Netflix in Grafiken Der Aufstieg des Streaming-Giganten

In 190 Ländern ist Netflix mittlerweile verfügbar, die Zahl der Abonnenten ist auf 75 Millionen gestiegen. Der Video-Dienst eilt von Rekord zu Rekord. Was hinter dem Phänomen steckt – und wo es hakt.

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Netflix-Chef Reed Hastings Quelle: AP

Verändert ein Unternehmen die Beischlafgewohnheiten ganzer Bevölkerungsgruppen, sollte man es ernst nehmen. Während man dem Partner früher nur schnell die Plattensammlung zeigen wollte, laden junge Amerikaner heute zum Serienschauen via Netflix ein. In den USA ist "Netflix and chill" zum gängigen Code für Sex geworden.

Auch abseits der Schlafzimmer ist der Einfluss des US-Unternehmens nicht zu leugnen. Netflix eilt von einem Rekord zum nächsten. Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, nutzen mittlerweile rund 75 Millionen Kunden weltweit das Angebot. Allein im vergangenen Quartal kamen 5,59 Millionen hinzu. Der Konzernumsatz kletterte auf 1,82 Milliarden Dollar. Und das steckt hinter dem Erfolg:

Die Netflix-Idee

Netflix wurde mit Dingen groß, die heute beinahe anachronistisch wirken: DVDs und Briefumschläge. 1997 gründeten Reed Hastings und Marc Rudolph einen Online-Filmverleih. Als in den Nuller-Jahren der Aufstieg des Internets und das Sterben der Videotheken begann, sattelten die Unternehmer um. 2007 begann Netflix damit, seinen Abonnenten Filme im Netz zur Verfügung zu stellen. Für 8,99 Euro monatlich haben Kunde heute Zugriff auf tausende Produktionen. Wer will, schaut die ganze Staffel einer Serie am Stück – ohne ein einziges Mal durch Werbung unterbrochen zu werden.

Seit Netflix vor acht Jahren an den Start ging, ist es zur festen Größe in Amerika geworden. Zur besten Sendezeit verursachen Musik- und Film-Streamingdienste in den USA bereits 70 Prozent des gesamten Datenvolumens im Festnetz-Internet, hat der Netztechnikanbieter Sandvine errechnet. Netflix macht den Löwenanteil aus.

Und die Rechnung dürfte auch in Zukunft aufgehen. Marktforscher erwarten weltweit steigende Umsätze und Marktanteile der Videodienste im Web. Als Wachstumstreiber gelten dabei klar die Abo-Angebote. Einzelkäufe und klassische Downloads verlieren im Vergleich an Bedeutung.




Die Verbreitung von Netflix

Nach den ersten Erfolgen in den USA begann Netflix Chef Hastings mit der Expansion. Auf Kanada folgte Südamerika, schließlich die wichtigsten europäischen Märkte. Bis Ende 2015 war der Netflix-Kosmos auf 69 Millionen Kunden in rund 60 Ländern angewachsen.

Das neue Jahr läutete der Dienst dann mit einem Paukenschlag ein: dem Start des Angebots in 130 weiteren Ländern rund um den Globus. Theoretisch hat der Dienst nun rund 5,5 Milliarden potentielle Kunden. Einzig China als wichtiger Markt fehlt noch.


Die Netflix-Nutzer und das Geschäft


Die Nutzer

Beliebt ist Netflix vor allem bei jungen Menschen. Die es gewohnt sind, Videoclips bei Youtube anzuschauen. Die nie verstanden haben, warum sich die ganze Familie um 20.15 Uhr für einen Spielfilm vor dem Fernseher versammelt. Die wollen, das sich ihr Medienkonsum nach ihrem Zeitplan richtet – nicht umgekehrt. Die Serien und ganze Filmreihen gerne an einem Abend schauen, nicht über Wochen verteilt.

Aus diesen Gründen kehren auch ältere Zuschauer dem klassischen TV-Angebot immer häufiger den Rücken. In den USA gibt es bereits einen Begriff dafür: Cord cutting. Rund 1,3 Millionen Amerikaner haben allein im zweiten Halbjahr 2015 ihren Kabelanschluss gekündigt.


Das Geschäft

Mit den Kunden kommt der Umsatz. Die Netflix-Einnahmen sind in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Der Gewinn bleibt im Gegensatz dazu stabil. Nicht nur die Expansion in neue Märkte und das Aufstocken der IT-Infrastruktur kosten.

