Randstad-Chef Noteboom „Missbrauch von Zeitarbeit gesetzlich verbieten“

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Skandale wie bei Schlecker in Holland unmöglich

Die Tricks der schwarzen Schafe
Ab 1. November 2012 erhalten Zeitarbeitskräfte, die mehr als sechs Wochen in der Metall- oder Chemieindustrie eingesetzt sind, mehr Geld. Mit 15 Prozent Zuschlag auf den normalen Zeitarbeitstarif fängt es an, mit 50 Prozent ist die höchste von fünf Zuschlagsstufen nach neun Monaten erreicht. Viele Zeitarbeitsunternehmen verstehen das als Chance, die Zeitarbeit auch für Fachkräfte attraktiver zu machen – gut so. Schwarze Schafe aber .... Quelle: dpa
..... werden wieder versuchen, die Mehrkosten zu vermeiden. Mit dem Ziel Kunden zu halten, die nicht an der Qualität der Dienstleistung interessiert sind, sondern einzig und allein auf billigste Arbeit setzen. 1. Trick: Branchenzuteilung umgehen Die erste Idee, auf die die Trickser vermutlich kommen: Sie werden vermeiden wollen, in eine der Zuschlags-Branchen eingeteilt zu werden – etwa mit dem Hinweis, zwar ein metallverarbeitendes Unternehmen zu sein, jedoch keinen Metall-Tarif anzuwenden. Ist aber leider irrelevant, der Dreh. Denn die Zugehörigkeit zu einer im Tarifvertrag genannten Branche geht vor. Welchen Tarifvertrag ein Betrieb für die Stammbelegschaft anwendet, ist sekundär. Gleiches gilt für den Trick, aufgrund einer Logistikabteilung im Betrieb plötzlich zum Handel zählen zu wollen. Denn ob Zuschläge zu zahlen sind, hängt davon ab, welcher Branche die überwiegend geleisteten Arbeitsstunden eines Betriebes zuzurechnen sind. Am Ende sind alle dann plötzlich Handwerker und damit zuschlagsfrei? Geht auch nicht, weil schon eine Anfrage bei der Handwerkskammer die Lüge entlarven wird. Dieses Schlupfloch ist nur scheinbar genial – und leicht durchschaubar. Quelle: dpa
2. Trick: Dienstleistungs-GmbHDann eben eine andere Idee? „Praktisch wäre es doch, plötzlich eine „Dienstleistungs-GmbH“ als Untergesellschaft des Produktionsbetriebes zu haben, die keiner Branche angehört, keinen Tarifvertrag anwendet und dort alle Zeitarbeitnehmer einstellt, die dann am Ende doch in der Produktion arbeiten. Dies aber ist juristisch betrachtet ein Umgehungstatbestand, denn auch Neben- und Dienstleistungsbetriebe sind von der Geltung des Branchenzuschlag-Tarifvertrags für die Muttergesellschaft erfasst. Ganz gefährlich also!“ Quelle: Fotolia
3. Trick VergleichsentgeltSchlupfloch Nummer drei scheint eine Alternative zu sein: das Vergleichsentgelt. Ein entleihender Betrieb kann die Lohnzuschläge deckeln oder ganz verhindern – nämlich dann, wenn die eingesetzten Zeitarbeitskräfte dadurch mehr verdienen würden als die Stammkräfte des entleihenden Betriebs für dieselbe Tätigkeit. Gibt der Betrieb Vergleichsentgelte von 8,00 Euro an, kommt niemals ein Branchenzuschlag zur Auszahlung, da schon die unterste Entgeltstufe für den Zeitarbeiter in Westdeutschland bei 8,19 Euro liegt. Aber Vorsicht: Vergleichsentgelte müssen belastbar, schriftlich, mit Unterschrift und Stempel vom Kunden (!) dokumentiert werden. Macht der entleihende Betrieb vorsätzlich falsche Angaben, um die Lohnzuschläge zu vermeiden, so ist dies das vorsätzliche Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsabgaben. Mit ausgesprochen unangenehmen Konsequenzen für Einsatzunternehmen und Personaldienstleister: Es drohen empfindlich Geldbußen, und nachzuzahlen sind die erschwindelten Einsparungen natürlich auch. Quelle: Fotolia
4. Trick: WerkvertragZu riskant, denkt sich der Trickser, und kommt auf Idee Nummer vier: Dann übertrage wir doch alle Zeitarbeitnehmer in einen Werkvertrag und machen weiter wie bisher – ohne Tarifvertrag. „Stopp! Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Werkvertrag sind klar beschrieben und werden sehr eng ausgelegt. Ist der Werkvertrag rechtlich nicht haltbar, so gilt die Vermutung der Arbeitnehmerüberlassung. Hat der Dienstleister dann keine Lizenz zur Arbeitnehmerüberlassung, hat er sich der illegalen Arbeitnehmerüberlassung schuldig gemacht. Den Mitarbeitern steht auch in diesem Fall rückwirkend das Entgelt zu, das sie als Zeitarbeitnehmer bekommen hätten, einschließlich der Sozialversicherungsabgaben an die Krankenkassen. Die Fahnder des Zolls werden das sehr genau prüfen. Also Finger weg!“ Quelle: dpa/dpaweb
5. Trick: MitarbeiterrotationNoch gibt das schwarze Schaf nicht auf und entdeckt Trick fünf: Dann lassen wir eben alle Mitarbeiter rotieren! Jeden Einsatz melden wir einen Tag vor der Stufe zwei ab – also nach knapp drei Monaten - und holen uns neue Mitarbeiter ins Haus. „Rechtlich ist das schwer angreifbar. Aber der Markt wird das regeln. Denn erstens reden wir über Menschen, die eine solche unfaire Behandlung sicher thematisieren werden – Futter für die Zeitarbeitskritiker in den Gewerkschaften. Zweitens liegen die Mitarbeiter der Zeitarbeitsunternehmen nicht wie Ersatzteile in einem Lager, sondern werden natürlich an andere Unternehmen überlassen, die Ihnen die Zuschläge nicht nehmen wollen. Wer sollte nach einem gut bezahlten Einsatz Lust haben, sich auf einen Dumpingtarif einzulassen? Drittens wird eine solche „schmutzige“ Rotation den Ruf des Unternehmens und den Frieden in der Belegschaft sicher nicht fördern." Marcus Schulz: "Ich warne deshalb dringend davor, solche Szenarien auch nur zu besprechen". Quelle: Fotolia
Und nun, sind alle schwarzen Schafe weiß? Findet ein Kunde, der auf Teufel komm raus den Preis drücken will, nicht trotzdem einen Personaldienstleister, der Schummeleien und Sauereien mitmacht, um sich ein Geschäft zu sichern? Wenn, dann müssen Mitbewerber und Verbände knallhart reagieren. Denn das Unterlaufen von Tarifverträgen mit der Absicht, sich oder dem Kunden einen nicht rechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, ist unlauterer Wettbewerb und verstößt gegen Gesetze, Compliance-Regeln und Ethik Kodex. Will die Zeitarbeit eine anerkannte Branche sein, dann darf sie die schwarzen Schafe in ihren Reihen nicht dulden, sondern muss ihnen den Kampf ansagen. "Ich erwarte", sagt Marcus Schulz, Chef von USG People Germany, "Die Mehrheit der Personaldienstleister wird eine tarifvertragskonforme Umsetzung bieten. Durch die Branchenzuschläge werden sich Einsatzunternehmen zu dem Wert der Flexibilisierung bekennen, die ihnen Zeitarbeit ermöglicht. Die "billige Leiharbeit" hat ein Ende, und die oft fälschlich unterstellte Verdrängung der Stammbelegschaft durch Zeitarbeitnehmer ist damit endlich vom Tisch. Das bringt die Zeitarbeit und ihre Nutzer nach vorne!" Quelle: dapd

