Prüfer auf dem Prüfstand Stiftung Warentest in der Kritik

Die Stiftung Warentest ist eine Institution - bislang zumindest. Doch das Image der vermeintlich unfehlbaren Tester bekommt zunehmend Kratzer. Kritiker werfen der Stiftung vor, Ängste bewusst zu schüren.

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Die Stiftung Warentest wird von Kritikern hart angegangen. Quelle: dapd

Aufgebauscht und überzogen? Deutschlands wichtigste Verbraucher-Institution eine Luftnummer? Die Stiftung Warentest muss sich harter Kritik stellen. In der "Welt am Sonntag" (WamS) meldeten sich Wissenschaftler und Politiker zu Wort, die Zweifel an den Methoden der Warentester üben.

Michael Braungart, wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts, wirft der Stiftung vor, sie schüre "Ängste unter den Verbrauchern, die teils völlig unberechtigt sind". Und auch der Vizepräsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Reiner Wittkowski erklärt: "Problematisch kann es sein, wenn die Stiftung ihre Testergebnisse so kommuniziert, dass diese zu vermeintlichen Gesundheitsrisiken aufgeblasen werden."

Die WamS verwies auf mehrere angeblich zweifelhafte Test-Ergebnisse. So sprach die Stiftung Warentest unter anderem eine Warnung vor Mineral-Öl in einem Adventskalender aus. Das sei stark übertrieben, urteilt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Auch an der Seriösität eines Testberichts über einen Babygreifring gibt es Zweifel: Während laut WamS unabhängige Tester ein Stück Gummischnur im Inneren des Kinder-Spielzeug als „sehr theoretische Gefahr“ einstuften, prangerte die Stiftung Warentest das Produkt als krebserregend und "lebensgefährlich" an.

Strenger als das Gesetz

Die Kritiker bemängeln insbesondere, dass die Stiftung bei Schadstoff-Tests eigene Qualitätskriterien bei ihren Test anlegt. Die sind teils deutlich strenger als die gesetzlichen Grenzwerte. Produkte bekommen demnach schlechte Note, obwohl sie sich an das Gesetz halten.  Die Regelungen der EU-Spielzeugrichtlinie seien eben "in unseren Augen in mehreren Punkten nicht streng genug", erklärt die Stiftung Warentest dazu.

NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel nimmt die Stiftung hingegen in Schutz. Es sei ihre Aufgabe, politische Diskussionen anzustoßen und strenge Regeln anzuwenden. Das müsse allerdings deutlich gekennzeichnet werden. "Auch die Stiftung muss sich bei den Prüfkriterien an dem Transparenz-Gedanken messen lassen", so Remmel.

Diesen Vorwurf wollen die Warentester nicht auf sich sitzen lassen. "Es gibt keine Testorganisation, die ihr Vorgehen transparenter darstellt als die Stiftung Warentest", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Sie verwies darauf, dass die Bewertungs-Kriterien für Unternehmen und Leser klar und nachvollziehbar dargestellt werden. Auch die übrigen Vorwürfe der Kritiker seien nicht berechtigt.

Als Kontrollinstanz gebe es unter anderem ein Kuratorium, das jedem Test widersprechen könne. Das Besondere: Es besteht zu je einem Drittel aus Vertretern der Anbieterseite, neutralen Sachverständigen und Verbrauchervertretern.

Glaubwürdigkeit in Gefahr

Gegen Ritter Sport kassierte die Stiftung Warentest vor Gericht eine Niederlage. Quelle: dpa

Doch diese Mechanismen können nicht verhindern, dass das Bild der unfehlbaren Warentester ins Wanken geraten ist. Immer häufiger wehren sich die Hersteller gegen die Urteile. Denn der Schaden einer schlechten Note ist enorm. Nicht nur lesen Tausende die Tests selbst. Die Ergebnisse werden auch von anderen Medien übernommen und zitiert. Wer in ihren Test schlecht abschneidet, muss sich Sorgen um seine Verkaufszahlen machen. Ein "mangelhaft" im Warentest-Urteil kann zum Misserfolg eines ganzen Produktes führen.

Auch die Warentest-Sprecherin weiß,  "dass die öffentliche Kritik, besonders von Anbietern, an unserer Arbeit zugenommen hat."

Zuletzt zog Ritter Sport gegen die Stiftung Warentest vor Gericht – und gewann. Nach einem Urteil des Landgerichts München dürfen die Prüfer der Stiftung Warentest dem Schokoladenhersteller nicht mehr vorwerfen, seine Produkte irreführend gekennzeichnet zu haben.

In einem Test von Vollmilch-Nuss-Schokoladen hatte die Stiftung der Ritter Sport-Tafel die Note "mangelhaft" gegeben, weil die Schokolade das Vanille-Aroma Piperonal enthalte, das künstlich hergestellt worden sei. Das Verpackungs-Versprechen "natürliches Aroma" sei also falsch und irreführend, so der Vorwurf.

Das sah das Landgericht anders, die Warentester erlitten eine bittere Niederlage. Aber: "Der Gerichtsstreit mit Ritter Sport ist noch nicht zu Ende", erklärt die Warentest-Sprecherin und verweist darauf, dass bereits Berufung eingelegt wurde.

Dass die Stiftung Warentest mit aller Macht gegen das Gerichtsurteil vorgeht und sich gegen die Kritiker wehrt, ist kein Wunder. Bislang galten die Urteile der Organisation als nahezu unangreifbar. Macht und Einfluss der Warentester basieren einzig und allein auf ihrer Glaubwürdigkeit und dem Vertrauen der Öffentlichkeit. Das ist bislang enorm.

Aus einer repräsentativen Umfrage, die der Wirtschaftswoche vorliegt, geht hervor, dass die Deutschen der Stiftung sehr viel mehr vertrauen als staatlichen Institutionen. 82 Prozent der Befragten bringen ihr sehr großes oder großes Vertrauen entgegen, wenn es um die Durchsetzung von Verbraucherinteressen geht. Zum Vergleich: Die Verbraucherzentrale kommt auf 77 Prozent, das Bundesamt für Verbraucherschutz auf 60 Prozent und Parteien auf gerade einmal 14 Prozent an positiven Stimmen.

Sollte dieses Vertrauen unter der anhaltenden Kritik und durch Fehlurteil leiden, wäre die Stiftung Warentest 50 Jahre nach ihrer Gründung in Gefahr. Kein Verbraucher braucht einen Wächter, dem nicht zu vertrauen ist.

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