Nürburgring Finanzinvestor HIG vor dem Zuschlag

Der amerikanische Finanzinvestor HIG Capital aus Miami soll offenbar neuer Besitzer des Nürburgrings werden. Doch es gibt noch einen gravierenden Vorbehalt.

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Transparentes Schild Nürburgring Quelle: dpa

Das Bieter-Rennen um den insolventen Nürburgring steht kurz vor dem Ende – und als Sieger kristallisiert sich nach Informationen der WirtschaftsWoche der amerikanische Finanzinvestor HIG Capital mit Sitz in Miami heraus. Wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist, könnte schon bis zur kommenden Woche eine Entscheidung fallen, wem die Nürburgring-Insolvenzverwalter Jens Lieser (Koblenz) und Thomas Schmidt (Trier) den Zuschlag geben.

Um den buhlte zuletzt neben HIG auch der Düsseldorfer Automobil- und Motorsportzulieferer Capricorn. Der Mittelständler kämpfte allerdings lange darum, die Finanzierung für sein Angebot gestemmt zu bekommen. Auch Gerüchte über einen dritten Bieter - ein namentlich nicht bekanntes US-Unternehmen – machten die Runde. Die Insolvenzverwalter betonen allerdings, dass noch keine abschließende Entscheidung gefallen sei. „Der Investorenprozess ist noch in vollem Gange und derzeit noch nicht abgeschlossen“, teilten sie auf Nachfrage mit, „Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt und Sachwalter Jens Lieser versuchen nach wie vor, einen Abschluss über den Verkauf der Vermögenswerte des Nürburgrings bis Ende März zu erzielen.“

Alles deutet auf HIG hin

Doch die Anzeichen für HIG verdichten sich immer stärker. Vergangene Woche meldete HIG beim Bundeskartellamt bereits den „Erwerb wesentlicher Vermögensteile der Nürburgring GmbH in Insolvenz“ zur Prüfung der kartellrechtlichen Zulässigkeit an (Aktenzeichen B6-43/14). Am gestrigen Dienstag ließ der Finanzinvestor zudem sechs Firmen in das Handelsregister an seinem Deutschland-Sitz Hamburg eintragen. Der riesige Nürburgring-Komplex, zu dem zwei Rennstrecken sowie ein Business- und Freizeitzentrum gehören, soll künftig offenbar getrennt verwaltet werden. Neben der NRGH Nürburgring Holding GmbH ließ HIG auch eine Nürburgring GP GmbH, eine Nürburgring Nordschleife GmbH, eine Nürburgring Boulevard GmbH, eine Nürburgring Appartment GmbH sowie eine Nürburgring Hotel GmbH eintragen.

Geschäftsführer ist jeweils Meyrick Cox, einer der Co-Investoren von HIG. Cox, der selbst Renn-Erfahrung hat und ein Haus am Nürburgring besitzt, arbeitete in führenden Positionen für die Investmentbanken Goldman Sachs, Rothschild und Moelis. Zu seinen bekannteren Deals zählt die Beratung beim Verkauf des schwedischen Autoherstellers Volvo von Ford an den chinesischen Hersteller Geely im Jahr 2010. Zudem hat Cox exzellente Verbindungen in die Formel 1. Er soll über einen in den USA ansässigen Trust selbst einen Anteil an der Rennserie halten, er sitzt dem Vernehmen nach auch in einem F1-Beratergremium.

Kaufpreis ist noch unklar

Der zweite Co-Investor ist Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff, der am „Bilster Berg“ im Teutoburger Wald eine Rennstrecke bauen ließ, die über einen geschlossenen Fonds ausschließlich von privaten Geldgebern finanziert wurde. HIG Capital mit Hauptsitz in Miami und Europazentrale in London verwaltet nach eigenen Angaben insgesamt 13 Milliarden US-Dollar.

HIG Capital wollte sich zu einem möglichen Zuschlag auf Nachfrage nicht äußern. Auch der gebotene Kaufpreis ist nicht bekannt. Vor rund einem Monat hieß es allerdings aus HIG-Kreisen bereits, dass der diskutierte Kaufpreis von 90 Millionen Euro deutlich zu hoch gegriffen sei. Branchenkenner rechnen damit, dass HIG rund 60-70 Millionen Euro bieten dürfte. Medienberichten zufolge plant HIG, weitere 25 Millionen Euro in den Nürburgring zu investieren.

EU-Kommission muss zustimmen

Pikantes Detail: Die nun für HIG eingetragenen Firmen haben ihren Sitz laut Handelsregistereintrag in den Hamburger Büros der Großkanzlei Freshfields. Die Kanzlei beriet im vergangenen Jahr auch den ADAC bei seinem Angebot für einen Teil des Nürburgring-Komplexes. Dieses wurde allerdings von den Insolvenzverwaltern zurückgestellt, weil es zu niedrig sei. Zudem versucht der ADAC mit Hilfe von Freshfields, den Verkaufsprozess zu kippen: Im Januar reichte Freshfields im Auftrag des ADAC eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein, weil der Verkaufsprozess nicht europarechtskonform ablaufe. Ein Freshfields-Sprecher wollte den konkreten Fall auf Nachfrage nicht kommentieren. Grundsätzlich jedoch sei es für eine große Wirtschaftskanzlei nicht unüblich, in einem Bieterverfahren mehrere Interessenten zu beraten. Interessenkonflikte gebe es dabei nicht, dafür sorgten kanzleiinterne „Chinesische Mauern“.

