Panama-Schiffe Vom Kanal auf den Schiffsfriedhof

Der Panamakanal eröffnet seine neuen Schleusen für größere Frachter. Hunderte Containerschiffe werden dadurch über Nacht wertlos. Das verschlimmert die Krise bei deutschen Reedern und Banken.

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Ausbau des Panamakanals: Nach neun Jahren Bauzeit eröffnet am Sonntag der verbreiterte Kanal zwischen Atlantik und Pazifik. Quelle: imago images

Das Los hat entschieden: Die chinesische Reederei Cosco ist die erste, die den erweiterten Panamakanal befahren darf. Ihr Schiff wird von dutzenden Staatschefs und tausenden Gästen bejubelt werden, wenn es das erste Mal durch die neuen Schleusen der berühmten Wasserstraße fährt. Die Chinesen fühlten sich so geehrt, dass sie ihrem Schiff erstmal einen neuen Namen verpassten: Statt wie bisher „Andronikos“ heißt der Frachter nun „Cosco Shipping Panama“.

Das Los hat gut gewählt: Die Cosco Shipping Panama steht stellvertretend für eine ganze neue Generation von Containerschiffen. 9400 Standardcontainer haben auf ihr Platz. Sie ist 300 Meter lang, mehr als 48 Meter breit. Damit hätte sie vor wenigen Wochen noch gar nicht durch den Panamakanal gepasst. Die Wasserstraße war zu schmal für die immer größeren Schiffe auf den Weltmeeren. Erst die neuen Schleusen und die verbreiterte Fahrtrinne machen den Weg frei.

Für Panama ist das ein Grund zu feiern. Fast neun Jahre hat der Bau der neuen Schleusen gedauert und dabei umgerechnet 4,7 Milliarden Euro verschlungen. Der Regierung war es das wert: Dank der Erweiterung, hoffen sie, bleibt der Panamakanal die wichtigste Wasserstraße der Welt. Sechs Prozent des Welthandels fließen durch den Kanal, und das nun auch auf größeren Frachtern.

Die Geschichte des Panamakanals

Für viele Schiffsbesitzer ist das ein Problem. Die neuen Giganten verdrängen die alten Schiffe aus dem Kanal. Mit der Eröffnung der neuen Schleusen verlieren hunderte Schiffe weltweit über Nacht massiv an Wert. Betroffen sind die „Panamax“-Schiffe, die in ihrer Länge, Breite und in ihrem Tiefgang so gebaut wurden, dass sie problemlos durch den Kanal passten. Sie sind bis zu 32,3 Meter breit und können zwischen 4000 und 5100 Standardcontainer transportieren.

Damit sind die Panamax-Schiffe Winzlinge auf den Weltmeeren. Dort pflügen mittlerweile Giganten mit Platz für bis zu 20.000 Standardcontainern durch das Wasser. Die Riesenfrachter gelten als profitabler, weil weniger Kosten und Treibstoff pro Container anfallen.

Nach acht Jahren Schifffahrtkrise ist das wichtiger als je zuvor: Weil es zu viele Schiffe auf den Meeren gibt, sacken die Preise - in der Schifffahrt Raten genannt - auf immer neue Tiefststände ab. Große Anbieter wie Maersk versuchen mit ihren Riesentankern und Tiefstpreisen die kleinen Reedereien von den Routen zu vertreiben. Wegen des Preiskampfs gibt es nur noch wenige Schifffahrtsunternehmen, die überhaupt profitabel fahren.

Mittlerweile parken viele Reedereien ihre Containerfrachter lieber irgendwo vor der Küste, statt mit ihnen von Hafen zu Hafen zu schippern. Besonders hoch ist die Quote bei den nun veralteten Panamax-Schiffen: Schon im April, zwei Monate vor der Eröffnung des Panamakanals, hatten 60 der Panamax-Schiffe keine Beschäftigung, berichtet der Branchendienst Alphaliner.

Die Schiffe haben gleich zwei große Mankos: Erstens gelten sie als nicht besonders gut gebaut. Wegen der alten Kanalschleusen haben sie besonders schmale Rümpfe. Das führt dazu, dass sie viel Wasser als Ballast aufnehmen müssen, um stabil zu fahren. Das begrenzt die Möglichkeiten, mehr Container zu transportieren. Und weil das Schiff nicht optimal in den Wellen liegt, hat es einen höheren Treibstoffverbrauch.

