Rennstreckendesaster Nächste Runde im Nürburgring-Skandal

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Unrichtige Informationen für die Kommission?

Das ist eine reichlich irreführende Information, statt Bestätigung ist plötzlich nur noch von einem Angebot die Rede, verbindlich war es obendrein nicht und wurde zwar nicht gekündigt, war aber schlicht ausgelaufen, weil es nicht erfolgreich zu Ende verhandelt und unterschrieben wurde. „Die Stellungnahme entsprach den Tatsachen. Die Europäische Kommission wurde darauf hingewiesen, dass die Transaktionssicherheit ausreichend war“, sagt der Sprecher der Insolvenzverwalter. „Sie hat sich intensiv mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und ist zu keinem gegenteiligen Ergebnis gekommen.“

Interessant ist aber auch, wie die Statements Deutschlands zustande kamen. Offizieller Ansprechpartner der Kommission ist immer die Bundesregierung. Diese empfängt die Auskunftsersuchen der EU, leitet diese dann bei Sachen, die nicht den Bund betreffen, an das entsprechende Bundesland weiter. Das Bundeswirtschaftsministerium will sich zur Frage, ob die Behörde die aus Rheinland-Pfalz erhaltenen Dokumente vor der Weiterleitung nach Brüssel geprüft hat, nicht äußern.

„Da der Beschluss noch nicht veröffentlicht wurde, handelt es sich nach wie vor um ein laufendes Verfahren“, teilt das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit, man könne daher zu den Fragen keine Stellung nehmen. Das Land, das für die Beantwortung der Auskunftsersuchen aus Brüssel verantwortlich ist, hat die Aufgabe an die Insolvenzverwalter delegiert und diese die Stellungnahmen verfassen lassen. Vom Land wurden sie dann an die Bundesregierung geschickt.

Die Finanzierungsbestätigung hat aber offensichtlich auch im für den Nürburgring zuständigen Landesinnenministerium von Roger Lewentz (SPD) niemand genauer unter die Lupe genommen. „Die Verwalter haben der Kommission am 25.04.2015 die Finanzierungsbedingungen der Deutschen Bank dargelegt“, teilt Lewentz' Sprecher mit. „Es war nicht Aufgabe der Landesregierung die diesbezüglichen Wertungen der Verwalter durch eigene zu ersetzen.“

Vestagers merkwürdige Antworten

Die EU-Kommission selbst gibt auf Nachfragen nur nebulöse Antworten. Ihre Aufgabe sei es gewesen, zu prüfen, „ob ein Mechanismus für ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Verkaufsverfahren geschaffen wurde, der sicherstellte, dass die Vermögenswerte des Nürburgrings zum Marktwert veräußert wurden.“ Unter der Kontrolle, ob ein solcher Mechanismus eingesetzt wurde, versteht die Kommission aber offensichtlich nicht, hinterher auch zu prüfen, ob die tatsächliche Durchführung des Prozesses den Anforderungen genügte.

„Die Durchführung des Verkaufsprozesses und die Auswahl des besten Angebots oblag den Insolvenzverwaltern und dem Gläubigerausschuss nach deutschem Insolvenzrecht, und nicht der EU-Kommission“, so die Sprecherin von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager weiter. Auf Nachfragen rudert sie dann zurück: Natürlich sei auch die Durchführung relevant, nach der Analyse der Kommission seien die Bedingungen erfüllt gewesen. Auf die Frage, ob die Kommission auch die Finanzierungsbestätigung vorliegen und geprüft habe, gibt sie allerdings keine Antwort.

Ähnlich merkwürdig äußerte sich ihre Chefin Vestager selbst in einem Brief an ADAC-Ehrenpräsident Otto Flimm. Er ist zugleich Chef des Vereins Ja zum Nürburgring e.V., der mehrere Beschwerden bei der Kommission eingereicht hat und ebenfalls mit Klage gegen den Beschluss droht. „Den Zuschlag erhielt Capricorn als Höchstbieter mit ausreichender Zahlungssicherheit“, schreibt Vestager, „die diesbezügliche Prüfung oblag dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss und stand nicht unter Aufsicht der Kommission.“ Da drängt sich die Frage auf, worauf Vestager ihre Einschätzung stützt, dass Capricorn „Höchstbieter mit ausreichender Zahlungssicherheit“ gewesen sei – doch auf diese Frage geht die Sprecherin der Kommissarin in ihrer Antwort nicht ein.

Die Kommission hat offensichtlich Schwierigkeiten, schlüssige Begründungen für ihr Vorgehen zu finden. Kritik an ihrer Arbeit gibt es schon länger. „Den Beschluss kann man im besten Falle kurios nennen, im schlimmsten Falle skandalös“, sagt Werner Langen, der seit mehr als 20 Jahren als CDU-Abgeordneter den Wahlkreis Koblenz – in dem auch der Nürburgring liegt – im Europaparlament vertritt. Er wirft dem früheren Wettbewerbskommissar, dem spanischen Sozialisten Joaquin Almunia, schon vor, der SPD-geführten Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit dem Beschluss ein Geschenk gemacht zu haben.

„Höchste Zeit, den Fall neu aufzurollen“

„Genossenfilz“ schimpfte Langen über das Vorgehen von Almunia, der habe sich auf ein „Lügengebäude der Konkursverwalter“ Lieser und Schmidt verlassen. Die unterlegenen Bieter werfen der Kommission in diversen Beschwerden ebenfalls vor, ihre Entscheidung auf Grundlage unrichtiger Informationen getroffen zu haben.

Sie haben angekündigt, mit Klagen vor den Europäischen Gerichten gegen die Entscheidung vorzugehen. Bisher allerdings ist der Beschluss noch nicht veröffentlicht, ab dann läuft die Klagefrist, ein Verfahren dürfte Jahre dauern. Die Insolvenzverwalter Lieser und Schmidt haben zur drohenden juristischen Hängepartie nicht viel zu sagen: „Zu den Beschwerden beziehungsweise angekündigten Klagen unterlegener Bieter äußern wir uns nicht.“

Geht es nach Langen, sollte es aber gar nicht erst zu Klagen kommen. „Es ist höchste Zeit, dass die Kommission den Fall noch einmal neu aufrollt. Die Kommissarin ist gefordert, sich persönlich darum zu kümmern“, sagt der CDU-Parlamentarier. „An diesem Verfahren war von Anfang an jede Menge schief, aber die Kommission verschließt die Augen vor den Missständen. Frau Vestager hat jetzt die Chance, die Mauscheleien ihres Vorgängers Almunia zu korrigieren.“

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