Randstad-Chef Jacques van den Broek "Kritik an der Zeitarbeit ist paradox"

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"Für die Sorgen der Wirtschaft in Europa sind wir die Lösung, nicht das Problem"

Könnten Sie mit einer größeren Übernahme den Spezialistenbereich stärken?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Übernahme vor allem dann gut gelingt, wenn man selber seine Hausaufgaben in dem jeweiligen Geschäftsbereich gemacht hat. Daran arbeiten wir derzeit intern. Daher wäre es jetzt kein guter Moment, um im Professionals-Bereich in Deutschland etwas zu kaufen.

Was sich Fachkräfte von Zeitarbeit versprechen

Wie unterscheiden sich die Margen zwischen einfacher Zeitarbeit und dem Spezialistenbereich?

In unserer weltweiten Strategie streben wir insgesamt einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von fünf bis sechs Prozent an: vier bis fünf im Inhouse-Bereich, also mit Sitz im Kunden-Unternehmen, fünf bis sieben Prozent im einfachen und acht Prozent im Professionals-Bereich.

Ist Deutschland ein Krisenland im Portfolio der weltweit insgesamt 39 Randstad-Gesellschaften?

Nein. Wenn zehn Prozent des Geschäfts einen Mangel an Wachstum hat, ist das keine Krise. Deutschland ist wichtig für uns, die größte Wirtschaft Europas mit weniger Zeitarbeitskräften als im europäischen Durchschnitt – also mit viel Potenzial.

Manpower ist in 80 Ländern aktiv, Adecco in 60. Lassen Sie Chancen ungenutzt?

Die 39 Länder rund um den Globus decken 90 bis 95 Prozent des Weltmarktes ab. Es ist leichter, in einem florierenden Markt zwei oder drei gute Leute im Management zusätzlich einzustellen und damit zwei, drei Millionen Euro zusätzlichen Umsatz zu erwirtschaften, als in Ländern mit kleineren Märkten mit geringem Potenzial neu einzusteigen und jahrelang Anlaufverluste zu haben. Es gibt allenfalls zwei oder drei Länder, die für uns noch interessant sein könnten in den nächsten drei bis fünf Jahren. Aber kurzfristig haben wir nicht die Absicht, in neue Märkte einzusteigen.

