Das Los hat entschieden: Die chinesische Reederei Cosco ist die erste, die den erweiterten Panamakanal befahren darf. Ihr Schiff wird von dutzenden Staatschefs und tausenden Gästen bejubelt werden, wenn es das erste Mal durch die neuen Schleusen der berühmten Wasserstraße fährt. Die Chinesen fühlten sich so geehrt, dass sie ihrem Schiff erstmal einen neuen Namen verpassten: Statt wie bisher „Andronikos“ heißt der Frachter nun „Cosco Shipping Panama“.
Das Los hat gut gewählt: Die Cosco Shipping Panama steht stellvertretend für eine ganze neue Generation von Containerschiffen. 9400 Standardcontainer haben auf ihr Platz. Sie ist 300 Meter lang, mehr als 48 Meter breit. Damit hätte sie vor wenigen Wochen noch gar nicht durch den Panamakanal gepasst. Die Wasserstraße war zu schmal für die immer größeren Schiffe auf den Weltmeeren. Erst die neuen Schleusen und die verbreiterte Fahrtrinne machen den Weg frei.
Für Panama ist das ein Grund zu feiern. Fast neun Jahre hat der Bau der neuen Schleusen gedauert und dabei umgerechnet 4,7 Milliarden Euro verschlungen. Der Regierung war es das wert: Dank der Erweiterung, hoffen sie, bleibt der Panamakanal die wichtigste Wasserstraße der Welt. Sechs Prozent des Welthandels fließen durch den Kanal, und das nun auch auf größeren Frachtern.
Die Geschichte des Panamakanals
Der US-Senat billigt das Abkommen zum Panamakanal.
Das Ingenieurkorps des US-Heeres beginnt mit dem Kanalbau.
Die „SS Ancon“ passiert als erstes Schiff den Kanal.
US-Abenteurer Richard Halliburton schwimmt durch den Panamakanal und zahlt mit 36 Cent die niedrigste jemals entrichtete Passagegebühr.
Nach der Installation von Lampen am Culebra Cut und den Schleusen nimmt der Kanal den 24-Stunden-Betrieb auf.
Bei Protesten gegen die US-Verwaltung des Kanals kommen 22 Panamaer und vier US-Bürger ums Leben.
Betriebsamster Tag in der Geschichte des Panamakanals: 65 Schiffe passieren die Wasserstraße innerhalb von 24 Stunden.
Unterzeichnung des Torrijos-Carter-Vertrags. Das Abkommen sieht die Gründung einer binationalen Verwaltung vor und schreibt die endgültige Übergabe des Kanals an Panama für 1999 fest.
Das Tragflügelboot „Pegasus“ der US-Marine durchquert in zwei Stunden und 41 Minuten als schnellstes Schiff den Panamakanal.
Der Torrijos-Carter-Vertrag tritt in Kraft. Panama erlangt die Souveränität über sein gesamtes Staatsgebiet zurück.
Um den in Drogengeschäfte verwickelten Machthaber Manuel Noriega zu stürzen, marschieren US-Truppen in Panama ein. Der Verkehr im Kanal wird für über 29 Stunden eingestellt.
Die Kanalverwaltung ACP wird geschaffen. Sie ist unabhängig, überweist aber einen großen Teil ihrer Einnahmen an die Staatskasse.
Die USA übergeben die Kanalverwaltung an Panama.
Ein Volksentscheid zur Erweiterung des Kanals wird mit großer Mehrheit angenommen.
Beginn des Kanalausbaus.
Wegen eines Streits um Zusatzkosten zwischen der Kanalverwaltung und der Baufirma GUPC werden die Arbeiten für zwei Wochen eingestellt.
Der Panamakanal feiert seinen 100. Geburtstag.
Die Tests der neuen Schleusentore beginnen.