Ist deshalb die Kritik an der Zeitarbeit in den Niederlanden bei weitem nicht so vehement wie in Deutschland?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen haben Gewerkschaften und Betriebsräte in Deutschland mehr Einfluss als in den Niederlanden und als in vielen anderen Ländern. Und in Deutschland gab es Skandale etwa um Zeitarbeit beim Drogeriekonzern Schlecker, die in den Niederlanden nicht möglich wären…

…Schlecker hatte eine Zeitarbeitstochter gegründet und früheres Stammpersonal zu verschlechterten Löhnen dorthin verlagert.

So etwas wäre in den Niederlanden illegal. Zeitarbeitsunternehmen mit nur einem Kunden sind bei uns nicht zulässig. Wenn man nur einen Kunden hat, ist es kein Zeitarbeitsunternehmen und keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern Trickserei. In Deutschland sollte die Gründung von Zeitarbeitsunternehmen, die nur für die eigene Muttergesellschaft arbeiten, gesetzlich verboten werden. Dass das möglich war und missbraucht wurde, hat der Branche unglaublich geschadet.

Und in den Niederlanden herrscht Harmonie, und die Unternehmer zahlen in gut einem Jahr klaglos Equal Pay?

Nein, die Mehrkosten ab 2014 werden auch hierzulande Druck auf die Zeitarbeit auslösen - wie nun in Deutschland. Equal Pay vom 1. Tag an ist ja auch aufwändig in der Umsetzung. Es bedeutet, dass unsere Mitarbeiter jedes Mal einen anderen Lohn bekommen, wenn sie den Einsatzbetrieb wechseln. Und manche wechseln alle paar Tage.

Wird die Zeitarbeit durch Equal Pay unattraktiv und überflüssig?

Nein, als Instrument für flexiblen Personaleinsatz bleibt Zeitarbeit unersetzlich. Und Equal Pay bedeutet auch nicht für alle eine Verteuerung. Viele große Konzerne zahlen ohnehin schon den bei ihnen eingesetzten Zeitarbeitskräften so viel wie der Stammbelegschaft – sowohl in Holland als auch in Deutschland.

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