Kaum hat das neue Jahr begonnen, brummt das Geschäft in der Reisebranche. Die Deutschen planen ihren Jahresurlaub und buchen die großen Reisen des Jahres. Denn noch gibt es Frühbucherrabatte. Dabei wird das Angebot an Destinationen, Unterkünften, Aktivitäten und Co. immer umfangreicher. Um sich einen Überblick zu verschaffen, bieten Bewertungsportale im Internet gute Möglichkeiten die individuelle Traumreise zusammenzustellen. Weltmarktführer ist das amerikanische Unternehmen Tripadvisor. Egal ob junge Briten, ältere Amerikaner oder hippe Franzosen – nahezu alle Generationen und Nationen reisen inzwischen mit ihren Tablet durch Europa, Südostasien und die Staaten und suchen bei Tripadvisor: Unterkünfte, Restaurants, Cafés, sportliche Aktivitäten, Museen oder individuelle Touren.
260 Millionen Nutzer aus 34 Ländern (inklusive China unter www.daodao.com) besuchen nach eigenen Angaben die Internetseite im Monat. Wobei die USA mit Abstand den größten Anteil ausmachen. 2013 verzeichnete die amerikanische Ausgabe laut Daten von Similarweb insgesamt 886 Millionen Besuche. Auf Platz zwei liegt die britische Ausgabe mit 252,5 Millionen Visits. Die deutsche Ausgabe verzeichnete im gleichen Zeitraum immerhin 54 Millionen Besucher und ist damit die neuntbeliebteste.
Die Nutzer posten laut Tripadvisor etwa 80 neue Beiträge pro Minute. 3,1 Millionen Unterkünfte, Restaurants und Attraktionen sind auf der Plattform registriert – vom Café in Chiang Mai über die persönliche Ein-Mann-Tour durch Pompei. Der Clou dabei: Menschen aus aller Welt bewerten Unterkünfte, Essen und Strände. Sie vergeben Sterne, schreiben ihre Erfahrungen auf und stellen Fotos in das Portal. Für andere Nutzer ergibt sich daraus ein einigermaßen realistisches Bild, was sie vor Ort wirklich erwartet.
Mit Links erfolgreich
Die Erfolgsgeschichte von Tripadvisor beginnt im Jahr 1998. Damals will Unternehmenschef Steve Kaufer mit seiner Frau Caroline eine Reise nach Mexiko unternehmen. „Die Frau im Reisebüro empfahl uns drei Hotels unterschiedlicher Preiskategorien. Auf den Fotos im Katalog sahen die Unterkünfte alle gleich gut aus“, erinnert sich Steve Kaufer. Also entscheidet er sich für die günstigste Variante. Bevor er bucht, sucht er das Internet nach Informationen zu dem Hotel.
„Das Netz war damals noch ein recht neues Phänomen. Man fand nur immer und immer wieder die gleichen wunderschönen Bilder und phänomenalen Beschreibungen“, sagt er heute. Erst nach intensiver Recherche mit einigen kuriosen Suchbegriffen, stieß Steve Kaufer auf einen Eintrag eines Pärchens, das dort auch übernachtet hatte. Ihre Fotos zeigten verrostete Stühle und einen Strand, der ganz und gar nicht den Ansprüchen der Kaufers gerecht wurde. So bucht das Ehepaar eine andere Unterkunft und verbringt einen Traumurlaub.
"Auf dem Rückflug sagt Caroline zu ihrem Mann: „Du solltest eine Webseite bauen, die anderen bei ihrer Reiseplanung hilft. Eine, die ganz einfach zu bedienen und vor allem ehrlich ist.“ Kaum zu Hause machte sich der studierte Informatiker und Gründer einer Entwickler-Firma an die Arbeit. Im Februar 2000 geht das Bewertungsportal Tripadvisor erstmals an den Start. Zunächst noch mit den klassischen PR-Bildern und -Texten. Doch nach und nach füllen sich die Seiten mit Fotos und Berichten der Nutzer.
Nicht nur bewerten, sondern auch buchen
„Am Anfang waren wir über fünf Besucher am Tag glücklich“, sagt Steve Kaufer. Doch profitabel wurde das Unternehmen damit nicht. Die geplanten Werbeeinnahmen wollten nicht fließen, wie geplant. „Im Herbst 2001 mussten wir erkennen, dass wir die Firma noch maximal ein halbes Jahr würden finanzieren können“, so der Tripadvisor-Chef. Die Anschläge auf das World Trade Center in Manhattan hatten den Reisemarkt komplett durcheinander gewürfelt. Kurzentschlossen stellte er das Geschäftsmodel komplett um und schaffte binnen sechs Monaten die Kehrtwende.