Für viele Schiffsbesitzer ist das ein Problem. Die neuen Giganten verdrängen die alten Schiffe aus dem Kanal. Mit der Eröffnung der neuen Schleusen verlieren hunderte Schiffe weltweit über Nacht massiv an Wert. Betroffen sind die „Panamax“-Schiffe, die in ihrer Länge, Breite und in ihrem Tiefgang so gebaut wurden, dass sie problemlos durch den Kanal passten. Sie sind bis zu 32,3 Meter breit und können zwischen 4000 und 5100 Standardcontainer transportieren.
Damit sind die Panamax-Schiffe Winzlinge auf den Weltmeeren. Dort pflügen mittlerweile Giganten mit Platz für bis zu 20.000 Standardcontainern durch das Wasser. Die Riesenfrachter gelten als profitabler, weil weniger Kosten und Treibstoff pro Container anfallen.
Nach acht Jahren Schifffahrtkrise ist das wichtiger als je zuvor: Weil es zu viele Schiffe auf den Meeren gibt, sacken die Preise - in der Schifffahrt Raten genannt - auf immer neue Tiefststände ab. Große Anbieter wie Maersk versuchen mit ihren Riesentankern und Tiefstpreisen die kleinen Reedereien von den Routen zu vertreiben. Wegen des Preiskampfs gibt es nur noch wenige Schifffahrtsunternehmen, die überhaupt profitabel fahren.
Mittlerweile parken viele Reedereien ihre Containerfrachter lieber irgendwo vor der Küste, statt mit ihnen von Hafen zu Hafen zu schippern. Besonders hoch ist die Quote bei den nun veralteten Panamax-Schiffen: Schon im April, zwei Monate vor der Eröffnung des Panamakanals, hatten 60 der Panamax-Schiffe keine Beschäftigung, berichtet der Branchendienst Alphaliner.
Die Schiffe haben gleich zwei große Mankos: Erstens gelten sie als nicht besonders gut gebaut. Wegen der alten Kanalschleusen haben sie besonders schmale Rümpfe. Das führt dazu, dass sie viel Wasser als Ballast aufnehmen müssen, um stabil zu fahren. Das begrenzt die Möglichkeiten, mehr Container zu transportieren. Und weil das Schiff nicht optimal in den Wellen liegt, hat es einen höheren Treibstoffverbrauch.
Zweitens gibt es wenig Gebiete, in denen die Panamax-Frachter noch gewinnbringend eingesetzt werden können. „Da kommen vor allem die Nord-Südverkehre, zum Beispiel von Amerika nach Südamerika oder von Europa nach Afrika beziehungsweise Lateinamerika in Frage“, sagt Burkhard Lemper, Professor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik.
Reeder in der Krise
Vor allem die Schiffsvermieter kann das in wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzen. Die sogenannten Charterreedereien betreiben in der Regel keine eigenen Routen, sondern vermieten ihre Frachter samt Personal an andere Reedereien. Doch die nehmen die Kähne nur zu Tiefstpreisen.
Der Schiffsvermieter Rickmers aus Hamburg hat erst kürzlich drei der Panamax-Schiffe für nur 4750 Dollar pro Tag vermietet, berichtet der Branchendienst Alphaliner. Das ist ein neuer Tiefpunkt in der Preisentwicklung. Rickmers macht damit ein dickes Minus: Die Kosten, die Schiffe zu betreiben, liegen laut Alphaliner bei 6700 Dollar pro Tag.
Lange können sich die Unternehmen das nicht leisten. „Am stärksten betroffen sind die Reedereien, wo die Charterverträge jetzt auslaufen. Es wird schwer, neue Beschäftigung für diese Schiffe zu finden“, sagt Hartmut Heckert, Schifffahrtsexperte der Unternehmensberatung KPMG.
Die Vorgeschichte des Panama-Kanals
Der spanische Kaiser Karl V. gibt den Anstoß, in Panama nach einem Seeweg zwischen Atlantik und Pazifik zu suchen. Ausgangspunkt ist der Río Chagres, ein von Christoph Columbus entdeckter Fluss, dessen Mündung im Karibischen Meer liegt. Vier Jahre später beauftragt der Kaiser Hernando de la Serna 1527 nach einem geeigneten Weg für den Bau eines Kanals zu suchen.
Der Spanier Alvarado de Saavedra Colon entwirft die ersten Pläne zum Bau der Wasserstraße, realisiert wird das Projekt aber nicht. Anfang des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich auch der Forscher Alexander von Humboldt damit.
Nach dem in Kalifornien Gold gefunden wird, überqueren zahlreiche Goldgräber die Landenge auf einer Fluss-Land-Route, außerdem wird die Lizenz zum Bau einer Eisenbahnverbindung vergeben.
Der finanzielle Erfolg des 1869 eröffneten Suez-Kanals in Ägypten veranlasst Geschäftsleute in Frankreich dazu, zur Finanzierung eines Kanals zwischen Atlantik und Pazifik die Société Civile Internationale du Canal Interocéanique (SCIdCI) zu gründen.
Die Panamakanal-Gesellschaft erwirbt die von der kolumbianischen Regierung – zu deren Hoheitsgebiet gehört Panama zu der Zeit - erteilte Konzession zum Bau des Kanals von der (SCIdCI), Präsident der Gesellschaft wird der 73 Jahre alte Graf Ferdinand de Lesseps, der schon den Suez-Kanal gebaut hat.
Baubeginn für den Kanal. Geplant ist eine 73 Kilometer lange Wasserstraße ohne Schleusen, die Finanzierung übernimmt die Aktiengesellschaft Compagnie Universelle du Canal Interocéanique. Die Platzierung der Aktien ist kein Problem, die Anteilseigner rechnen mit einer hohen Rendite wie schon bei den Suez-Kanal-Aktien.
Bis zur Unterbrechung der Bauarbeiten kommen rund 22 000 Arbeiter ums Leben, hauptsächlich durch Gelbfieber und Malaria. Die Krankheiten, gegen die es noch keine Gegenmittel gibt, sind eine der Ursachen dafür, dass der Kanalbau 1889 abgebrochen werden muss. Der andere: Der Kanalgesellschaft, die bis zu diesem Zeitpunkt schon 287 Millionen Dollar investiert hat, geht das Geld aus, die Ausgabe neuer Schuldverschreibungen und eine Lotterie reichen nicht aus, um ausreichend Mittel aufzutreiben. Ein weiterer Grund sind technische Probleme und Planungsfehler.
Ferdinand de Lesseps revidiert die Pläne und schließt einen Vertrag mit Eiffelturm-Erbauer Gustave Eiffel. Dessen Ingenieurbüro soll bis 1890 einen Schleusenkanal realisieren. Die Kosten werden auf 1,6 Milliarden Goldfranken veranschlagt. Doch neue Planungsmängel, Fehler bei den geologischen Untersuchungen und bei der Organisation sowie technische Probleme führen dazu, dass die Compagnie Universelle du Canal Interocéanique 1888 zahlungsunfähig wird, ein Jahr später werden die Bauarbeiten eingestellt. Pleite und Einstellung lösen den Panamaskandal aus, einen der größten Finanzskandale des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
Die Compagnie Nouvelle du Canal de Panama übernimmt als Auffanggesellschaft die Fortführung der Planungen.
Verkauf des zu rund 40 Prozent fertiggestellten Kanals sowie der dazugehörigen Konzession zum Bau an die USA zum Preis von 40 Millionen Dollar. Nach dem Erwerb der Konzession verlangen die USA von Kolumbien die Abtretung des Panamakanalgebiets.
Kolumbien weigert sich, das Gebiet den USA zu überlassen. Darauf entsenden die USA im November Truppen, die das Gebiet besetzen und den neuen Staat Panama gründen. Die US-Regierung will so sicherstellen, dass der aus strategischen Gründen für notwendig gehaltene Kanal möglichst schnell fertig gestellt werden kann. Im sogenannten Hay-Bunau-Varilla-Vertrag wird vereinbart, dass den USA auf unbegrenzte Zeit die Kontrolle über die 10 Meilen breite Kanalzone übertragen wird, die territoriale Souveränität bleibt bei Panama. Im Gegenzug zahlen die USA einmalig 10 Millionen Dollar und ab 1913 außerdem jährliche Gebühren von 250 000 Dollar in Gold.
Der US-Ingenieur John Frank Stevens erhält den Auftrag zur Planung des Weiterbaus. Er setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Kanalarbeiter ein, um so die vielen krankheitsbedingten Ausfälle zu verringern. 1907 kündigt Stevens seinen Vertrag. Sein Nachfolger wird US-General George Washington Goethals. Er leitet die Bauarbeiten bis zur Fertigstellung.
Am 15. August passiert das Paketschiff „Ancona“ mit 200 Passagieren an Bord als erstes Wasserfahrzeug den fertigen Panamakanal in voller Länge. Die Kosten inklusive Schleusen und Stauseen addieren sich auf 386 Millionen Dollar, auch in der letzten Bauphase zwischen 1906 und 1914 kommen nochmals 5600 Arbeiter durch Unfällen und Krankheit ums Leben. Insgesamt forderte der Bau des Kanals damit rund 28 000 Menschenleben.
Mit den Charterreedereien geraten die Banken in die Krise. Bemerkbar macht sich das in den Bilanzen großer Schiffsfinanzierer wie der HSH Nordbank. Sie muss bis 2018 verkauft oder abgewickelt werden. Viele Banken bewerten die Schiffe in ihren Portfolios noch immer viel zu hoch. Erst Ende März brummte die EU-Bankenaufsicht der Bremer Landesbank eine 700 Millionen Euro schwere Abschreibung auf ihr Schiffsportfolio auf. Die Bank muss nun gerettet werden. Doch die Mehrheitseigentümerin, die niedersächsische Landesbank NordLB, hat selbst mit problematischen Schiffsfinanzierungen zu kämpfen.
Bremen dürfte nicht der letzte Fall einer Bank gewesen sein, die Probleme mit der Finanzaufsicht kommt. Die Schifffahrtskrise verschlimmert sich, vor allem für die Panamax-Frachter. „Die Schiffe haben in den vergangenen Jahren ihre Kosten nicht immer einspielen können. Und das wird jetzt noch schwieriger“, warnt Professor Lemper. „Für die Banken ist es ein erhebliches Risiko, wenn die Charterraten weiter absinken“, sagt KPMG-Experte Heckert.
Die Konsequenz: „Wenn die Raten nicht steigen, könnte das mittelfristig bedeuten, dass man die Schiffe aus wirtschaftlicher Sicht schon relativ jung verschrotten muss“, so Lemper.
Bereits jetzt wandern selbst Schiffe, die gerade mal 14 Jahre alt sind, auf den Schrottplatz. Insgesamt seien seit Jahresanfang elf Panamax-Schiffe auf den Schiffsfriedhöfen gelandet, berichten die Branchenanalysten von Clarkson Research. Doch damit gibt es noch immer rund 800 Schiffe der Größenklasse, die auf den Weltmeeren nach Beschäftigung suchen.
Mit einer Alternative zur Verschrottung versucht es die Reederei NSB aus Buxtehude. Sie hat sich ein Verfahren patentieren lassen, mit dem Panamax-Schiffe verbreitert werden können. Dazu wird das Schiff in der Werft der Länge nach aufgeschnitten und auseinandergezogen. Drei Schiffe hat NSB nach diesem Prinzip bereits umgebaut.
Die Kapazität der MSC Geneva konnte NSB so von 4.872 Standardcontainern auf fast 6.300 Standardcontainer steigern. Doch weitere Verbreitungen seien erst mal nicht geplant, sagt ein Sprecher. Die Konkurrenz zeige zwar Interesse, hat aber noch keine Aufträge erteilt. Es fehlt wohl am Geld.