Online-Shopping Wie Paketshops unter dem Weihnachtsstress leiden

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40 Cent pro Paket – auch im Weihnachtsstress

Das weiß auch Herbert Millmann. Millmann ist ein Fachexperte für Paketshops und Postfilialen, viele Jahre hat er selbst solche Shops betrieben. Heute ist er Vorstand im Postagenturverband Deutschland, in dem sich Betreiber von Postfilialen organisiert haben.

„Weihnachten ist unsere Hauptkampfzeit“, sagt Millmann. In den Wochen vor dem Fest laufen bei den Postagenturen jeden Tag zwischen 50 und 100 Prozent mehr Pakete ein als an einem durchschnittlichen Tag, sagt er. „Das hängt auch von Standort und Größe der Filiale ab.“

Das Doppelte an Paketen? Für die Agenturbetreiber bedeutet das auch doppelte Arbeit. Rund 40 Cent erhalten sie pro Paket, das der Empfänger in den Filialen abholen soll, von DHL. Die Konkurrenten Hermes, DPD und Co zahlen ähnliche Preise. Einen Zuschlag für den zusätzlichen Weihnachtsaufwand gäbe es aber nicht, sagt Millmann.

Wenn der Roboter klingelt
Der Onlinehandel wächst, und mit ihm wachsen die Probleme: Paketwagen verstopfen die Straßen deutscher Innenstädte, Boten stehen oft vergeblich an der Wohnungstür, weil die Empfänger nicht zu Hause sind. Start-ups, Logistiker und Universitäten tüfteln deshalb an der Zustellung von übermorgen. Quelle: dpa
6D9 klingt nach Science-Fiction, nach „Star Wars“-Film, doch der kleine Roboter rollt bereits durch Deutschland. Äußerlich erinnert er an eine Kühlbox mit Rädern, tragen kann er bis zu zehn Kilogramm. Das reicht für einige Pakete. Erfunden hat den Roboter das Start-up Starship Technologies aus Estland. 6D9, so die Vision, soll selbstständig Pakete in einem Depot in der Innenstadt abholen und dann über Bordsteine und Fußwege zur Adresse des Kunden fahren. Kontrolliert wird er auf seinem Weg von einer Person in der Zentrale, die auch mit den Menschen kommunizieren kann, denen 69D begegnet. Der Paketdienst Hermes hat die Anwendung bereits getestet, dabei liefen menschliche Boten allerdings noch wie Hundeführer nebenher. Der Versuch hat dem Kleinen viel Aufmerksamkeit beschert, mittlerweile probieren auch Media-Saturn und die Pizzakette Domino’s die Blechboten aus. Bis irgendwann Roboter die Gehwege ähnlich verstopfen wie heute Paketautos die Straßen, wird aber noch viel Zeit vergehen. Quelle: dpa
Drohnen kennen dieses Stauproblem nicht. An fliegenden Transportern arbeiten aktuell Onlinehändler und Logistiker auf der ganzen Welt, darunter auch Internetgigant Amazon. Kurz vor Weihnachten lieferte der Onlinehändler im britischen Cambridge das erste Paket per Drohne aus. Da ist die Deutsche Post schon weiter. Ihr Paketkopter hat sich bereits bei Einsätzen auf der Insel Juist und im oberbayrischen Reit bewährt, wo er eine Alm in 1200 Meter Höhe belieferte. Wasser und Berge überwindet die Drohne mühelos, Wind und Kälte mag sie allerdings nicht: Den ersten Almaufflug musste die Post wegen schlechtem Wetter absagen. Der Paketkopter eigne sich hervorragend für schwer zugängliche Adressen in schwierigem Gelände, meint Post-Chef Frank Appel. Für den Masseneinsatz sind die Flieger bisher jedoch nicht vorgesehen. Quelle: dpa
Auf selbstfahrende Boote setzt die Kanalmetropole Amsterdam. Auf orangefarbenen Flößen sollen Pakete schnell und staufrei durch die Grachten von einem Ort zum anderen gelangen. Roboats lautet der passende Name der ersten Prototypen, geleitet wird das Projekt von Wissenschaftlern an den Universitäten Delft und Wageningen sowie vom amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT). Sie wollen die Boote auch als intelligente Infrastruktur nutzen: So könnten sie sich schnell aneinanderreihen, um einen Kanal zu überbrücken, auch eine Bühne sollen sie formen können. Gleichzeitig könnten die Roboats Daten über Wasserqualität und Verkehrsaufkommen sammeln. Die Forscher wollen die autonomen Schiffe in verschiedenen Größen testen, der Start ist noch in diesem Jahr. Das Konzept dürfte nur begrenzt auf andere Städte übertragbar sein. Theoretisch könnten aber auch in Venedig Robo-Gondeln an den Start gehen. Quelle: Presse
Das Transwheel hingegen ist ein Alleskönner: Der einrädige Fahrroboter ist ebenfalls ferngesteuert und kann mit einem Lastarm Pakete aufheben. Und die Räder können sich auch miteinander vernetzen: Zwei Räder könnten zusammen so auch sperrige Objekte mit Überlänge tragen, ein ganzes Rudel Räder könnte auch Schiffscontainer transportieren, die heute an Land von Lastkraftwagen transportiert werden. Das wäre ein großer Fortschritt, denn bisher können Roboter und Drohnen nur wenig Gewicht laden. Entwickelt hat das Transwheel ein Student aus Israel. Pilotprojekte gibt es noch keine – ihm fehlen bislang die Geldgeber. Quelle: Presse

