Paketflut im Weihnachtsgeschäft Wie das eigene Wachstum für Paketdienste zum Fluch wird

Seite 3/3

Milliarden für neue Logistiknetze

Was das bedeutet, war im vergangenen Jahr in den USA zu beobachten: Kurz vor Weihnachten stapelten sich die Päckchen am UPS-Luftumschlagsplatz in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky. Die Sortieranlagen, deren Bänder sich durch mehrere Stockwerke schlängeln, reichten nicht aus, um die Masse an Weihnachtsgeschenken zu bewältigen. Gleichzeitig machten Winterstürme den Paketboten auf der Straße zu schaffen. Amazon musste Kunden, die Weihnachten ohne Geschenke feiern mussten, mit 20-Dollar-Gutscheinen besänftigen. Auch UPS kam das Chaos teuer: Der Konzern mit Sitz in Atlanta musste seine Gewinnprognose senken.

In Deutschland investieren die Unternehmen deshalb Milliarden in den Ausbau ihrer Logistiknetze. Alleine die Deutsche Post will 750 Millionen Euro in den Aus- und Neubau ihrer Paketumschlagzentren stecken, Hermes 300 Millionen Euro. UPS hat entschieden, eine Milliarde Euro aufzuwenden, um das Europa-Netzwerk zu vergrößern. Und DPD setzt auf neue Serviceleistungen für Privatkunden: Um die Konkurrenz auszustechen, will das Unternehmen die Zustellzeit auf 30 Minuten genau voraussagen und in Großstädten auch samstags ausliefern. „Natürlich ist das erst einmal eine Investition“, sagt Manager Winkelmann. „Aber wir müssen das machen, wenn wir den Kunden Service bieten wollen.“

Doch die Investitionen bergen Risiken. Was, wenn den erweiterten Umschlagzentren auf einmal einer der systemrelevanten Großkunden wegbricht? So wie Royal Mail in Großbritannien. Dort hat sich Amazon entschieden, einen eigenen Lieferdienst aufzubauen. Royal Mail musste die Wachstumsprognose um die Hälfte reduzieren.

„Früher haben wir darauf geachtet, was die Wettbewerber machen. Heute achten wir darauf, was die großen Online-Händler wie Amazon machen“, sagt DPD-Chef Winkelmann. „Das sind unsere Kunden. Aber wenn wir nicht aufpassen und da nicht den entsprechenden Service bringen, sind das morgen auch unsere Wettbewerber.“