Zweitens gibt es wenig Gebiete, in denen die Panamax-Frachter noch gewinnbringend eingesetzt werden können. „Da kommen vor allem die Nord-Südverkehre, zum Beispiel von Amerika nach Südamerika oder von Europa nach Afrika beziehungsweise Lateinamerika in Frage“, sagt Burkhard Lemper, Professor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik.

Reeder in der Krise

Vor allem die Schiffsvermieter kann das in wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzen. Die sogenannten Charterreedereien betreiben in der Regel keine eigenen Routen, sondern vermieten ihre Frachter samt Personal an andere Reedereien. Doch die nehmen die Kähne nur zu Tiefstpreisen.

Der Schiffsvermieter Rickmers aus Hamburg hat erst kürzlich drei der Panamax-Schiffe für nur 4750 Dollar pro Tag vermietet, berichtet der Branchendienst Alphaliner. Das ist ein neuer Tiefpunkt in der Preisentwicklung. Rickmers macht damit ein dickes Minus: Die Kosten, die Schiffe zu betreiben, liegen laut Alphaliner bei 6700 Dollar pro Tag.

Lange können sich die Unternehmen das nicht leisten. „Am stärksten betroffen sind die Reedereien, wo die Charterverträge jetzt auslaufen. Es wird schwer, neue Beschäftigung für diese Schiffe zu finden“, sagt Hartmut Heckert, Schifffahrtsexperte der Unternehmensberatung KPMG.

Die Vorgeschichte des Panama-Kanals

Mit den Charterreedereien geraten die Banken in die Krise. Bemerkbar macht sich das in den Bilanzen großer Schiffsfinanzierer wie der HSH Nordbank. Sie muss bis 2018 verkauft oder abgewickelt werden. Viele Banken bewerten die Schiffe in ihren Portfolios noch immer viel zu hoch. Erst Ende März brummte die EU-Bankenaufsicht der Bremer Landesbank eine 700 Millionen Euro schwere Abschreibung auf ihr Schiffsportfolio auf. Die Bank muss nun gerettet werden. Doch die Mehrheitseigentümerin, die niedersächsische Landesbank NordLB, hat selbst mit problematischen Schiffsfinanzierungen zu kämpfen.

Bremen dürfte nicht der letzte Fall einer Bank gewesen sein, die Probleme mit der Finanzaufsicht kommt. Die Schifffahrtskrise verschlimmert sich, vor allem für die Panamax-Frachter. „Die Schiffe haben in den vergangenen Jahren ihre Kosten nicht immer einspielen können. Und das wird jetzt noch schwieriger“, warnt Professor Lemper. „Für die Banken ist es ein erhebliches Risiko, wenn die Charterraten weiter absinken“, sagt KPMG-Experte Heckert.

Die Konsequenz: „Wenn die Raten nicht steigen, könnte das mittelfristig bedeuten, dass man die Schiffe aus wirtschaftlicher Sicht schon relativ jung verschrotten muss“, so Lemper.

Bereits jetzt wandern selbst Schiffe, die gerade mal 14 Jahre alt sind, auf den Schrottplatz. Insgesamt seien seit Jahresanfang elf Panamax-Schiffe auf den Schiffsfriedhöfen gelandet, berichten die Branchenanalysten von Clarkson Research. Doch damit gibt es noch immer rund 800 Schiffe der Größenklasse, die auf den Weltmeeren nach Beschäftigung suchen.

Mit einer Alternative zur Verschrottung versucht es die Reederei NSB aus Buxtehude. Sie hat sich ein Verfahren patentieren lassen, mit dem Panamax-Schiffe verbreitert werden können. Dazu wird das Schiff in der Werft der Länge nach aufgeschnitten und auseinandergezogen. Drei Schiffe hat NSB nach diesem Prinzip bereits umgebaut.

Die Kapazität der MSC Geneva konnte NSB so von 4.872 Standardcontainern auf fast 6.300 Standardcontainer steigern. Doch weitere Verbreitungen seien erst mal nicht geplant, sagt ein Sprecher. Die Konkurrenz zeige zwar Interesse, hat aber noch keine Aufträge erteilt. Es fehlt wohl am Geld.

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