Nürburgring-Desaster Eine Blamage für alle Beteiligten

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Gerichtsvollzieher bei Getspeed

Auch an der Zahlungsmoral von Getspeed werden Zweifel laut. Das Unternehmen um Hauptgesellschafter Axel Heinemann – einen früheren Partner der Boston Consulting Group – sitzt ebenfalls in Meuspath im Gewerbegebiet und betreut unter anderem Rennfahrer, die ihre Autos dort für die Rennen vorbereiten lassen können.

Erst im September erhielt auch Getspeed unangenehmen Besuch: Ein Handwerker aus der Region hatte den Gerichtsvollzieher vorbei geschickt, um eine offene Rechnung einzutreiben. Die Forderung, die er erst mit Hilfe des Gerichtsvollziehers beglichen bekam, betrug vergleichsweise lächerliche 4500 Euro. Entsprechende Dokumente liegen der WirtschaftsWoche vor.

Das Nürburgring-Desaster

Getspeed bestätigte den Vorgang ebenfalls, möchte „die Angelegenheit in der Presse aber nicht weiter kommentieren“. In Unternehmenskreisen ist von „einer Verkettung unglücklicher, sehr ärgerlicher Missverständnisse die Rede“. Der Handwerker ist unterdessen immer noch verärgert: Neben der inzwischen eingetriebenen Forderung von rund 4500 Euro hat das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler im Juni dieses Jahres entschieden, dass Getspeed auch Verfahrenskosten in Höhe von knapp 1200 Euro zahlen muss. Auf diese warte er bislang ebenfalls vergeblich, teilte der Handwerker der WirtschaftsWoche mit, auch hier sei die Vollstreckung beantragt.

Warten auf die zweite Kaufpreisrate

Der Nürburgring kommt aus den Turbulenzen einfach nicht raus. Im Juli 2012 hatte die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH Insolvenz angemeldet, rund eine halbe Milliarde Euro hat die SPD-geführte Regierung in den zurückliegenden Jahren dort versenkt. Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser und Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt beschlossen, den Ring zu verkaufen.

Am 11. März vergab der Gläubigerausschuss den  Zuschlag an Capricorn und Getspeed, für einen offiziell ausgewiesenen Kaufpreis in Höhe von 77 Millionen Euro. Hauptbestandteile: Eine Fremdkapitalfinanzierung in Höhe von 45 Millionen Euro über die Deutsche Bank und ein Eigenkapitalanteil von 15 Millionen Euro, zahlbar in drei Raten zu je fünf Millionen Euro Ende März, Ende Juli und Ende Dezember.

Capricorn Robertino Wild hatte mit Anteilen von zwei Dritteln das Sagen in der Käufergesellschaft, Getspeed war mit einem Drittel Juniorpartner. Die erste Rate von fünf Millionen Euro – aufgebracht von Getspeed – war noch gezahlt worden, doch schon bei der zweiten, Ende Juli fälligen Rate, begannen die Schwierigkeiten.

Als sie bis Mitte August nicht eingegangen war, verlängerte Sachwalter Lieser das Zahlungsziel rückwirkend bis zum 31. Oktober dieses Jahres. Ohne Zustimmung des Gläubigerausschusses, die laut Liesers Sprecher nicht erforderlich war. Für den Aufschub ließ sich Lieser Sicherheiten stellen, unter anderem Pfandrechte auf die private Kunstsammlung von Capricorn-Chef Wild.

Kunstsammlung doppelt verpfändet

Doch Lieser – der als Sachwalter in der persönlichen Haftung ist – griff daneben, wie sich mittlerweile herausgestellt hat: Die Kunstsammlung war zu diesem Zeitpunkt bereits verpfändet. Dies berichtete die Koblenzer „Rhein-Zeitung“ am Montag, diese Information haben die Insolvenzverwalter wie auch Wild auf Nachfrage bestätigt.

„Hierzu habe ich mich vom Verkäufer nötigen lassen, mein Fehler. Aber was machen Sie, wenn man Ihnen die geladene Pistole an den Kopf hält?“, teilt Wild mit. Konsequenz: Wild musste seine Anteile von zwei Dritteln an der Käufergesellschaft auf einen Treuhänder übertragen. „Ich bin leider Opfer meiner Naivität geworden, und dafür werde ich nun die Verantwortung übernehmen“, sagt Wild. Bedeutet konkret: Er versucht nun, neue Geldgeber aufzutreiben.

Schon für den Zuschlag hatte Wild im März umfangreiche Sicherheiten stellen müssen, darunter eine Briefgrundschuld auf seine Villa in bester Lage des Düsseldorfer Nobelstadtteils Oberkassel mit direktem Blick auf den Rhein. Doch Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser und Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt stellten später fest, dass zuvor bereits andere Grundschulden auf die Villa im Grundbuch eingetragen worden waren. Auch diese Information bestätigten die Insolvenzverwalter auf Nachfrage über ihren Sprecher. Die Grundschuld sei lediglich im dritten Rang eingetragen.

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