Der Papier-Deal sorgte für Furore: 64 Rollen Toilettenpapier mit "Schmetterlings- oder Wellenprägung" für 17,90 Euro bot das Rabattportal Groupon seinen Kunden Ende September an. Schließlich, so befanden die Groupon-Werbetexter, "sollte man für alle Eventualitäten immer einen ausreichenden Vorrat in der Wohnung haben". Drei Lagen für den Verkaufserfolg? Wenn Groupon jetzt schon Klopapier verhökert, müsse so einiges am Dampfen sein – nur nicht das Geschäft, spotten frühere Mitarbeiter über die papierene Offerte.
Tatsächlich stellt sich die Frage, wie es mit Groupon weitergeht, jenem Online-Imperium, das innerhalb weniger Jahre von einer Chicagoer Hinterhofbude zum milliardenschweren Konzern avancierte, eine millionenfache Fangemeinde erobert und einen weltweiten Rabattrausch im Internet entfacht hat, um anschließend in eine nicht minder spektakuläre Krise zu geraten.
Erst gefeiert, dann vergessen?
Dabei schien sich die Groupon-Story nahtlos in die Riege der Online-Erfolgsgeschichten von Google, Facebook oder Amazon einzureihen. Händler, Gastronomen und Dienstleister können über zeitlich befristete Rabattangebote – die sogenannten Deals – neue Kunden gewinnen. Erstmals bekamen lokale Unternehmen so eine Marketingplattform im Netz.
Doch im November 2011 sorgte Groupon mit einem Skandalbörsengang für weltweite Schlagzeilen. Die Aktien wurden für 20 Dollar ausgegeben und stiegen vorübergehend auf 31 Dollar. Ein Jahr später notierte die Aktie unter vier Dollar. Denn die Geschäfte brachen ein, das Unternehmen stürzte in ein Führungschaos, selbst Gründer Andrew Mason musste den Chefposten räumen.
Nun, nach Rabattmanie und Deal-Depression, beginnt die entscheidende Phase. Kann Groupon auf Dauer in der ersten Online-Liga mitspielen, oder ist dem Portal das Schicksal der Digitalwelt Second Life und der mittlerweile abgeschalteten Suchmaschine Altavista beschieden – erst gefeiert, dann vergessen? Der deutschen Groupon-Dependance kommt dabei besondere Bedeutung zu. Denn von Berlin aus steuerte das Management jahrelang Groupons internationale Expansion. Zugleich treten wohl nirgendwo sonst die Schwächen des Geschäftsmodells stärker zutage, haben die Sünden der Vergangenheit gravierendere Auswirkungen als in Deutschland.
Die erfolgreichsten Groupon-Deals
Der mittlerweile zu LÓreal gehörige Body Shop bot via Groupon den "Deal" über einen 35-Euro-Wertgutschein auf das komplette Sortiment an. Der Gutschein kostete nur 17,50.
Sogar 54 Prozent Rabatt gab es auf "Irischen Wildlachs mit Pulpetti, Avocado, Buchenpilzen, Fichtennadeln, Grapefruit und Cacao, gefolgt von gebratener Wachtelbrust mit dreierlei Kürbis, Röstzwiebeln und Chaitee, geangeltem Heilbutt mit Frankfurter grüner Sauce im Knusper, Walnüssen und Essenz vom Iberischen Schwein, außerdem auf Entrecote mit Romanesco, Topinambur, Hagebutten und Nussbutterschaum und Berliner Herbst". Dieses Fünf-Gänge-Menü gab es mit "korrespondierender Weinbegleitung" im Berliner Restaurant Filetstück für 99 Euro statt für 214.
Wählen konnten Familien beim Legoland-"Deal": Das Familien-Ticket für 3 Personen gab es für 58 Euro statt 117 Euro, für 4 Personen zahlte der Groupon-Nutzer 77 Euro statt 154 Euro und 5 Personen zahlten 95 Euro statt 191 Euro Eintritt. Gültig war der "Deal" im Legoland Billund in Dänemark. Dafür gab´s "Ritter, Piraten und Abenteurer" und "Berühmte Städte und Landschaften Europas - aus 20 Millionen Lego-Steinen nachgebaut".
