Rennstrecken-Desaster Razzien erschüttern den Nürburgring

Durchsuchungen an fünf Orten, der Capricorn-Chef Robertino Wild unter Kreditbetrugsverdacht: Die Aktionen der Staatsanwaltschaft Koblenz am Freitag erschüttern den Nürburgring. Folgen drohen allerdings nicht nur Wild.

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Das Drama um den legendären Nürburgring, es will einfach kein Ende nehmen. Seit 2009 ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz in Sachen Nürburgring ununterbrochen, es gab mehrere Verfahren, noch mehr Beschuldigte und besonders ein spektakuläres Urteil: Gegen den rheinland-pfälzischen Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) verhängte das Landgericht Koblenz im Frühjahr 2014 eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren Haft wegen Untreue.
Deubel hat Revision eingelegt, die Sache liegt aktuell beim Bundesgerichtshof. Doch immer neue Vorfälle sorgen dafür, dass weder der „Ring“ noch die Staatsanwaltschaft in Koblenz zur Ruhe kommen. Wieder haben die Ermittler jede Menge Fragen, auf der Suche nach Antworten rückten sie am Freitag zu einer Reihe von Durchsuchungen aus.
In Düsseldorf wurden sie am Firmensitz von Capricorn vorstellig, dem vermeintlichen Nürburgring-Käufer, auch am Privatwohnsitz von Capricorn-Chef Robertino Wild im noblen Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel klingelten die Beamten. Am Nürburgring wurden zeitgleich die Geschäftsräume von zwei weiteren Firmen durchsucht, darunter die Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG). Und auch in der Koblenzer Kanzlei von Nürburgring-Insolvenzsachwalter Jens Lieser schlug die Staatsanwaltschaft mit einem Durchsuchungsbeschluss auf.


Robertino Wild im Visier

Das zentrale Interesse der Ermittler gilt Robertino Wild. Er hatte im März vergangenen Jahres mit seiner Firma Capricorn den Zuschlag beim Verkauf des Nürburgrings bekommen. Doch weil er den Kaufvertrag nicht einhalten konnte, soll Wild falsche Angaben gemacht haben, um einen Zahlungsaufschub zu erreichen.
Nach der Pleite der weitgehend dem Land Rheinland-Pfalz gehörenden Nürburgring GmbH im Sommer 2012 hatten Insolvenz-Sachwalter Lieser sowie Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt (Trier) den Verkauf beschlossen und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit der Organisation des Verkaufsprozesses betraut. Wild und sein Mitbieter Getspeed – eine Motorsportfirma aus Meuspath am Nürburgring – setzten sich mit einem Gebot von insgesamt 77 Millionen Euro durch, diese waren in verschiedenen Tranchen zu zahlen.

Schon bei der zweiten Rate über fünf Millionen Euro, die Ende Juli 2014 fällig war, gab es allerdings einen Zahlungsausfall. Wild und die Insolvenzverwalter, die inzwischen die Hilfe der Frankfurter Kanzlei Weil, Gotshal & Manges in Anspruch genommen hatten, vereinbarten eine Stundung bis Ende Oktober, dafür musste Wild verschiedene Sicherheiten stellen – unter anderem Pfandrechte zugunsten der Verkäufer auf seine private Kunstsammlung.


Doppelverpfändung ein Kreditbetrug?

Dann allerdings deckten die Koblenzer „Rhein-Zeitung“ und die WirtschaftsWoche auf, dass Wild die Kunstsammlung zuvor bereits anderweitig verpfändet hatte. Wild räumte dies seinerzeit gegenüber der WirtschaftsWoche ein. Nachdem diverse weitere Medien über die Doppelverpfändung berichtet und Wild sie stets offen eingestanden hatte, traten schließlich auch die Koblenzer Ermittler auf den Plan.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Harald Kruse sagte der WirtschaftsWoche auf Anfrage, dass seine Behörde bereits 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Kreditbetrug eingeleitet habe. Eine Strafanzeige habe es nicht gegeben, Anlass für die Ermittlungen seien Medienberichte gewesen. Laut § 265b Strafgesetzbuch drohen für Kreditbetrug bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe. Der Paragraf nennt die „Stundung von Geldforderungen“ explizit als Anwendungsfall für den Kreditbetrug.


Für Robertino Wild kommen die Ermittlungen zur Unzeit. Ende Oktober vergangenen Jahres übernahm der russische Pharmamagnat Viktor Charitonin Wilds Zwei-Drittel-Anteil an der Nürburgring-Käufergesellschaft CNBG; Wild war nach dem Ende des Nürburgring-Abenteuers gerade dabei, seine Capricorn-Gruppe mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei Aderhold zu sanieren und neu aufzustellen. Auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit hat Wild sich reorganisiert und neuerdings den früheren Volkswagen-Vorstand Klaus Kocks als PR-Strategen an seiner Seite.

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