Auch an der Zahlungsmoral von Getspeed werden Zweifel laut. Das Unternehmen um Hauptgesellschafter Axel Heinemann – einen früheren Partner der Boston Consulting Group – sitzt ebenfalls in Meuspath im Gewerbegebiet und betreut unter anderem Rennfahrer, die ihre Autos dort für die Rennen vorbereiten lassen können.
Erst im September erhielt auch Getspeed unangenehmen Besuch: Ein Handwerker aus der Region hatte den Gerichtsvollzieher vorbei geschickt, um eine offene Rechnung einzutreiben. Die Forderung, die er erst mit Hilfe des Gerichtsvollziehers beglichen bekam, betrug vergleichsweise lächerliche 4500 Euro. Entsprechende Dokumente liegen der WirtschaftsWoche vor.
Das Nürburgring-Desaster
Die legendäre Rennstrecke in der Eifel ist für ihre Eigentümer seit Jahren ein Millionengrab. Die Nürburgring GmbH – sie gehört zu 90 Prozent das Land Rheinland-Pfalz und zu zehn Prozent der Landkreis Ahrweiler – ist seit 2006 bilanziell überschuldet und kann sich nur dank immer neuer Landes-Millionen über Wasser halten. Haupt-Verlustbringer ist die Formel 1, die von 2003 bis 2009 ein Loch von 55 Millionen Euro in die Kasse riss. Für das Rennen 2011 kalkuliert das Land mit einem Minus weiteren 13,5 Millionen Euro. Der Landesrechnungshof geht von höheren Kosten aus.
Um aus den Miesen zu kommen, wollten der damalige Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz (SPD) und die damalige SPD-Alleinregierung von Kurt Beck mit dem riesigen Erlebnispark „Nürburgring 2009“ zusätzliche Besucher anlocken. Die Einnahmen sollten die Verluste aus der Formel 1 decken. Der Park besteht aus zwei Bauabschnitten: Die Nürburgring GmbH baute ein Erlebniszentrum mit Rennsportmuseum (Ringwerk), eine Achterbahn, eine überdachte Shoppingmeile (Boulevard) sowie zwei Veranstaltungshallen. Der zweite Abschnitt, entwickelt von Kai Richters Firma Mediinvest, umfasst zwei Hotels mit Personalwohnhaus, einen Ferienpark und das Eifeldorf „Grüne Hölle“, in dem sich eine Disco und diverse Restaurants befinden.
Die Baukosten stiegen von ursprünglich geplanten 215 auf 330 Millionen Euro. Der erste Bauabschnitt sollte zur Hälfte, der zweite komplett privat finanziert werden. Bei der Suche nach Investoren für den ersten Bauabschnitt fielen Land und Nürburgring GmbH auf dubiose Finanzvermittler herein. Die für den zweiten Bauabschnitt zuständige Firma Mediinvest von Kai Richter erhielt 85,5 Millionen Euro von der Rheinland-Pfälzische Gesellschaft für Immobilien und Projektmanagement mbH (RIM). Die ist eine hundertprozentige Tochter der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), welche wiederum zu hundert Prozent dem Land gehört. Die MSR wurde später mitsamt der Gebäude von Landesgesellschaften übernommen.
Ab Mai 2010 vergab die Nürburgring GmbH den Betrieb des kompletten Parks inklusive der Rennstrecken an die private Nürburgring Automotive GmbH (NAG), die je zur Hälfte Kai Richters Mediinvest und der Düsseldorfer Lindner-Hotelgruppe gehört. Im Februar 2012 kündigte das Land den Betreibern wegen ausstehender Pachtzahlungen. Die NAG geht juristisch gegen die Kündigung vor. Nach ihrer Sicht der Dinge schuldet das Land den Betreibern noch Geld, diese Forderungen habe man mit der Pacht verrechnet. Streit gibt es um die von den Betreibern angekündigte Entlassung von einem Viertel der Belegschaft. Die EU-Kommission prüft nach mehreren Beschwerden von Konkurrenten, ob das Land bei der Verpachtung an die NAG gegen Vergaberecht verstoßen hat.
Die erhofften Besuchermassen bleiben aus. Die als schnellste der Welt geplante Achterbahn funktioniert bis heute nicht. In der „Grünen Hölle“ ist von Oktober bis März nur ein einziges Restaurant durchgängig geöffnet, der Rest ist die meiste Zeit dicht. Das Land wirft den Betreibern zudem vor, die Gebäude vernachlässigt zu haben. In mehreren Restaurants ist Schimmel aufgetreten. Der Landesrechnungshof schätzt den zusätzlichen Investitionsbedarf des Landes in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 420 Millionen Euro.