Unter anderem wegen der über Freshfields in Brüssel eingereichten Beschwerde ist allerdings das endgültige Ende des im Mai 2013 gestarteten Verkaufsprozesses noch nicht absehbar. Denn der Verkauf steht unter dem Vorbehalt, dass die EU-Kommission zustimmt. Neben dem ADAC hat sich auch der gemeinnützige Verein Ja zum Nürburgring e.V. um ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm bei der Kommission beschwert. Aus ihrer Sicht verstößt der Ablauf des Verkaufsprozesses gegen Europarecht. Bei der EU-Kommission ist wegen millionenschwerer Investitionen des Landes Rheinland-Pfalz bereits ein Beihilfeverfahren anhängig.

Spaßbauten trieben "Ring" in die Pleite

Diese Beihilfen könnten auf den Käufer übertragen werden, wenn das Verkaufsverfahren nicht den Vorgaben des Europarechts entspricht. Ohne eine Freigabe durch die Kommission riskiert der künftige Nürburgring-Besitzer somit, mit einer Rückforderung in dreistelliger Millionenhöhe konfrontiert zu werden. Die EU-Kommission hat sich noch nicht dazu geäußert, bis wann sie entscheiden wird. Laut dem Europaabgeordneten Werner Langen (CDU) ist auf keinen Fall mit einem Beschluss vor der Europawahl im Mai zu rechnen.

Das Land Rheinland-Pfalz ist mit 90 Prozent Haupteigentümer der Nürburgring GmbH, zehn Prozent hält der Landkreis Ahrweiler. Im Sommer 2012 hatte die Nürburgring GmbH Insolvenz angemeldet, weil sich ein für 330 Millionen Euro in die Eifel betoniertes Freizeit- und Businesszentrum nicht rechnete. Die Spaßbauten ließ die rheinland-pfälzische Landesregierung unter Kurt Beck (SPD) bis 2009 errichten, darunter sind ein Freizeitpark mit Achterbahn, Veranstaltungshallen, der Shopping-Mall „Ring Boulevard“ sowie Hotels, Restaurants, Disco und ein Ferienhaus-Dorf. Kernbereich des Nürburgring-Komplexes sind zwei Rennstrecken, die legendäre, gut 20 Kilometer lange Nordschleife und der 1984 eingeweihte, kürzere Grand-Prix-Kurs, auf dem unter anderem die Formel-1-Rennen stattfinden.

Brandbrief an die Ministerpräsidentin

Unterdessen hat sich Ja zum Nürburgring mit einem Brandbrief an Kurt Becks Nachfolgerin Malu Dreyer (SPD) gewandt. Wenn überhaupt sollten die Bestandteile des Komplexes an verschiedene Bieter verkauft werden. Bei einem Verkauf des Komplexes als Ganzes an einen Finanzinvestor würden dagegen die Interessen des Motorsports und der Region hinten angestellt. Der Ring dürfe nicht in die Hände eines Finanzinvestors geraten. „Was das bedeutet, dürfte Ihnen genauso klar sein wie uns: Der integrierte Betrieb des natürlichen Monopols der Sportstätte zusammen mit den Hotels- und Freizeitanlagen wird dazu verwendet, alle geschäftlichen Aktivitäten am Nürburgring allein auf Rendite zu trimmen“, schreibt Ja zum Nürburgring. „Das wird der altehrwürdige Nürburgring nicht verkraften!“

Der Nürburgring ist der wichtigste Wirtschaftsmotor in der strukturschwachen Eifelregion. Etliche kleine Betriebe leben davon, ihre Dienstleistungen auf und um den „Ring“ anzubieten. Für Ja zum Nürburgring ist die Ministerpräsidentin jetzt in der Verantwortung. „Verhindern Sie den Niedergang des Nürburgrings“, fordert Vereinspräsident Flimm und kündigt an, in Brüssel weiter für den Sport und die Region zu kämpfen. „Auch wenn dies weitere rechtliche Schritte notwendig macht und womöglich bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über Jahre hinweg ein Schwebezustand bestehen wird. Wir können weitere fatale Fehler nicht mehr zulassen!“

Ecclestone-Wirrwarr und eine Panne

Es könnte also durchaus sein, dass der schlagzeilenumwitterte Nürburgring-Verkauf noch Stoff für diverse weitere Episoden liefert. Bisher sorgte alleine Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone mit seinem mehrfach bekundeten und dann doch wieder abgeflauten Interesse schon für gehörigen Wirbel.

Aufsehenerregend war auch der Fall eines angeblichen 275-Millionen-Fabelangebots aus Hongkong.  Wie bei Recherchen der WirtschaftsWoche heraus kam, trieb allerdings ein dubioser Geschäftsmann ein Verwirrspiel mit den Insolvenzverwaltern. Die Texte für seine Webseite hatte er von Investmentgrößen wie Blackrock und Warren Buffett kopiert, das angebotene Geld hatte er gar nicht. Dennoch schaffte er es – anders als etwa der ADAC – in den so genannten Datenraum, in dem ausgewählte Bieter vertrauliche Geschäftsunterlagen der Nürburgring GmbH einsehen durften.

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