Hilfe, mein Paket ist weg! Was tun?
Kann ich bestimmen, wo mein Paket landet?Zusteller dürfen Pakete nicht einfach so vor der Haustür abstellen - es sei denn, es liegt eine schriftliche Abstellerlaubnis vor, so die Zeitschrift „Test" der Stiftung Warentest. Mit dieser Erlaubnis muss der Empfänger die Annahme des Pakets nicht mehr per Unterschrift quittieren. Der Zusteller darf die Sendung stattdessen an einen vorher festgelegten Ort legen, beispielsweise in die Garage. Wird das Paket dann jedoch geklaut, haftet der Empfänger. Auch Transportschäden lassen sich in diesem Fall schwer reklamieren, da schlecht bewiesen werden kann, wer den Schaden verursacht hat. Wer sich dennoch für eine Abstellerlaubnis entscheidet, muss mit jedem Paketdienst einen separaten Ablagevertrag schließen. Quelle: dpa
Laut ihren Geschäftsbedingungen dürfen die Zusteller Pakete und Päckchen jedoch beim Nachbarn abgeben. Der Empfänger muss darüber mit einer "gut leserlichen" Karte informiert werden, schreibt "Test". Quelle: dpa
Eine andere Möglichkeit ist, sich die Sendungen an einen Wunschort zustellen zu lassen, beispielsweise an eine Packstation (DHL). Dort können Empfänger mit einer Kundenkarte plus Pin-Nummer rund um die Uhr ihre Bestellungen in Empfang nehmen. Sobald die Sendung in der Wunsch-Packstation bereit liegt, wird der Kunde per SMS oder eMail informiert. Quelle: Handelsblatt Online
DHL bietet neuerdings auch Paketkästen an, die Kunden etwa auf dem eigenen Grundstück aufstellen können. Hermes, DPD, UPS und GLS arbeiten nach eigenen Angaben gemeinsam an einer ähnlichen Paket-Box. Quelle: dpa
Gleichzeitig testet die Deutsche Post DHL den Einsatz von Drohnen zur Paketzustellung. Auch der US-Paketdienst UPS denkt nach eigenen Angaben über den Einsatz von solchen Fluggeräten nach, genauso wie der Online-Händler Amazon. Quelle: dpa
Was tun, wenn das Geschenk nicht bei mir ankommt?In der Regel sind Pakete bis zu einer Schadenshöhe von 500 bis 750 Euro versichert. Die Unternehmen haften bei Verlust bis zu diesem Wert. Bei Hermes sind auch Päckchen mit bis zu 50 Euro versichert. DHL versichert Päckchen nicht; wer versicherten Versand will, muss die Sendung als Paket verschicken lassen. Kommt nichts an, muss der Kunde den Verlust melden und einen Nachforschungsantrag stellen. Dafür nötig sind der Einlieferungsschein und eine genaue Beschreibung des Inhalts. Schadensersatz muss der Paketdienst demnach auch leisten, wenn es keinen Benachrichtigungsschein gibt und das Paket verschwunden ist. Die Stiftung Warentest rät aber, wertvolle Gegenstände und Bargeld ausschließlich per Wertversand zu verschicken. Quelle: dpa
Was tun, wenn das Paket beschädigt ist?Nachbarn sollten beschädigte Sendungen nicht annehmen, empfiehlt die Stiftung Warentest. Denn mit ihrer Unterschrift würden sie bestätigen, dass eine Lieferung in Ordnung ist. Der Empfänger selbst sollte ein ramponiertes Paket möglichst in Anwesenheit des Boten öffnen und Schäden sofort reklamieren. Ansonsten müssen Schäden binnen sieben Tagen beim Paketdienst gemeldet werden. Quelle: dpa

Denn die Internet-Käufer sind verwöhnt. Der kostenlose Versand gehört bei größeren Online-Shops zum Standard – und auch die kostenlose Rücksendung. „Die Kunden bestellen, und was ihnen nicht passt oder gefällt, schicken sie zurück. Das funktioniert genauso wie die Umkleidekabine im Geschäft“, sagt Dieter Urbanke, Geschäftsführer der Hermes-Tochter Fulfilment, die als Dienstleister für Online-Händler Rücksendungen abwickelt. Urbanke lässt zurückgeschickte Kleidung aufbügeln oder Elektronik und Möbel wieder einlagern. Für die Online-Händler sind Retouren ein Kostenfaktor – und trotzdem unverzichtbar. „Wer als Online-Händler Retouren erschwert, läuft Gefahr, die Nachfrage zu reduzieren“, sagt Urbanke.

Was die Online-Händler an Versandkosten nicht über den Preis an die Kunden weitergeben können, versuchen sie bei den Paketdiensten rauszuholen. Rund zwei Euro bezahlen Amazon oder Zalando pro Paket an die Kuriere, schätzen Branchenkenner. Doch in den vergangenen Jahren gelang es den Paketdiensten kaum, Preiserhöhungen durchzusetzen. Hermes will zum nächsten Jahr durchschnittlich 3,9 Prozent draufschlagen. Auch die Deutsche Post kündigte höhere Preise für Privatkunden an. „Wir sind zuversichtlich, dass man im Paketmarkt zum jetzigen Zeitpunkt Preiserhöhungen durchsetzen kann“, sagt Post-Chef Appel.

Paketbote Ulbrecht steht vor einer Packstation, einem Schließfachsystem für Pakete. Für die Kunden ist die Packstation ein zusätzlicher Service, weil sie nicht in der Schlange in der Postfiliale auf ihre Lieferungen warten müssen – für Ulbrecht bedeutet die Station weniger Arbeit. Er identifiziert sich mit einer Chipkarte, sofort springt ein Fach mit einem leisen Klick auf. „Retourensendung“, sagt er und schleppt den Karton zu seinem Lkw. Heute Abend landet das Paket wieder auf der Laderampe, damit es schnell zurück zum Lager des Online-Händlers findet – und danach zur Haustür des nächsten Kunden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%