Randstad-Chef Jacques van den Broek "Kritik an der Zeitarbeit ist paradox"

Jacques van den Broek, der neue Chef von Randstad, dem weltweit zweitgrößten Leiharbeitskonzern, will in Deutschland den Angriff von Adecco und gesetzliche Einschränkungen abwehren.

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Randstad-Chef Jacques van den Broek will den Angriff von Adecco abwehren. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Herr van den Broek, einer Sekretärin, die 2013 ihren Job verloren hat, habe ich ein seriöses Zeitarbeitsunternehmen empfohlen, das ich kenne...

...also Randstad.

Nein, ein anderes. Sie hat geantwortet: „Zeitarbeit ist natürlich das Allerletzte, was man versucht.“ Wissen Sie, dass viele Arbeitnehmer in Deutschland so denken?

Ja. Aber den schlechten Ruf hat die Branche vor allem bei Leuten, die sie nicht kennen. Da gibt es noch einiges zu tun für uns. Ihre Bekannte sollte wissen, dass Randstad 2013 im kaufmännischen Bereich bundesweit durchschnittlich eine Vermittlungsquote von 35 Prozent hatte. Branchenüblich sind 20 bis 30 Prozent. Randstad wäre also ein guter Tipp für die Dame. Sie verpasst sonst die Chance, bei einem unserer Kunden einen guten Job zu bekommen – das wäre doch schade.

Ist Ihre Branche in anderen Ländern auch so unbeliebt wie in Deutschland?

In Holland hat die Zeitarbeit auch nicht den besten Ruf. Aber nirgends finde ich die Kritik an der Zeitarbeit so paradox wie in Deutschland.

Zur Person

Warum?

Deutschland war vor zehn Jahren, was jetzt Frankreich ist: eine unflexible, schwache Wirtschaft. Dann machte der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 den Arbeitsmarkt flexibler. Das ist nicht die einzige Ursache, warum es Deutschland wieder viel besser geht, aber eine wichtige. Trotzdem erleben wir jetzt einen Reflex der Politik. Sie will das Rad wieder zurückdrehen. Aber warum?

Weil die Branche ihre Freiheiten missbraucht hat?

Was verstehen Sie unter Missbrauch?

Dumpinglöhne, Tarifumgehung – Stammarbeitnehmer mussten in schlechter bezahlte Zeitarbeitsverhältnisse wechseln.

Das hat es gegeben. Aber es wird zu viel über die negativen Einzelfälle geredet und zu wenig über Zehntausende von Leuten, die jedes Jahr neu eingestellt wurden. Mehrere Jahre hat keine Branche mehr Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen als die Zeitarbeit. Und die Zeitarbeit hat sich geändert: Es gibt heute gute Tarifverträge. Unsere Einstiegstarife in der Entgeltgruppe 1 liegen in Westdeutschland über dem jetzt diskutierten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Auch in Ostdeutschland wird ab Juni 2016 der Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlt.

Der Mindestlohn macht Ihnen also keine Sorgen, wenn er in Kraft tritt?

Nein. Aber wenn der Mindestlohn zu schnell steigt, werden Unternehmen, denen schon kleine Kostensteigerungen die Marge wegnehmen, neue Standorte suchen. Autozulieferer zum Beispiel. Polen ist nicht weit für die deutsche Industrie.

Was halten Sie von den Berliner Plänen, Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf 18 Monate zu befristen?

Das ist keine gute Idee. Welches Problem wollen wir damit lösen? Zeitarbeiter, die gute Arbeit leisten, müssen dann nach 18 Monaten das Unternehmen verlassen, wo wir sie einsetzen, und in einen anderen Einsatz gehen. Das ist vor allem bei höher qualifizierter Projektarbeit nachteilig für Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.

Oder sie werden vom Einsatzbetrieb nach 18 Monaten übernommen.

Sicher nicht der überwiegende Teil. Leider übersehen Politik und Medien, dass Zeitarbeitsjobs in keinem anderen Land – ausgenommen in Österreich – so sicher sind wie in Deutschland. In vielen anderen Ländern sind die Zeitarbeitsunternehmen reine Vermittler befristeter Arbeitsverhältnisse. Dort ist nach einem Einsatz das Arbeitsverhältnis zu Ende, und die Arbeitsverträge sind somit von Anfang an auf den Auftrag befristet. In Deutschland hingegen sind Zeitarbeitsunternehmen vollwertige Arbeitgeber mit allen gesetzlichen Pflichten plus denen aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Sie stellen die Mitarbeiter bei sich selber fest an – befristet oder unbefristet – und zahlen Lohn auch für einsatzfreie Zeiten. Weshalb also die 18 Monate?

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