Rewe, Aldi, Nintendo & Co. Kuriose Boykottaufrufe und wie sie scheiterten

Ein Bauernverband legt sich mit Volkswagen an, der Ortsverein einer Partei mit Rewe und die Tierschutzorganisation Peta mit so ziemlich jedem. Doch viele Boykottaufrufe sind oft von Anfang an vor allem eins – verrückt.

AfD-Chef Bernd Lucke saß im April 2015 gerade im ICE von Berlin nach Köln, als ihn Kölner Fußballfans entdeckten: „Wir wollen keine Nazis hier. Verpiss dich, hau ab aus dem Wagen”, riefen die Kölner Fans ihm und seiner Frau zu. Lucke rief einen Schaffner, der wiederum die Polizei informierte. In Hamm stiegen Polizeibeamte in den Zug, der AfD-Chef verließ den Zug dann aber trotzdem bereits in Wuppertal. Nach der Verbalattacke zeigte sich der AfD-Kreisverband Mecklenburg-Schwerin empört und rief auf Facebook zum Boykott gegen die Handelskette Rewe auf, dem Hauptsponsor des 1. FC Köln. „Boykott bis zur Entschuldigung”, forderte die Partei, da sie sich in ihrer Meinungsfreiheit angegriffen fühlte. Die AfD tat sich damit allerdings keinen Gefallen und erntete für den Boykottaufruf lediglich eine Menge Spott. Quelle: dapd
„Gut essen - Vital, vegetarisch, vegan” ist seit Anfang 2015 der neue Slogan der Volkswagen-Restaurants in der Autostadt. Der Autokonzern wirbt damit, dass „eine Fleisch- und milchproduktärmere Ernährung” die Umwelt spürbar entlaste. Deutsche Bauern wollen nun keine VWs mehr kaufen und das Unternehmen boykottieren, da sich Volkswagen gegen sie verschworen habe. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes findet es „beispiellos, wie das Aushängeschild eines deutschen Automobilkonzerns, wofür die Autostadt Wolfsburg zweifellos steht, eine Berufsgruppe an den Pranger stellt, die nachhaltig in Kreisläufen und mit der Natur arbeitet.” Peinlich am Boykottaufruf der Bauern ist, dass der Bauernverband Schleswig-Holstein auf seiner Facebook-Seite einen Beschwerdelink angibt, der zur Volksbank AG führt. Für das Gastrokonzept ist mit der Autostadt GmbH aber ein komplett eigenständiger Konzern zuständig - und nicht VW. Quelle: dpa
Der Discounter Aldi musste im Januar 2015 sehr viel Kritik einstecken. Bei dem Attentat auf die Redaktion des Magazins „Charlie Hebdo” hatten einige Mitarbeiter der Warenzentrale in Dammartin-en-Goële aufgrund der Evakuierung oder wegen Straßensperren nicht die vollen sieben Stunden arbeiten können. Daraufhin verlangte Aldi von ihnen, die verlorene Zeit nachzuarbeiten. Nachdem das französische Blatt „Le Parisien” diese Informationen veröffentlicht hatte, tauchten im Internet erste Boykottaufrufe gegen den Discounter auf. Aldi dementierte die Aussagen unmittelbar und ließ verlauten, dass die Informationen nicht korrekt seien: „Die Geschäftsführung kann die Informationen absolut nicht bestätigen.” Der Shitstorm und die Aufrufe zum Boykott gegen den Discounter waren im Internet aber bereits in vollem Gange. Quelle: dpa
Aufrufe zum Boykott der Rundfunkgebühren sind nichts Neues. Im Herbst des Jahres 2014 forderte „Anonymous” deutschlandweit dazu auf, die GEZ-Zahlungen einzustellen und bereits gezahlte Beiträge zurückzufordern. Die Begründung lautete, dass jeder, der GEZ-Gebühren zahle, nicht nur einen möglichen Krieg mit Russland finanziere, sondern diesen auch noch aktiv unterstütze. Der Boykott sollte per Einschreiben an den Beitragsservice erfolgen: „Mit diesem kollektiven Zahlungsboykott verursachen wir einen gigantischen Verwaltungsaufwand und bringen damit die GEZ von innen heraus zum totalen Zusammenbruch.” Zwar wurde der Boykottaufruf innerhalb von 48 Stunden ganze 12.000 Mal geteilt, gebracht hat er letztlich nichts: Die Gebühren für den Empfang von Fernsehen und Radio gibt es nach wie vor. Quelle: dpa
Gegen die Coca-Cola Company gab es schon mehrere Boykottaufrufe, unter anderem 2014 in der Türkei. Dort wehrten sich vermehrt Menschen gegen den Getränkehersteller, um damit gegen die israelische Militäroperation in Gaza zu protestieren. Zwar hatte Coca-Cola bereits dementiert, Israel finanziell zu unterstützen, der Boykott wurde in der Türkei allerdings als eine Art symbolischer Widerstand gegen das israelische Vorgehen in Gaza gesehen. Peinlich wurde es in diesem Zusammenhang für Ali Yerlikaya, Bürgermeister der westtürkischen Provinz Tekirdağ. Yerlikaya kündigte via Twitter an, künftig keine Coca-Cola mehr zu trinken. Als Ersatz trank der Politiker auf dem Foto allerdings Fanta - ein Getränk, dessen Inhaber ebenfalls die Coca-Cola Company ist. Quelle: dpa
