Rennstreckendesaster Nächste Runde im Nürburgring-Skandal

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KPMG in Erklärungsnot

Kritische Fragen müssen sich neben den Insolvenzverwaltern vor allem die Berater von KPMG gefallen lassen. Ein KPMG-Sprecher wollte mit Verweis auf die „gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“ keine Stellungnahme abgeben, wie die Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank geprüft und bewertet wurde.

Ein anderes Statement ist dafür im Protokoll der Gläubigerausschusssitzung namentlich vermerkt. KPMG-Berater Alexander Bischoff sagte demnach, dass „es sich beim Angebot um Capricorn um das wirtschaftlich beste Angebot handelt. Das einzige Risiko bei Capricorn ist das Risiko der Beihilferückforderung und dass bis 15. Dezember 2014 keine Beihilfeentscheidung vorliegt.“ In der Zwischenzeit hat sich jedoch gezeigt, dass bei Capricorn noch weitaus größere Risiken schlummerten, als KPMG erkannt hatte.

KPMG blamierte sich zudem bereits in einer früheren Phase des Verkaufsprozesses, als die Spezialisten das 275-Millionen-Fantasieangebot eines angeblichen Hongkonger Bieters nicht als solches erkannten. Sie gestatteten dem flunkernden Filou Zutritt zum sogenannten Datenraum, wo er Zugriff auf vertrauliche Dokumente und Geschäftsgeheimnisse des Nürburgrings hatte.

Welche Rennstrecken sich rechnen
14 Millionen Euro erlässt Bernie Ecclestone der Nürburgring GmbH. Normalerweise müssen die Streckenbetreiber dem Formel-1-Organisator Millionensummen dafür zahlen, dass die Königsklasse des Motorsports überhaupt antritt. Aber seit Sommer 2012 ist die Nürburgring GmbH insolvent, seit Mitte Mai stehen alle Vermögenswerte zum Verkauf. Wenigstens 120 Millionen Euro sind in dem Bieterverfahren aufgerufen, in das nun auch der ADAC eingestiegen ist. Quelle: AP
60 Millionen Euro erwirtschaftet ein Formel-1-Lauf während eines Wochenendes im Umkreis der Strecke. Nicht zu vergessen die Tickets für normale Besucher (ab 109 Euro) und VIPs. Eine Lounge für 80 Personen kostet für das Wochenende 110.000 Euro. Quelle: dpa
34 Millionen Euro haben private Investoren aufgebracht, um einen ehemaligen Nato-Stützpunkt im Teutoburger Wald ins Drive Resort Bilster Berg zu verwandeln – ein Renn-, Test- und Erlebniszentrum für Autohersteller und Auto-Enthusiasten. Für 1200 Euro pro Stunde können sie die 4,2 Kilometer lange Gesamtstrecke mieten, für 300 Euro nur den Offroad-Parcours. Dennoch ist die Anlage bis zum Jahresende fast schon ausgebucht. Für 2013 sind Einnahmen von 4,6 Millionen Euro eingeplant.
Die Teststrecke Boxberg.

Kein Wunder also, dass die Mitglieder des fünfköpfigen Nürburgring-Gläubigerausschusses zu gerne wüssten, wie KPMG zu seiner Risikoeinschätzung für das Capricorn-Angebot gekommen war, wie die Bonität von Capricorn und die Finanzierungssicherheit der Transaktion von KPMG geprüft worden sind. Doch KPMG weicht den unangenehmen Fragen offensichtlich aus.

Ein Sitzungsprotokoll mit Brisanz

Mehrfach stand das Thema schon auf der Agenda, doch bisher gab es keine Informationen für die Mitglieder des Gläubigerausschusses. Bei der jüngsten Sitzung des Gremiums am 2. März etwa sagte Bischoff seine Teilnahme aus privaten Gründen kurzfristig ab. „KPMG kneift und drückt sich mit immer neuen Ausflüchten davor, Rechenschaft über die eigene Arbeit abzulegen“, kritisiert eine mit der Angelegenheit vertraute Person. KPMG äußerte sich auf Nachfrage zu diesem Vorwurf nicht.

Dabei mussten sich die Gläubigerausschussmitglieder und ihre Anwälte auf die im Ausschuss vorgetragenen Angaben verlassen. In einer Hauruck-Aktion hatten die Insolvenzverwalter die Mitglieder am Nachmittag des 10. März für den Folgetag ab acht Uhr zur Sitzung einbestellt. Weder eine umfassende Vorbereitung noch eine sorgfältige Prüfung der Angebote waren da noch möglich.

Lieser und Schmidt beteuern auf Anfrage der WirtschaftsWoche: „Dem Gläubigerausschuss lagen alle zur Entscheidungsfindung maßgeblichen Unterlagen vor, darunter selbstverständlich auch die Finanzierungsbestätigungen der Bieter. Im Übrigen wurden die Mitglieder des Gläubigerausschusses auch vollumfänglich mündlich in der Ausschusssitzung informiert und ihre Fragen beantwortet.“

Das Protokoll der Sitzung liest sich allerdings etwas anders. Es dokumentiert, dass den Mitgliedern ein Berg voll Dokumenten vorgeknallt worden ist. Und hält dann fest: „Aufgrund der Kürze der Zeit war es den Mitgliedern des Gläubigerausschusses nicht möglich, alle Unterlagen intensiv zu sichten. Daher werden alle entscheidungserheblichen Punkte durch die Berater, Geschäftsführer sowie Sachwalter umfänglich dargestellt und in der Beschlussvorlage sowie im Protokoll festgehalten […].“ Das Protokollergebnis ist bekannt: Die Finanzierungszusage sei banküblich und valide.

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