Für die Serien und Filme der Studios fallen hohe Lizenzgebühren an. Immer stärker investiert Netflix zudem in Eigenproduktion wie "Narcos", "Daredevil" und "Jessica Jones". 2016 sollen 31 Serien sowie zwei Dutzend Filme und Dokumentationen veröffentlicht werden, darun


Die Konkurrenz

Der Marktpionier ist längst nicht mehr allein. Schon auf dem Heimatmarkt USA ringt Netflix mit Anbietern wie Hulu und den Online-Videotheken der großen Sender um die Aufmerksamkeit der Kunden. In Deutschland sind mit Watchever, Maxdome, oder Sky ebenfalls unterschiedliche Konkurrenten vertreten.


Die beliebtesten Video-on-Demand-Anbietern in Deutschland

Ein weltweit ernstzunehmender Gegner ist Amazon Instant Video. Im Kampf um Zuschauer führt der Riese seine ganze Schlagkraft ins Feld: Amazon bietet Filme und Serien sowohl zum Einzelkauf als auch gegen eine Monatsgebühr. Teilnehmer des Amazon-Prime-Programms können vieles davon gleich kostenlos sehen.

Und auch der einstige Onlinehändler setzt mittlerweile auf selbstproduzierte Serien. Die finden nicht nur beim normalen Publikum sondern auch bei Kritikern Anklang.

Zusätzlicher Vorteil: Amazon erlaubt das Herunterladen der Serien und Filme – und ist damit ich auf Reisen verfügbar.

Die beiden Internetgiganten Apple und Google lassen sich die Filme in ihren Online-Videotheken bezahlen. Noch, muss es wohl heißen. Auch ins Geschäft sind die beiden Giganten erst mit einiger Verzögerung eingestiegen.

Probleme und Entwicklung der Netflix-Aktie


Die Aktie

Überzeugt vom Potential des Streaming-Anbieters, schlagen Aktionäre zu. 2015 verdoppelte die Aktie ihren Wert. Die Ankündigung, bald nahezu in der ganzen Welt zu streamen, ließ den Netflix-Kurs zu Beginn des Jahres weiter steigen. Nur wenig später folgte jedoch ein überraschender Knick.  

Der Kursverlauf der Netflix-Aktie



Die Herausforderungen

Unter Analysten und Branchenbeobachtern wachsen die Befürchtungen, dass Netflix Aufstieg nicht in diesem Tempo halten kann. In den USA lässt die Wachstumsgeschwindigkeit bereits nach. Ein Grund: Neue Konkurrenz wie Amazon erschwert den Kampf um Kunden. Sie beeinflusst auch das Geschäft mit dem wichtigsten Rohstoff der Branche – den Inhalten wie TV-Serien, die Zuschauer anlocken.

Zusätzliche Anbieter machen es nicht nur schwerer, sich inhaltlich abzugrenzen. Auch die Verhandlungen um den Zuschlag für neue Serien werden härter. Netflix ist auf den Kauf globaler Rechte aus – aber die Studios sind es gewohnt, die Lizenzen in einzelne Regionen zu verkaufen und so an mehreren Stellen Geld zu machen. Netflix löst das brachial über den Preis: "Wir müssen mehr Geld bieten", sagt Hastings. "Wenn wir nur genauso viel bieten, werden sie keine Deals mit uns machen."

Netflix hat dafür ein Einkaufsbudget von fünf Milliarden Dollar in diesem Jahr und es werde weiter steigen, sagt Hastings. Die Preise gehen hoch. Um mit Netflix mitzuhalten, tun sich Sender zum Teil bereits zusammen.

Bleibt noch das Drehen eigener Produktion. Ein durchaus riskantes Spiel. Zwar muss sich Netflix nicht allzu sehr an Quoten orientieren und kann für mehr Eigenständigkeit auch mal Neues wagen. Die hohen Produktionskosten schlagen dennoch ins Kontor. Allzu viele Flops kann sich der Dienst also kaum erlauben. Umso bedachter ist der Netflix darauf, den Geschmack seines Publikums zu treffen.

Bei der Inhalte-Auswahl setzt Netflix auf eine Mischung aus Daten-Auswertung und das Bauchgefühl von Programmchef Ted Sarandos. Netflix weiß nicht nur, welche Sendungen populärer sind, sondern auch, an welcher Stelle eine Serie Zuschauer eventuell aussteigen oder gar nicht mehr aufhören können, weiterzuschauen.

Diese Einblicke trugen auch dazu bei, dass Komödien-Star Adam Sandler für mehrere Filme verpflichtet wurde. Der erste davon, die Western-Parodie "The Ridiculous 6", wurde von den Kritikern zwar zerrissen. Laut Netflix selbst ist der Film aber erfolgreicher als jeder andere zuvor.

Mit Material von dpa.

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