Zu besonders vielen Boykotts rief die Tierrechtsorganisation Peta auf. So wehrte sie sich im Jahr 2012 zum Beispiel gegen die Pokémon-Reihe von Nintendo. Peta verglich das Stopfen von Pikachu in Pokeballs mit Elefanten, die ankettet eingesperrt werden und darauf warten, in Zirkussen zu performen. Aber der Unterschied zwischen der Realität und der fiktionalen Welt voller organisierter Tierkämpfe sei, dass Pokémon-Spiele zu rosige Bilder von schrecklichen Dingen malen, so die Organisation. Aus diesem Grund brachte Peta unter dem Namen „Black & Blue - Gotta free 'em all“ im Jahr 2012 ein eigenes Online-Spiel heraus. Im Spiel soll der Nutzer den Pokémon helfen, sich von ihren Trainern, unter denen sie seit Generationen leiden, zu befreien. Quelle: AP
Neben Pokémon kritisierte Peta im Jahr 2011 auch den Ego-Shooter „Battlefield” wegen des Tötens von virtuellen Tieren. Außerdem missfielen der Organisation 2012 die Nintendo-Spiele Mario Bros. 3 und Super Mario 3D Land, da sich Mario und Luigi dort ein Waschbärenkostüm überstreifen, um besondere Kräfte zu erhalten. Dank des „Tanooki-Suits” können sie fliegen, Gegner im Drehen besiegen oder Blöcke zerstören. Peta sah darin einen Aufruf zum Tragen von Pelzen. „Tanooki ist vielleicht in den Spielen nur ein "Anzug", aber im wirklichen Leben, sind Tanuki Marderhunde, die bei lebendigem Leib für ihr Fell gehäutet werden”, so der Vorwurf von Peta. Die Organisation entwickelte ein Flash-Spiel auf der eigenen Homepage, bei dem die Spieler einem nackten Tanooki sein Fell von Mario zurückholen können. Quelle: dpa
Im Jahr 2008 plante Nokia das Werk in Bochum zu schließen: Aus Wettbewerbsgründen sollte die Produktion nach Rumänien verlagert werden. Schnell folgten Vorwürfe der Düsseldorfer Landesregierung, das finnische Unternehmen trickse im Umgang mit Subventionen. Laut Nordrhein-Westfalens damaliger Wirtschaftsministerin Christa Thoben hatte Nokia seit 1985 um die 100 Millionen Euro an Subventionen erhalten. Allerdings seien die Berichte des Unternehmens über die Zuschussverwendung lückenhaft und die Zahl der Arbeitsplätze werde schön gerechnet. Angesichts der Schließungspläne riefen vor allem die Politiker dazu auf, Nokia zu boykottieren. So kündigten unter anderem der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck und der ehemalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CDU) an, in Zukunft kein Nokia-Handy mehr nutzen zu wollen. Quelle: dapd
Amazon ließ sich im Jahr 1999 die „One-Click-Technik” patentieren, die das Kaufen eines Artikels mit nur einem Klick ermöglichte, da Konto- und Adressdaten einfach aus vorherigen Einkäufen übernommen werden. Richard Stallman, US-amerikanischer Aktivist, Programmierer und Gründer der Free Software Foundation, rief deshalb zum Boykott gegen Amazon auf, da das Patent die Freiheit des E-Commerce unterminiere. Stallman forderte, nichts mehr bei Amazon zu kaufen, bis das Unternehmen aufhöre, andere Internetseiten mit dem Patent zu bedrohen. Zwar wurde Amazon das Patent bereits mehrfach entzogen, der Online-Versandhändler klagte aber mehrfach dagegen und erhielt das Patent wieder zurück. So oder so war der Boykottaufruf Stallmans wenig erfolgreich: Laut Marktwerkt gehört Amazon zu den 50 größten Unternehmen der Welt. Quelle: dpa
Bereits mehrere Boykottaufrufe gab es gegen den amerikanischen Sportartikelhersteller Nike. Bereits 1996 gab es Proteste des „Council of American-Islamic Relations”, da ein „Air”-Logo auf Basketballschuhen aussehe wie der arabische Schriftzug Allah. Im Jahr 2000, unmittelbar vor den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000, rief dann die australische Menschenrechtsgruppe CAAO (Community Aid Abroad-Oxfam) von Nike ausgerüstete Sportler dann dazu auf, sich wegen unmenschlicher Arbeitsbedingungen in Nike-Produktionsstätten von ihrem Sponsor zu trennen. Dem US-amerikanischen Unternehmen schadeten die Schlagzeilen nicht: Nike blieb weiter im Aufwind und steigerte den Nettogewinn zum Jahr 2014 auf 655 Millionen Dollar, der Umsatz betrug 7,4 Milliarden Dollar. Quelle: dapd
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