„Wir stellten fest, dass unsere User nicht nur Bewertungen abgeben und lesen wollen“, sagt Kaufer. „Sie wollten auch buchen.“ Also begann das Unternehmen Links einzubauen – von Hotel-Homepages und Reiseveranstaltern. Für jeden Klick, der von Tripadvisor auf eine der anderen Seiten wanderte, bekamen Kaufer und sein Team ein paar Cent Provision. „Im März 2002 waren wir profitabel“, sagt er. Noch heute nimmt Tripadvisor auf diesem Weg 70 Prozent des Gesamtumsatzes ein. Im vergangenen Quartal setzte das Unternehmen 255,1 Millionen US-Dollar um, ein Wachstum von 20 Prozent im Vergleich zum Vergleichsquartal 2012.
Heute belegt Tripadvisor laut Similar Web Platz drei der beliebtesten Reiseportalen weltweit. Auf Platz eins liegt Booking.com, der stärkste Linkpartner von Tripadvisor, vor Yelp. In Deutschland belegt Tripadvisor den sechsten Platz hinter Booking.com, Holidaycheck.de, Fluege.de, Ab-In-Den-Urlaub.de und Telekom-Dienste.de. Doch vor allem Holidaycheck macht den Amerikanern hierzulande Konkurrenz.
Starke Konkurrenz aus der Schweiz
Denn ungefähr zur gleichen Zeit, in der Steve und Caroline Kaufer ihre Mexiko-Reise planen, suchen zwei Studenten aus Bottighofen nach einem Hotel in der Dominikanischen Republik. Auch sie finden nur perfekte Bilder und Werbetexte im Netz. Bis sie auf eine kanadische Seite stoßen, die ihnen die Wahrheit über die vermeintliche Traumunterkunft vermittelt. Die Website nehmen sich die Studenten zum Vorbild und bringen Anfang der 2000er Jahre das Portal hotelbewertungen.de an den Start, aus dem später HolidayCheck werden soll.
„Anfangs wurden Freunde und Bekannte zwangsverpflichtet, um ein Bewertungen auf die Seite zu bekommen“, sagt Presse-Chef Claudius Moarefi. Der Durchbruch kam im Juni 2003, nachdem RTL Extra einen Beitrag über die Plattform sendete. Sechs Millionen Zuschauer sahen das Programm – und in den darauffolgenden drei Tagen brachen die Rechner zusammen. „Ende des Jahres hatte HolidayCheck dann 40.000 neue Bewertungen“, sagt Moarefi. Heute zählt das Portal 510.000 Besucher am Tag. „In der Frühbuchersaison wie derzeit können das auch locker 30 Prozent mehr werden“, so der Pressesprecher. Auf Tripadvisor ist 16-mal mehr los.
Die TripAdvisor Highlights 2013
1. USA
2. Großbritannien
3. Italien
(basierend auf der Gesamtzahl der veröffentlichten Beiträge und Meinungen)
1. Japan (12,5)
2. Singapur (11,0)
3. Malaysia (10,3)
(basierend auf der durchschnittlichen Anzahl Fotos, die pro Mitglied zu einer Bewertung hinzugefügt werden)
1. Singapur (731 Zeichen)
2. Philippinen (679 Zeichen)
3. Großbritannien (660 Zeichen)
(basierend auf der durchschnittlichen Zeichenzahl pro Bewertung)
1. Belgien (2,22)
2. Ukraine (2,14)
3. Russland (2,13)
(basierend auf der durchschnittlichen Anzahl der erhaltenen 'hilfreich'-Wertungen)
1. Singapur (86,2%)
2. Finnland (82,6%)
3. Niederlande (80%)
(basierend auf der Prozentzahl der Bewertungen, die für Reisen ins Ausland geschrieben wurden)
1. London (459.406)
2. Rom (365.867)
3. Paris (318.418)
(basierend auf der Anzahl der abgegebenen Bewertungen pro Stadt)
Während sich Tripadvisor mehr als Werbeplattform positioniert, die durch die User-Bewertungen Beratung bietet, sieht sich Holidaycheck vielmehr als Reisevermittler. „Wir verdienen wie ein Reisebüro“, so Moarefi. Die Nutzer haben die Möglichkeit direkt zu buchen – vom Städtetrip bis zu All-Inklusive-Pakete.
