NS-Geschichte "Bei der Lufthansa kann noch Belastendes auftauchen"

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Bildband mit herausnehmbarer Studie

Erstmal ging das Kalkül auf. Doch dann wurden Sie vom Blessing Verlag gebeten, ein Buch über die Geschichte der Lufthansa zu schreiben.

Als die Lufthansa Anfang dieses Jahres merkte, dass mein Buch erscheinen wird, entschied sie sich Hals über Kopf, den 2001 konzipierten Bildband jetzt herauszubringen und meine damals verfasste Studie als separates Heft beizufügen. Die Angst bei der Lufthansa war groß, dass mein Buch schlimme Enthüllungen enthält und dann öffentlich diskutiert wird, dass die Lufthansa sich 15 Jahre lang geweigert hat, meine Studie zu veröffentlichen. Der Bildband kam schließlich ein paar Tage vor meinem Buch auf den Markt.

Wer nur die schönen Seiten der Lufthansa im Regal stehen haben möchte, kann Ihre Studie aus dem Bildband einfach herausnehmen. Das dunkle NS-Kapitel zum rausschütteln und wegwerfen – respektloser kann man mit dem Thema eigentlich nicht umgehen.

Dass die Lufthansa die Zwangsarbeiter-Studie nicht integriert, sondern separiert veröffentlicht, ist in der Tat eine Steilvorlage für Kritiker. Es zeigt, dass die Lufthansa einfach nicht weiß, wie sie mit der Sache angemessen umgehen soll. Sie kennt ihre Geschichte nicht. Deshalb sieht sie das NS-Thema immer noch als potenzielle große Gefahr für das Firmenimage. Niemand im Konzern verfügt über die Kompetenz eine sachliche Haltung zu seiner Geschichte zu formulieren. Die Furcht vor Enthüllungen, die möglicherweise noch irgendwo lauern, ist deshalb so groß.

Was könnte denn noch kommen?

Als ich 2000 im Lufthansa-Archiv recherchierte bin ich zufällig auf Unterlagen gestoßen, die belegen, dass die Lufthansa am Flughafen Tempelhof in Berlin Juden aus dem sogenannten geschlossenen Arbeitseinsatz einsetzte. Das NS-Regime stellte Unternehmen seine Opfer quasi als Leiharbeiter zur Verfügung, lange bevor die ersten ausländischen Zwangsarbeiter eintrafen. Das war im Fall der Lufthansa neu und noch nicht erforscht. In diesem Sinne kann natürlich immer noch mal etwas Belastendes auftauchen. Allerdings konnte ich für das neue Buch nur zwei Tage lang im Lufthansa-Archiv forschen.

Warum nur zwei Tage?

1999 und 2000 hatte ich bei der Arbeit für die erste Studie sehr viel mehr Zeit. Für das neue Buch aber war nach zwei Tagen Schluss. Die Archivarin kam und sagte, das Archiv sei ab sofort nur noch für Lufthansa-Mitarbeiter zugänglich.

Man hat Sie aus dem Archiv geschmissen?

Die Interpretation des Geschehens überlasse ich anderen. Tatsache aber ist, dass ich nach zwei Tagen gehen musste.

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