WirtschaftsWoche: Herr Noteboom, befürchten Sie wie Ihr Konkurrent Manpower einen Umsatzeinbruch, wenn nun ab November der längerfristige Einsatz von Zeitarbeitern in der deutschen Wirtschaft erheblich teurer wird?
Noteboom: Wenn unsere Dienstleistung teurer wird, wird sie weniger verkauft – klar. Und komplizierte Änderungen wie die Branchenzuschläge drücken immer das Auftragsvolumen. Aber andererseits sind die Branchenzuschläge gut für den Ruf unserer Branche in Deutschland. Wir haben ja bisher keinen so guten Job gemacht in Sachen Imagebildung und müssen das ändern. Bessere Bezahlung ist dabei ein gutes Argument.
Aber was erwarten Sie konkret? Manpower schätzt den möglichen Umsatzeinbruch auf bis zu 20 Prozent. Randstad hat im dritten Quartal bereits sechs Prozent Umsatz und ein Fünftel des operativen Ergebnisses verloren. Wie geht es weiter?
Mir ist die Situation zu unübersichtlich, um eine Zahl zu nennen. Was wir spüren, sind ja nicht nur die Auswirkungen der Branchenzuschlags-Tarifverträge. Hinzu kommt die Veränderung des wirtschaftlichen Klimas. Ich persönlich fürchte die konjunkturelle Entwicklung weitaus mehr als die Folgen der neuen Tarifverträge.
Warum fürchten sie Branchenzuschläge überhaupt? Die Zeitarbeiterlöhne werden in Deutschland maximal 90 Prozent der Löhne von Stammarbeitskräften ausmachen. In den Niederlanden aber gilt ab 2014 Equal Pay, also hundertprozentig gleiche Bezahlung - nicht nach neun Monaten wie in Deutschland, sondern vom ersten Tag des Einsatzes an.
Das stimmt. Aber wir haben in den Niederlanden nur 15 Prozent unserer Beschäftigten fest unter Vertrag. 85 Prozent sind ohne Beschäftigung und ohne vertragliche Absicherung, sobald ihr Einsatz endet. In Deutschland hingegen beschäftigen die Personaldienstleister die Zeitarbeitskräfte unbefristet und müssen neue Einsatzmöglichkeiten für sie finden. Dort sind wir viel mehr richtiger Arbeitgeber als in den Niederlanden und weniger flexibel.
Skandale wie bei Schlecker in Holland unmöglich
Ist deshalb die Kritik an der Zeitarbeit in den Niederlanden bei weitem nicht so vehement wie in Deutschland?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen haben Gewerkschaften und Betriebsräte in Deutschland mehr Einfluss als in den Niederlanden und als in vielen anderen Ländern. Und in Deutschland gab es Skandale etwa um Zeitarbeit beim Drogeriekonzern Schlecker, die in den Niederlanden nicht möglich wären…
…Schlecker hatte eine Zeitarbeitstochter gegründet und früheres Stammpersonal zu verschlechterten Löhnen dorthin verlagert.
So etwas wäre in den Niederlanden illegal. Zeitarbeitsunternehmen mit nur einem Kunden sind bei uns nicht zulässig. Wenn man nur einen Kunden hat, ist es kein Zeitarbeitsunternehmen und keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern Trickserei. In Deutschland sollte die Gründung von Zeitarbeitsunternehmen, die nur für die eigene Muttergesellschaft arbeiten, gesetzlich verboten werden. Dass das möglich war und missbraucht wurde, hat der Branche unglaublich geschadet.
Und in den Niederlanden herrscht Harmonie, und die Unternehmer zahlen in gut einem Jahr klaglos Equal Pay?
Nein, die Mehrkosten ab 2014 werden auch hierzulande Druck auf die Zeitarbeit auslösen - wie nun in Deutschland. Equal Pay vom 1. Tag an ist ja auch aufwändig in der Umsetzung. Es bedeutet, dass unsere Mitarbeiter jedes Mal einen anderen Lohn bekommen, wenn sie den Einsatzbetrieb wechseln. Und manche wechseln alle paar Tage.
Wird die Zeitarbeit durch Equal Pay unattraktiv und überflüssig?
Nein, als Instrument für flexiblen Personaleinsatz bleibt Zeitarbeit unersetzlich. Und Equal Pay bedeutet auch nicht für alle eine Verteuerung. Viele große Konzerne zahlen ohnehin schon den bei ihnen eingesetzten Zeitarbeitskräften so viel wie der Stammbelegschaft – sowohl in Holland als auch in Deutschland.