Wegen ihrer Rolle bei der gescheiterten Privatfinanzierung hat die Staatsanwaltschaft Koblenz im Februar 2012 Anklage wegen Untreue gegen den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) erhoben. Auch der frühere Nürburgring-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz und zwei weitere ehemalige Manager der Nürburgring GmbH wurden wegen Untreue angeklagt. Der frühere ISB-Chef und ein RIM-Manager wurden wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen Kai Richter dauern an.
Getspeed bestätigte den Vorgang ebenfalls, möchte „die Angelegenheit in der Presse aber nicht weiter kommentieren“. In Unternehmenskreisen ist von „einer Verkettung unglücklicher, sehr ärgerlicher Missverständnisse die Rede“. Der Handwerker ist unterdessen immer noch verärgert: Neben der inzwischen eingetriebenen Forderung von rund 4500 Euro hat das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler im Juni dieses Jahres entschieden, dass Getspeed auch Verfahrenskosten in Höhe von knapp 1200 Euro zahlen muss. Auf diese warte er bislang ebenfalls vergeblich, teilte der Handwerker der WirtschaftsWoche mit, auch hier sei die Vollstreckung beantragt.
Warten auf die zweite Kaufpreisrate
Der Nürburgring kommt aus den Turbulenzen einfach nicht raus. Im Juli 2012 hatte die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH Insolvenz angemeldet, rund eine halbe Milliarde Euro hat die SPD-geführte Regierung in den zurückliegenden Jahren dort versenkt. Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser und Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt beschlossen, den Ring zu verkaufen.
Am 11. März vergab der Gläubigerausschuss den Zuschlag an Capricorn und Getspeed, für einen offiziell ausgewiesenen Kaufpreis in Höhe von 77 Millionen Euro. Hauptbestandteile: Eine Fremdkapitalfinanzierung in Höhe von 45 Millionen Euro über die Deutsche Bank und ein Eigenkapitalanteil von 15 Millionen Euro, zahlbar in drei Raten zu je fünf Millionen Euro Ende März, Ende Juli und Ende Dezember.
Capricorn Robertino Wild hatte mit Anteilen von zwei Dritteln das Sagen in der Käufergesellschaft, Getspeed war mit einem Drittel Juniorpartner. Die erste Rate von fünf Millionen Euro – aufgebracht von Getspeed – war noch gezahlt worden, doch schon bei der zweiten, Ende Juli fälligen Rate, begannen die Schwierigkeiten.
Als sie bis Mitte August nicht eingegangen war, verlängerte Sachwalter Lieser das Zahlungsziel rückwirkend bis zum 31. Oktober dieses Jahres. Ohne Zustimmung des Gläubigerausschusses, die laut Liesers Sprecher nicht erforderlich war. Für den Aufschub ließ sich Lieser Sicherheiten stellen, unter anderem Pfandrechte auf die private Kunstsammlung von Capricorn-Chef Wild.
Kunstsammlung doppelt verpfändet
Doch Lieser – der als Sachwalter in der persönlichen Haftung ist – griff daneben, wie sich mittlerweile herausgestellt hat: Die Kunstsammlung war zu diesem Zeitpunkt bereits verpfändet. Dies berichtete die Koblenzer „Rhein-Zeitung“ am Montag, diese Information haben die Insolvenzverwalter wie auch Wild auf Nachfrage bestätigt.
„Hierzu habe ich mich vom Verkäufer nötigen lassen, mein Fehler. Aber was machen Sie, wenn man Ihnen die geladene Pistole an den Kopf hält?“, teilt Wild mit. Konsequenz: Wild musste seine Anteile von zwei Dritteln an der Käufergesellschaft auf einen Treuhänder übertragen. „Ich bin leider Opfer meiner Naivität geworden, und dafür werde ich nun die Verantwortung übernehmen“, sagt Wild. Bedeutet konkret: Er versucht nun, neue Geldgeber aufzutreiben.
Schon für den Zuschlag hatte Wild im März umfangreiche Sicherheiten stellen müssen, darunter eine Briefgrundschuld auf seine Villa in bester Lage des Düsseldorfer Nobelstadtteils Oberkassel mit direktem Blick auf den Rhein. Doch Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser und Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt stellten später fest, dass zuvor bereits andere Grundschulden auf die Villa im Grundbuch eingetragen worden waren. Auch diese Information bestätigten die Insolvenzverwalter auf Nachfrage über ihren Sprecher. Die Grundschuld sei lediglich im dritten Rang eingetragen.