Und während Tripadvisor vor allem mit den Regionen Südostasien, Australien und Amerika punktet, liegen die Schweizer, die 2006 von der Hubert Burda Holding aus München gekauft wurden, bei den europäischen Warmwasserregionen vorne. Fragt man bei den Unternehmen nach, welche Bereiche sie stärker ausbauen wollen, so ist es der Bereich in dem der Konkurrent besonders punktet. Tripadvisor will in den europäischen Städten und Ferienregionen mehr Informationen sammeln. Und Holidaycheck plant den Bereich Individual- und Geschäftsreisen zu stärken.
Deutsche Nörgler statt Euphorie
Auch wenn sich Holidaycheck immer stärker international ausrichtet, hat das Unternehmen seine Stärken auf dem deutschsprachigen Markt. Zum einen profitieren die Schweizer von den Sprachkenntnissen. Auf Holidaycheck finden sich im Gegensatz zu Tripadvisor keine durch die Übersetzung schief geratenen Sätze. Auch aus europäischer Sicht übertrieben euphorische Berichte von Amerikanern á la „best restaurant in town“ für ein klassisches Steakhouse sind hier eher selten. Dafür müssen sich Nutzer von Holidaycheck häufig mit dem typischen deutschen Nörgler herumschlagen. Statt Bilder, die einen wirklich realistischen Eindruck von einem Hotel vermitteln, finden sich hier gerne Fotos von schmutzigen Waschbecken und abblätternder Farbe hinter der Dusche.
Tripadvisor und Holidaycheck treiben die Hotelerie
Beide Portale profitieren davon, dass sie nach der New-Economy-Krise am Ball geblieben sind. Gleichzeitig haben die Bewertungen im Internet insgesamt so stark zugenommen, dass sich die gesamte Hotellerie auf das neue Phänomen einstellen musste. „Der Transparenzwunsch der Gäste ist mit den Jahren immer stärker gewachsen“, sagt Tobias Warnecke, Referent beim Hotelverband Deutschland.
Anfangs sei der öffentliche Bewertungstrend von der Branche noch skeptisch beäugt worden. Wer will schon Nörgler? Und dann auch noch auf einer öffentlichen Plattform? Doch das Blatt hat sich gewendet. „Inzwischen haben die meisten begriffen, was für eine große Chance diese Plattformen darstellen“, sagt Warnecke. Schließlich seien fast 85 bis 90 Prozent der Bewertungen positiv und damit kostenlose Werbung. Und die negativen Bewertungen sind für Manager ein einfacher Weg, um im eigenen Unternehmen Missstände aufzuklären. Zur Auswertung stellen sowohl Tripadvisor als auch Holidaycheck und andere Tools zur Verfügung, mit denen sich Unternehmen in Echtzeit die Kommentare zu Ihrem Produkt anzeigen lassen können. Die Basisfunktionen sind in der Regel kostenlos. Weiterführende Tools lässt sich Tripadvisor bezahlen.
Heute muss der Gastronom und Hotelier also auch so etwas wie ein Social Media Manager sein. „Große Ketten haben das schon sehr gut im Griff“, sagt Warnecke. „Bei kleineren und mittelständischen Unternehmen müssen wir manchmal noch daran erinnern, dass es wichtig ist, sich auch um das virtuelle Hotel zu kümmern.“
Letztlich seien aber auch schlechtere Bewertungen oft positiv. „Sie tragen dazu bei, die Glaubwürdigkeit bei den Gästen zu erhöhen. Zudem sollten keine falschen Erwartungen geweckt werden, sodass der Hotelier von Beginn an auch nur das vermitteln sollte, was der Gast wirklich erwarten kann“, sagt der Fachmann. So könnte manch vermeintlich negative Bewertung, zum Beispiel Kinderlärm beim Frühstück, auf einen Geschäftsreisenden zwar abschreckend wirken, für eine Familie mit Kindern aber durchaus positive Signale haben.
Ärger mit Fake-Bewertungen
Ärger gebe es eigentlich nur dann, wenn sich die Unternehmer mit Fake-Bewertungen herumschlagen müssen. Dabei versuchen die Plattformen im Netz durchaus gegen zu steuern. „Die einzelnen Kommentare überprüfen wir gründlich“, sagt der Holidaycheck-Sprecher. „Dabei greifen 18 Filter, die die Postings auf ihre Sprache oder IP-Adresse kontrollieren.“ Bei Tripadvisor sollen es sogar über 100 Filter sein.