53 Prozent Ersparnis gab es auf die "Lichterfahrt" oder "historische Dampferfahrt" durch den Hamburger Hafen für Zwei. Die Fahrt gab es für 14,90 Euro.
Wer auf Starbucks steht, bekam beim Starbucks-"Deal", was das Herz begehrt: Kaffeebohnen und Merchandise, Muffins, New York Cheesecake, Cookies, Brownies, herzhafte Snacks - und auch Kaffee - konnte man sich mit der Starbucks Card, aufgeladen mit einem Guthaben von 10 Euro, kaufen. Ein guter "Deal" zumindest für Groupon und Starbucks: Die Kaffee-Kette wirbt auf der Groupon-Seite ihrerseits schon mit der Aussicht auf neue Vergünstigungen: "Zahlreiche Vorzüge und exklusive Angebote" gebe es - bei "Registrierung des Starbucks Card Gutscheins und Teilnahme am My Starbucks Rewards Treueprogramm". Kunden, die Groupon nutzen, dürften anderen Verlockungen dieser Art prinzipiell auch nicht abgeneigt sein - und das Starbucks-Treueprogramm für sich entdecken.
Der nie in Betrieb genommene "Schnelle Brüter" in Kalkar ist heute ein Freizeitpark. Auch hier konnte man 50 Prozent sparen - die Eintrittskarte gab es inklusive All-You-can-Eat (für Pommes Frites, Softeis und Getränke) für 12,25 Euro.
Irgendetwas für "die Hälfte" zu bekommen, scheint potenzielle Kunden besonders anzulocken, und so war auch der "Deal" des Alpincenter Bottrop ein 50-prozentiger Rabatt - auf ein All-Inclusive-Tagesticket (Pistennutzung, Materialverleih, Buffet, Getränke). Das alles gab´s für 19 Euro.
Der Multiplex-Riese UCI Kinowelt bot in Zusammenarbeit mit Groupon 5 Tickets für 27 Euro feil - und damit für den halben regulären Preis. Dabei waren die Tickets relativ frei einlösbar - alle zusammen (beworben wurde ein "Männerabend" mit "knallharter Action") oder einzeln nacheinander für verschiedene Filme. Auch beim Besuch von Logenplätzen oder Überlänge des Films galt der "Deal" - ein möglicher 3D-Zuschlag war aber nicht enthalten.
Auch im Frankfurter Zoo gab´s via Groupon 50 Prozent Rabatt. Zwei Tageskarten kosteten statt 20 Euro nur noch 10.
Oberstes Ziel: Schwarze Zahlen
Emanuel Stehle wirkt auf den ersten Blick, als käme er gerade vom Fotoshooting für den jüngsten Fitnessstudio-Deal: 1,90 Meter groß, welliges Haar, Drei-Tage-Bart. Unter dem Sakko trägt er ein T-Shirt mit dem Aufdruck: The Local Firm. Das Shirt habe er kürzlich in einem Shop im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gekauft, weil es perfekt zu seinem Job passe, sagt Stehle.
Er ist seit Ende Juli als Deutschland-Chef des Rabattportals dafür verantwortlich, dass jeden Tag reihenweise schmissig betexte Angebote von Restaurants und Cafés, Wellnessoasen und Zahnkliniken via Facebook oder E-Mail-Newsletter ihren Weg zu den Kunden finden. Eine heikle Mission, denn Stehle kämpft an allen Fronten.
Sein vorrangiges Ziel: Er muss dafür sorgen, dass Groupon auf dem wichtigsten europäischen Markt endlich schwarze Zahlen schreibt. Seit 2010 hat die deutsche Dependance Verluste von insgesamt mehr als 60 Millionen Euro angehäuft, geht aus den Jahresabschlüssen hervor. Das Portal dürfte 2012 in Deutschland rund 80 Millionen Euro umgesetzt haben, schätzen Insider. Für 2013 hat die Geschäftsführung einen "niedrigen einstelligen Millionengewinn" versprochen.