Ostsee Neues Ideal für Yachthäfen

Wohnungen mit Liegeplatz fürs Segelboot – das ist das Ideal neuer Yachthäfen. In Olpenitz an der Ostsee soll in einem ehemaligen Bundeswehrhafen die größte Marina Deutschlands entstehen.

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Der geplante Yachthafen von Olpenitz

Knut Ley lenkt mit spürbarer Freude das Motorboot mit dem 225 PS starken Außenborder in einem Slalom zwischen den Stahlstangen durch. Die Wasseroberfläche ist ruhig, der Boden des Hafenbeckens nicht zu sehen. „Diese Tiefe in einem Hafenbecken, das ist hier einmalig“, brüllt Ley. So einmalig wie der schnelle Zugang zur offenen Ostsee. Und so tief, dass selbst ein Kreuzfahrtschiff wie die MS Europa noch einen Meter Wasser unterm Kiel hätte.

Ley ist für den Immobilienentwickler HarmInvest in Olpenitz. Geht es nach deren Geschäftsführer Jaska Harm, ist spätestens Ende 2009 Schluss mit solch unbekümmerten Spritztouren durchs Hafenbecken des einstigen Marinestützpunktes. Dann heißt der einstige Militärhafen Port Olpenitz. Und dann liegen hier nicht mehr Minenkreuzer an schwimmenden Metall-Pontons, sondern Segel- und Motoryachten an Holzstegen. Oder an künstlichen Inseln, von deren Anlegern die Skipper direkt in ihr neues Haus gehen können. „Jedes dieser Häuser wird maximal zehn Meter vom Wasser entfernt liegen“, sagt Jaska Harm.

Wohnen am Wasser mit kurzen Wegen zur Segelyacht: Das ist das Konzept zahlreicher neuer Yachthäfen, die derzeit in Deutschland vor allem an der Ostseeküste entstehen. In wenigen Jahren werden Segler zwischen Rügen und Flensburg Yachthäfen wie Perlen an einer Kette anfinden, einige von ihnen als „Fünf-Sterne-Hafen“, wie der bislang einzige deutsche in Heiligenhafen.

Denn viele Segler und Motorbootbesitzer sind heute nicht länger mit einem Steg zufrieden. Gewünscht werden bequemer Anschluss ans Stromnetz und Dienstleistungen von Volltanken bis Videoüberwachung. Marinas von Ammersee bis Bremerhaven erweitern ihr Angebot um Restaurants oder Konzerte oder sind wie die Lloyd Marina in Bremerhaven Teil eines Städtebauprojekts, auf Rügen verlegt die Wasserferienwelt Lauterbach die Ferienwohnungen neben dem Bootshafen gleich aufs Wasser. Yachthäfen wie die Hohe Düne in Rostock-Warnemünde bieten Komfort wie morgendlichen Brötchenservice oder Reinigung der Yacht. Die eigene Seewetter-Station informiert über die Winde. Und wer schnell anreisen möchte, der landet auf dem Helikopterlandeplatz.

Doch die Skipper mit ihren Booten sind für die Yachthafenbetreiber der Hohen Düne nicht nur einfach zahlende Mieter – sie sind so etwas wie atmosphärisches Kapital. Die im Wind klingelnden Maste sind optische wie akustische Kulisse, die Hotelgäste auch ohne Boot anlocken soll. An Land warten im Wellness-Center Lomi Lomi Nui-Massage und Chi-Therapie, das Gourmet-Restaurant „Der Butt“ soll Sternekoch Tillman Hahn auf die Reisekarte von Gourmets setzen.

Auch in der im Frühjahr dieses Jahres eröffneten Marina Boltenhagen an der Ostsee sind die Boote die Säulen der Szenerie. Dass an dieser Stelle gebaut werden durfte, verdanken die Touristen der Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Der Wandel des Wehrauftrages weg von flächendeckender Landesverteidigung und hin zu Kampfeinsätzen schneller Eingreiftruppen im Ausland machte viele Standorte überflüssig. Die Marine in Olpenitz sollte, so die Vorstellungen der Planer in den Fünfzigerjahren, davor schützen, dass Bomben des Ostblocks die Seewege von Kiel zerstörten. Erst löste sich diese Bedrohung in Luft auf, 2006 verschwanden auch die letzten Soldaten.

In Schleswig übernimmt ebenfalls wieder die Bevölkerung das Regiment in einem Abschnitt von zwei Kilometern entlang der Schlei. „Auf der Freiheit“ hieß das Areal, bevor es in den Dreißigerjahren vom Militär okkupiert wurde. Anfang September sollen die Genehmigungen für das Bauprojekt mit Yachthafen, Wohnungen, Hotel, Wellness-Anlage und Kulturräumen vorliegen.

Konversion heißt der Wandel von Kasernen in Hotels und von U-Boot-Molen in mit allem Komfort ausgestatteten Bootsstege. In Deutschland wurden auf diesem Wege Raketenstationen und Bunker zu Kunstmuseen, Kasernen zu mustergültigen Wohnanlagen.

In dem 1964 eröffneten Militärstützpunkt Olpenitz werden 170 Hektar Hafengebiet neu genutzt. Wären hier nicht bereits Betonpfeiler in den Boden gerammt und Atombunker bis zu 20 Meter tief im Erdreich eingelassen, bekäme kein Investor eine Baugenehmigung für ein solches Projekt. „Ich hätte nicht im Traum gedacht, in so einer Lage nach einer Genehmigung für einen Neubau zu fragen“, sagt Jaska Harm. Nach der Schließung der Kasernen zogen 2.000 Soldaten von drei Minensuchgeschwadern mit ihren Familien aus der Stadt Kappeln fort. Nun hoffen viele Bürger, dass das rund 500 Millionen Euro teure Projekt Touristen in die landschaftlich sehr reizvolle, aber strukturschwache Region lockt. Ende September plant der Bauträger die ersten Musterhäuser zu errichten, auf der Messe Hanseboote in Hamburg soll im Oktober der Verkauf beginnen, Harm rechnet im Schnitt mit einem Quadratmeterpreis von rund 3.500 Euro – inklusive Bootsliegeplatz.

Noch ist auf dem Beton von Olpenitz davon nichts zu sehen. Wo einst eine Turnhalle für die Soldaten stand, liegen Berge aus Klinkersteinen herum „Die Halle ist verkauft und abtransportiert worden“, sagt Ley, der auch die Einschusslöcher an einem der verfallenden Gebäuden erklären kann: „Hier haben eine Zeit lang Einsatzkommandos der Polizei geübt.“ Im Hafenbecken selber ankert derzeit nur das blaue Motorschiff eines Forschers, dem hier Unterschlupf gewährt wird.

2012 dann soll von dort der Blick auf ein Amphitheater fallen. Dahinter soll in weiteren Bauabschnitten der frühere, 35 Meter hohe Hügel „Oldenburg“ wieder errichtet werden, den die Militärs abgetragen hatten. Von der Seeseite soll der Blick auf Häuser am Hang fallen, der in seinem Inneren Garagen für Yachten, Ski-Langlaufhalle und ein Kinderparadies beherbergen soll.

An die Insel gewordenen Utopien der Scheichs in Dubai wie „The Palm“ oder „The World“ erinnern auch die Häuser mitten im Hafenbecken. Harm, der bereits in Rheinsberg in Brandenburg eine Ferienanlage für Bootsbesitzer und in Schweden das größte Einkaufszentrum des Landes gebaut hat, ist sich sicher, dass der Markt noch nicht gesättigt ist. „Die guten Liegeplätze sind überlaufen.“

Und Urlaub im eigenen Ferienhaus in der Nähe von Booten und Wasser scheint für viele Interessenten der Auslöser gewesen zu sein, den lang gehegten Wunsch nach einem Boot doch noch zu verwirklichen. „In Rheinsberg“, sagt Harm, „haben viele ein Haus gekauft, die noch gar kein Boot besaßen.“

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