Im Wesentlichen werden die Kommentare dabei nach „Bad Words“ wie Beschimpfungen, pornografischen oder radikalen Begriffen durchsucht. Wird das System fündig, werden die Beiträge gelöscht. Auch IP-Adressen checken die Unternehmen über die Filter. Tauchen viele Bewertungen von einer Adresse auf, werden die Rechercheteams aktiv und überprüfen, ob der Kommentargeber auch wirklich Gast in dem entsprechenden Etablissement war. Gibt die Person keine Rückmeldung oder kann sie den Besuch nicht belegen, wird der Kommentar gelöscht, behaupten sowohl Holidaycheck als auch Tripadvisor.
Unternehmen müssen mit Negativ-Feedback leben
Ansonsten müssen die Gastronomen mit dem negativen Feedback leben. Schließlich lebt die Authentizität beider Seiten von subjektiven Bewertungen. Allerdings geben sowohl Tripadvisor als auch Holidaycheck die Möglichkeit, auf negatives Feedback öffentlich zu reagieren.
Neue Chancen im mobilen Markt
Beide Portale wollen die Möglichkeiten des mobilen Internets und vor allem den Trend hin zur Personalisierung immer stärker nutzen. So wie die Menschen sich eben gerne ihr persönliches Müsli zusammenstellen, oder das Traumauto selbst konzipieren lassen sich auch Reisen immer schlechter von der Stange verkaufen.
Bei Holidaycheck will man daher stärker auf Filter setzen. Dann können Kunden sich zum Beispiel nur Rezensionen von alleinreisenden Frauen unter 30 Jahren anzeigen lassen. Oder die von kinderlosen Ü50-Paaren.
Tripadvisor hat 2010 das Einloggen mit dem Facebook-Profil eingeführt. „So wird ihnen angezeigt, wo ihre Freunde schon waren und welche Orte sie schon bewertet haben“, sagt Kaufer. Auch die Aktivitäten von Freundes-Freunden und der gesamten Community lassen sich anzeigen.
Aber das ist nur der erste Schritt. Des Weiteren befindet sich für etliche Großstädte der sogenannte „Just for you“-Button in der Betaphase. Will jemand zum Beispiel einen Städtetrip nach Berlin planen, kann er sich über den Knopf auf der „Städte-Seite“ seine ganz persönlichen Tipps anschauen – von Cafés über Restaurants bis hin zu Museen, Führungen und sportlichen Aktivitäten. Die Informationen zieht das Portal aus dem Klickverhalten auf Tripadvisor. „Wäre es nicht wunderbar, wenn Tripadvisor so etwas wie ein ganz persönlicher Concierge sein könnte“, erklärt Steve Kaufer.
Big Data nutzen
Konkret: Interessiert sich eine Person besonders für Outdoor-Aktivitäten, werden ihm zum Beispiel Paddel- oder Fahrradtouren durch Berlin vorgeschlagen. Hat ein Familienvater in der Vergangenheit stärker nach Urlaubszielen mit Kindern gesucht, werden ihm vermutlich auch mit beim Städtetrip Aktivitäten für den Nachwuchs angezeigt. Die Vision: Das System sammelt so viele Daten, dass es weiß, ob der Mann mit seinen Kindern Städteurlaube macht – oder eher mit dem Kegelclub. Was Tripadvisor hier im Sinn hat, ist der Inbegriff des IT-Begriffs Big Data, also der geschickten Nutzung von Daten.
Ganz neue Spielräume bietet aber vor allem das mobile Internet, das durch Smartphones und Tablets in den vergangenen fünf Jahren einen unglaublichen Boom erlebt hat. „Wir wollen die Nutzer gerade dann erreichen, wenn sie schon auf Reisen sind“, sagt Kaufer. Aufgrund der GPS-Technologie im Smartphone, könnte Tripadvisor so persönlich zugeschnittene Informationen direkt auf das Telefon spielen. So nach dem Motto: „Schau mal das Café da links. Das müsste dir gefallen.“ Die Grundlage dafür ist längst geschaffen. Bisher wurde die Tripadvisor-App etwa 80 Millionen Mal heruntergeladen.
Steve Kaufers erklärtes Ziel ist klar: Er will mit Tripadvisor weiter wachsen – es ist sein Lebenswerk. Seine Frau Caroline hat den gigantischen Erfolg der Seite nie erlebt. Sie starb im Jahr 2005 mit 42 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs.