Pontius.
Noch ist unklar, ob Air Berlin tatsächlich wie geplant zwischen Easyjet und Lufthansa aufgeteilt wird. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist offenbar nicht gewillt, den Lufthansa-Deal zur Übernahme der Air-Berlin-Töchter LG Walter und Niki unverändert durchzuwinken. Besonders auf den österreichischen Ferienflieger Niki haben auch Thomas Cook (Condor) und IAG (British Airways, Iberia, Vueling) ein Auge geworfen - und in Brüssel viele Zweifel gesät.
Die Lufthansa hat an diesem Donnerstag ein Entgegenkommen angeboten, um die wettbewerbsrechtlichen Vorbehalte zu zerstreuen. Man wolle an großen Flughäfen wie Berlin oder Düsseldorf Start- und Landrechte abgeben, um dort Konkurrenzangebote zu ermöglichen, berichtete eine mit den Unterlagen vertraute Person.

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Air Berlin war 2017 nicht das einzige Unternehmen in starken Turbulenzen. Die britische Monarch musste von einem Tag auf den anderen aufgeben, weil ihr nicht der Staat beiseite gesprungen ist. Die Slots von Monarch gingen an IAG und den aufstrebenden Billigflieger Wizz aus Ungarn. Der einst so stolzen Staatslinie Alitalia droht im kommenden Jahr trotz massiver Staatshilfe eine ähnliche Zerschlagung wie der Air Berlin. Auch in Rom hat die Scheich-Airline Etihad die finanzielle Unterstützung eingestellt.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr wurde unter anderem wegen des frühzeitig eingefädelten Air-Berlin-Deals zum „Manager des Jahres“ gewählt. Gleichzeitig hat er Tariffrieden mit seinen dauerstreikenden Piloten geschlossen und die belgische Brussels Airlines geräuschlos in den Konzern integriert.

Falls die EU-Kommission das Air-Berlin-Geschäft doch noch vor Weihnachten kartellrechtlich abnickt, hat Spohr sich einen großen Teil des nationalen Konkurrenten samt der wichtigen Flugrechte gesichert - ohne die hohen Schulden und das vergleichsweise gut bezahlte Personal übernehmen zu müssen. Selbst ein Teil-Übernahmeverbot für die Niki könnte der Kranich verkraften und sich die Flugrechte auf anderen Wegen sichern.
Dass sich Piloten und Flugbegleiter von Air Berlin neu bei der Lufthansa-Tochter Eurowings bewerben müssen, um ihre alten Flugzeuge zu schlechteren Konditionen weiter zu fliegen, hat die Gewerkschaften nachhaltig empört. Mindestens für das Personal scheinen die goldenen Zeiten der Luftfahrt vorbei zu sein, während sich die Lufthansa-Aktionäre auf einen weiteren Rekordgewinn freuen dürfen. Und die Passagiere zahlen vorläufig Höchstpreise für ihre Tickets, weil viele Air-Berlin-Jets bis zur Entscheidung aus Brüssel am Boden bleiben müssen.

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