Und das ist für viele Betreiber ein Problem. Die Paketdienste heuern zur Hauptsaison zusätzliche Arbeitskräfte und Fahrzeuge an. Alleine die Deutsche Post sucht dieses Jahr 10.000 Aushilfen für ihr Weihnachtsgeschäft. Die kleineren Konkurrenten Hermes, DPD, GLS und UPS suchen gemeinsam nach rund 13.000 Arbeitskräften. Die meisten arbeiten als Paketboten. „Auch wir bräuchten zusätzliche Mitarbeiter“, sagt Millmann. „Aber bei 40 Cent je Paket? Davon kann man keinen Mindestlohn zahlen.“

Zweifel schon bei Vertragsabschluss

Bei vielen Agenturnehmern herrsche deshalb Frust, sagt Millmann. Und nicht nur dort, auch bei den Kunden steigt immer wieder der Ärger hoch. „Das große Problem für unsere Agenturen ist, für die Kunden sind wir die Post“, sagt Millmann. Dass die gelben Filialen dem Konzern nicht gehören und auch die Mitarbeiter deshalb nur begrenzt Auskunft über die Richtlinien und Praktiken der Post und ihrer Boten geben können, sei den Verbrauchern kaum klar.

Es ist keine bequeme Position, einen Paketshop zu betreiben. Das hat auch Lasse Winter gelernt. Für den Weinhändler begannen die Zweifel schon bei Vertragsabschluss.

Beschädigt und überteuert – So schneidet Ihr Paketzusteller ab

Winter ist Kooperationspartner des Hamburger Paketdienstes Hermes, einer Tochter des Versandhauses Otto. Das Unternehmen war das erste, was in Deutschland ein Netz aus Paketshops aufbaute. Ginge es nach Hermes, hätte Winter normalerweise über die gesamte Schaufensterlänge seines Ladens Werbung für Hermes aufkleben müssen. Das kam für ihn aber nicht in Frage, da die Filiale und auch seine eigene Schaufensterwerbung weinrot gefärbt sind. Das Hermes-blau und das weinrot beißen sich. Schließlich konnte er sich mit Hermes einigen, dass lediglich an der Eingangstür Hermes-Werbung angebracht wurde.

In anderen Fragen ließen sich so leicht keine Kompromisse finden. Zum Beispiel bei der Frage, wie Weinhändler Winters besser von seinen Paketkunden profitieren kann. „Es ist kaum einer gekommen, der bei der Gelegenheit noch eine Flasche Wein für 20 bis 100 Euro gekauft hat“, sagt er. Stattdessen störten die Abholer eher die reguläre Kundschaft. „Es kam nicht wirklich gut an, wenn wir Kunden hatten, die für 3000 bis 4000 Euro Wein kaufen wollten und in der Zwischenzeit Kunden rein platzten, um ihr Paket abzuholen“, sagt Winter. Er hat seinen Vertrag mit Hermes nun gekündigt. „Die 160 bis 180 Euro im Monat können wir verschmerzen“, sagt er. Die Kündigungsfrist sei bereits angelaufen.

Gerne würde Winter schon vorher aus dem Vertrag aussteigen. Den Dezember möchte er als Paketshopbetreiber nicht unbedingt erleben.

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