Die Tricks der schwarzen Schafe
Ab 1. November 2012 erhalten Zeitarbeitskräfte, die mehr als sechs Wochen in der Metall- oder Chemieindustrie eingesetzt sind, mehr Geld. Mit 15 Prozent Zuschlag auf den normalen Zeitarbeitstarif fängt es an, mit 50 Prozent ist die höchste von fünf Zuschlagsstufen nach neun Monaten erreicht. Viele Zeitarbeitsunternehmen verstehen das als Chance, die Zeitarbeit auch für Fachkräfte attraktiver zu machen – gut so. Schwarze Schafe aber .... Quelle: dpa
..... werden wieder versuchen, die Mehrkosten zu vermeiden. Mit dem Ziel Kunden zu halten, die nicht an der Qualität der Dienstleistung interessiert sind, sondern einzig und allein auf billigste Arbeit setzen. 1. Trick: Branchenzuteilung umgehen Die erste Idee, auf die die Trickser vermutlich kommen: Sie werden vermeiden wollen, in eine der Zuschlags-Branchen eingeteilt zu werden – etwa mit dem Hinweis, zwar ein metallverarbeitendes Unternehmen zu sein, jedoch keinen Metall-Tarif anzuwenden. Ist aber leider irrelevant, der Dreh. Denn die Zugehörigkeit zu einer im Tarifvertrag genannten Branche geht vor. Welchen Tarifvertrag ein Betrieb für die Stammbelegschaft anwendet, ist sekundär. Gleiches gilt für den Trick, aufgrund einer Logistikabteilung im Betrieb plötzlich zum Handel zählen zu wollen. Denn ob Zuschläge zu zahlen sind, hängt davon ab, welcher Branche die überwiegend geleisteten Arbeitsstunden eines Betriebes zuzurechnen sind. Am Ende sind alle dann plötzlich Handwerker und damit zuschlagsfrei? Geht auch nicht, weil schon eine Anfrage bei der Handwerkskammer die Lüge entlarven wird. Dieses Schlupfloch ist nur scheinbar genial – und leicht durchschaubar. Quelle: dpa
2. Trick: Dienstleistungs-GmbHDann eben eine andere Idee? „Praktisch wäre es doch, plötzlich eine „Dienstleistungs-GmbH“ als Untergesellschaft des Produktionsbetriebes zu haben, die keiner Branche angehört, keinen Tarifvertrag anwendet und dort alle Zeitarbeitnehmer einstellt, die dann am Ende doch in der Produktion arbeiten. Dies aber ist juristisch betrachtet ein Umgehungstatbestand, denn auch Neben- und Dienstleistungsbetriebe sind von der Geltung des Branchenzuschlag-Tarifvertrags für die Muttergesellschaft erfasst. Ganz gefährlich also!“ Quelle: Fotolia
3. Trick VergleichsentgeltSchlupfloch Nummer drei scheint eine Alternative zu sein: das Vergleichsentgelt. Ein entleihender Betrieb kann die Lohnzuschläge deckeln oder ganz verhindern – nämlich dann, wenn die eingesetzten Zeitarbeitskräfte dadurch mehr verdienen würden als die Stammkräfte des entleihenden Betriebs für dieselbe Tätigkeit. Gibt der Betrieb Vergleichsentgelte von 8,00 Euro an, kommt niemals ein Branchenzuschlag zur Auszahlung, da schon die unterste Entgeltstufe für den Zeitarbeiter in Westdeutschland bei 8,19 Euro liegt. Aber Vorsicht: Vergleichsentgelte müssen belastbar, schriftlich, mit Unterschrift und Stempel vom Kunden (!) dokumentiert werden. Macht der entleihende Betrieb vorsätzlich falsche Angaben, um die Lohnzuschläge zu vermeiden, so ist dies das vorsätzliche Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsabgaben. Mit ausgesprochen unangenehmen Konsequenzen für Einsatzunternehmen und Personaldienstleister: Es drohen empfindlich Geldbußen, und nachzuzahlen sind die erschwindelten Einsparungen natürlich auch. Quelle: Fotolia
4. Trick: WerkvertragZu riskant, denkt sich der Trickser, und kommt auf Idee Nummer vier: Dann übertrage wir doch alle Zeitarbeitnehmer in einen Werkvertrag und machen weiter wie bisher – ohne Tarifvertrag. „Stopp! Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Werkvertrag sind klar beschrieben und werden sehr eng ausgelegt. Ist der Werkvertrag rechtlich nicht haltbar, so gilt die Vermutung der Arbeitnehmerüberlassung. Hat der Dienstleister dann keine Lizenz zur Arbeitnehmerüberlassung, hat er sich der illegalen Arbeitnehmerüberlassung schuldig gemacht. Den Mitarbeitern steht auch in diesem Fall rückwirkend das Entgelt zu, das sie als Zeitarbeitnehmer bekommen hätten, einschließlich der Sozialversicherungsabgaben an die Krankenkassen. Die Fahnder des Zolls werden das sehr genau prüfen. Also Finger weg!“ Quelle: dpa/dpaweb
5. Trick: MitarbeiterrotationNoch gibt das schwarze Schaf nicht auf und entdeckt Trick fünf: Dann lassen wir eben alle Mitarbeiter rotieren! Jeden Einsatz melden wir einen Tag vor der Stufe zwei ab – also nach knapp drei Monaten - und holen uns neue Mitarbeiter ins Haus. „Rechtlich ist das schwer angreifbar. Aber der Markt wird das regeln. Denn erstens reden wir über Menschen, die eine solche unfaire Behandlung sicher thematisieren werden – Futter für die Zeitarbeitskritiker in den Gewerkschaften. Zweitens liegen die Mitarbeiter der Zeitarbeitsunternehmen nicht wie Ersatzteile in einem Lager, sondern werden natürlich an andere Unternehmen überlassen, die Ihnen die Zuschläge nicht nehmen wollen. Wer sollte nach einem gut bezahlten Einsatz Lust haben, sich auf einen Dumpingtarif einzulassen? Drittens wird eine solche „schmutzige“ Rotation den Ruf des Unternehmens und den Frieden in der Belegschaft sicher nicht fördern." Marcus Schulz: "Ich warne deshalb dringend davor, solche Szenarien auch nur zu besprechen". Quelle: Fotolia
Und nun, sind alle schwarzen Schafe weiß? Findet ein Kunde, der auf Teufel komm raus den Preis drücken will, nicht trotzdem einen Personaldienstleister, der Schummeleien und Sauereien mitmacht, um sich ein Geschäft zu sichern? Wenn, dann müssen Mitbewerber und Verbände knallhart reagieren. Denn das Unterlaufen von Tarifverträgen mit der Absicht, sich oder dem Kunden einen nicht rechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, ist unlauterer Wettbewerb und verstößt gegen Gesetze, Compliance-Regeln und Ethik Kodex. Will die Zeitarbeit eine anerkannte Branche sein, dann darf sie die schwarzen Schafe in ihren Reihen nicht dulden, sondern muss ihnen den Kampf ansagen. "Ich erwarte", sagt Marcus Schulz, Chef von USG People Germany, "Die Mehrheit der Personaldienstleister wird eine tarifvertragskonforme Umsetzung bieten. Durch die Branchenzuschläge werden sich Einsatzunternehmen zu dem Wert der Flexibilisierung bekennen, die ihnen Zeitarbeit ermöglicht. Die "billige Leiharbeit" hat ein Ende, und die oft fälschlich unterstellte Verdrängung der Stammbelegschaft durch Zeitarbeitnehmer ist damit endlich vom Tisch. Das bringt die Zeitarbeit und ihre Nutzer nach vorne!" Quelle: dapd

Manpower und Adecco haben dem Emirat Katar angeboten, Personal für den Bau von WM-Stadien zu rekrutieren. Und Sie?

Wir haben uns das angeschaut. Das ist ein großes Geschäftsvolumen, aber nicht profitabel. Man sollte nur etwas unterstützen, wovon man glaubt, dass es ein Erfolg wird. Die WM in Katar gehört aus meiner Sicht nicht dazu. Die Arbeitsumstände für die Arbeiter sind nicht akzeptabel. Außerdem: Ich habe 30 Jahre Fußball gespielt. Bei 50 Grad im Schatten geht das nicht.

Wieso sponsern Sie als Ex-Fußballer kein Fußball-, sondern ein Formel-1-Team?

Weil unsere Recherchen ergeben haben, dass uns das weltweit die größte Aufmerksamkeit schaffen würde. Es ist der Sport Nummer eins im TV, der ein großes Publikum anspricht. Formel-1-Rennen finden auch in den Ländern statt, in die wir mit unserem Clipper „Stad Amsterdam“ nicht hinsegeln können, und schafft uns dort Aufmerksamkeit. Wir setzen die Formel 1 auch zur Rekrutierung von Bewerbern und als Incentive für unsere Mitarbeiter ein.

26 Jahre Randstad, zehn im Vorstand, nun weltweiter Konzernchef. Reizte Sie nie eine Branche mit besserem Image?

Das Branchenimage war für mich nicht so ausschlaggebend. Wir finden pro Jahr Jobs für zwei Millionen Menschen weltweit. Wir senken die Arbeitslosigkeit. Wir bieten den Unternehmen die erforderliche Flexibilität. Für die Sorgen der Wirtschaft in Europa sind wir die Lösung, nicht das Problem. Daran bin ich beteiligt, und das macht diese Branche für mich sehr attraktiv.

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