Nahverkehr Warum Bus- und Bahnfahren überall teurer wird

Deutschlandweit erhöhen die Verkehrsbetriebe aktuell wieder ihre Preise - und geben dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Schuld. Dreiste Abzocke oder Kampf ums Überleben?

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Der Preis für eine Fahrkarte steigt immer weiter. Quelle: ZBSP

Plus 3,8 Prozent im Ruhrgebiet, 3,45 Prozent rauf in Frankfurt, und in Köln und Umgebung wird es um 2,8 Prozent teurer. Bundesweit kündigen derzeit die Verkehrsverbünde Preiserhöhungen im Nahverkehr ab Januar 2015 an. Der durchschnittliche Ticketpreis steigt nahezu überall in Deutschland. Die Fahrgäste stöhnen und die Betreiber liefern allerorts die gleichen Begründungen.

Insbesondere das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz stößt der Branche sauer auf. Bislang waren viele Verkehrsunternehmen von der Umlage befreit oder zahlten wenig. Nun werden vor allem große Schienenunternehmen mit hohem Stromverbrauch stärker zur Kasse gebeten. Das trifft die Deutsche Bahn, aber zum Beispiel auch die Straßen- und U-Bahnen in großen Städten, die kommunalen Verkehrsbetrieben zugeordnet sind.

Die Betriebe klagen über die zusätzlichen Aufwendungen. „Mehrkosten in einer Größenordnung von rund 70 Millionen Euro pro Jahr sind für die Branche nicht zu schultern, wir sind gezwungen diese Belastung an die Kunden weiterzugeben“, erklärte etwa der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Jürgen Fenske.

Beispiel Ruhrgebiet: Dort rechnet der Verkehrsverbund-Rhein-Ruhr (VRR) damit, dass seine Ökostromkosten um bis zu sieben Millionen Euro steigen werden. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund um Frankfurt geht von zusätzlichen Energieausgaben in Höhe von etwa 4,5 Millionen Euro aus.

Verluste in Milliardenhöhe
Zusätzlich zu den höheren Energiepreisen sind aufgrund neuer Tarifabschlüsse die Personalkosten gestiegen. Die Wirtschaftlichkeit des ÖPNV wird durch die teils marode Infrastruktur aber noch stärker belastet. Weil viele klamme Kommunen lange nicht investiert haben, müsste das Netz mancherorts sogar grundsaniert werden. Schon die Instandhaltung des Schienennetzes verschlingt Unsummen.

Der öffentliche Nahverkehr ist traditionell ein Minusgeschäft. Drastisches Beispiel: Die Ruhrgebiets-Stadt Mühlheim kann die Kosten des ÖPNV nur zu 50 bis 60 Prozent aus den Fahrgasteinnahmen decken. Das ist nach einer Umfrage der WirtschaftsWoche aus dem Winter einer der schlechtesten Werte in Deutschland. Im Durchschnitt liegt der Kostendeckungsgrad laut VDV bei 77,1 Prozent.

Bundesweit türmt sich so ein Milliardenverlust durch die kommunalen Verkehrsbetriebe auf. Ausgleichen muss die Verluste die öffentliche Hand. Deshalb wächst vielerorts der Druck auf die Verkehrsbetriebe. Neben Preiserhöhungen reagieren sie mit Einsparungen bei Personal und Fahrzeugen sowie geringeren Fahrfrequenzen.

Keine Kontrolle
Wie die Kommunen diese Lücke ausgleichen, bleibt allerdings grundsätzlich ihnen überlassen. „Die Nahverkehrspreise sind stark politisch beeinflusst und weniger an den tatsächlichen Kosten orientiert, als Preise auf funktionierenden Märkten“, kritisiert Volkswirt Alexander Steinmetz von der Monopolkommission gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". „Daher ist es denkbar, dass Kommunen die Preise weniger stark oder gar nicht erhöhen.“ Das Defizit müssten dann profitable kommunale Betriebe wie die Müllentsorgung, Energie-, oder Wasserbetriebe ausgleichen.

Andererseits sei es aber auch möglich, die steigenden Stromkosten zum Vorwand zu nehmen. „Dann würden die Fahrkartenpreise mehr erhöht, „als dies durch steigende Energiepreise gerechtfertigt wäre“, so Steinmetz. Der Volkswirt bemängelt, dass die Verkehrsbetriebe keiner wirksamen Kontrolle unterliegen und die Preise frei festlegen können. Zugleich gebe es aber kaum Anreize für sie, möglichst effizient zu wirtschaften.

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