Nürburgring Beck wird die Geister nicht mehr los

Erst 2010 präsentierte Rheinland-Pfalz die privaten Ring-Betreiber als Hoffnungsträger. Dann kündigte das Land ihnen den Pachtvertrag für Rennstrecke und Gebäudekomplex. Die Folge ist ein rechtliches Chaos.

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Das Luftbild zeigt den Neubaukomplex des Projekts Nürburgring Quelle: dpa

Es sollte ein Befreiungsschlag werden.

Nach jahrelangen Skandalen rund um die laut Eigenwerbung „bekannteste Rennstrecke der Welt“ kündigte die rot-grüne Landesregierung in Mainz am vergangenen Dienstag den privaten Ring-Betreibern ihren im Mai 2010 in Kraft getretenen Pachtvertrag. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) will zwei Düsseldorfer Unternehmer, die er der staunenden Öffentlichkeit vor 20 Monaten als Hoffnungsträger präsentierte, nun wieder loswerden.

Doch statt Klarheit herrscht nun Chaos. Die Ring-Pächter räumen nicht das Feld, sondern wollen bis 2040 weitermachen. Ob das Land sie wirklich vor die Tür setzen kann, ist offen. Zwischen den Stühlen sitzen nun Mitarbeiter und Nürburgring-Geschäftspartner, die nicht mehr wissen, wer jetzt am Ring das Sagen hat.

Bildergalerie: Problembauten am Nürburgring

Problembauten am Nürburgring
Freizeit-, Gastronomie- und Hotelkomplex
Ring-Racer
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Grüne Hölle
Hotels

Auslöser des Trennungsversuchs ist ein Disput um die Mindestpacht von 11,5 Millionen Euro für 2012 und 15 Millionen Euro ab 2013. Die sollten die bisherigen Pächter zahlen: der Düsseldorfer Projektentwickler Kai Richter und der Hoteliers-Sohn Jörg Lindner mit ihrer Nürburgring Automotive GmbH (NAG). Sie wollen die Pacht aber mit einer umstrittenen Forderung gegen das Land verrechnen.

Der Riss geht aber viel tiefer. Richter und Lindner wollen Teile der Einrichtungen im Winter dichtmachen, weil sie sich nicht rechnen. Unter anderem dadurch würden rund 100 von 340 Ring-Arbeitsplätzen wegfallen.

Die Ring-Bauten aber sind Becks Baby. Den Gebäudekomplex an der Rennstrecke mit Ladenpassage, Veranstaltungshalle, Indoor-Freizeitpark, Disco, Kino, Kartbahn, Achterbahn, zwei Hotels und sieben Restaurants hatte die Regierung des früheren SPD-Chefs 2007 als Großprojekt Nürburgring 2009 angeschoben, um den Ring aus den roten Zahlen zu führen. Dafür hatte Beck eine Kostenexplosion von 150 auf 330 Millionen Euro hingenommen.

Juristische Hängepartie

Doch die Geister, die er rief, wird Beck so leicht nicht los. Die Düsseldorf wollen sich juristisch gegen die Kündigung wehren, prüfen „Schadensersatzklagen in beträchtlicher Höhe“ und bestehen auf Vertragserfüllung „bis 2040“. Die Landesregierung „muss einen absolut stichhaltigen Grund für eine außerordentliche und sofort wirksame Trennung von den Geschäftspartnern liefern“, warnt CDU-Fraktionsvize Alexander Licht.

Sonst könnten die Pächter um eine Abfindung pokern. Die Frage ist, wie der Nürburgring eine juristische Hängepartie zwischen Politik und Pächtern übersteht. „In der Belegschaft herrscht große Unsicherheit“, sagt NAG-Betriebsratschef Heinz Hoffmann. Auch Geschäftspartner sind verunsichert.

„Jedes Geschäft mit der NAG ist jetzt ein Risiko, wenn der Pachtvertrag wirksam beendet wurde“, sagt der Kölner Anwalt Dieter Frey. Frey vertritt den Verein „Ja zum Nürburgring“, dem unter anderem wichtige ADAC-Regionalclubs angehören. Der ADAC selber ist der einzige Nutzer des Rings, der eine Patronatserklärung des Landes besitzt.

Es wird teuer für den Steuerzahler

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck Quelle: APN

Diese stellt sicher, dass bei einer Pleite der NAG die öffentliche Nürburgring GmbH für alle Kosten geradesteht. Zudem ist der ADAC der einzige Nutzer, der bei Veranstaltungen wie dem 24-Stunden-Rennen nicht in Vorkasse tritt. Die NAG schrieb ihren Geschäftspartnern, alle Verträge seien gültig und Zahlungen an sie zu entrichten.

„Wir werden unseren Mietvertrag weiter erfüllen“, sagt Kirstin Schmitz von Nissan Deutschland, dem Betreiber eines Sportwagen-Shops im Ringboulevard. Skeptisch ist hingegen Gudrun Pauli, Geschäftsführerin von Scuderia Hanseat. Einen Tag bevor die Vertragskündigung publik wurde, hat die Hamburger Renn-Fahrschule zwei Sportfahrer-Lehrgänge mit der NAG vereinbart.

Ring kostet über 20 Millionen Euro pro Jahr

50 Prozent der sechsstelligen Rechnung sind im Voraus zu bezahlen, sobald die NAG das Geschäft bestätigt. Pauli will nun klären lassen, ob sie das Geld über eine abgesicherte Überweisung auf ein Notar-Anderkonto oder via Bankbürgschaft der NAG absichern muss. Auch Bernie Ecclestone gerät zwischen die Fronten. Über Grand-Prix-Rennen von 2013 an will nun Innenminister Roger Lewentz mit dem Formel-1-Boss verhandeln.

Er fühlt sich jetzt zuständig – die NAG-Bosse aber auch. Egal, was die Landesregierung macht: Teuer wird es. Mit rund zehn Millionen Euro müsste sie auch bei neuen Verträgen jedes Formel-1-Rennen subventionieren
– oder auf das Aushängeschild des Motorsports verzichten.

Und soeben offenbarte der Landesrechnungshof, was der Zinsdienst für Becks Ring-Bauten tatsächlich kostet: über 20 Millionen Euro pro Jahr – zu zahlen allein vom Steuerzahler, solange der Nürburgring-Betrieb nichts abwirft.

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