Rocvin-Insolvenz Streit um die Chauffeure des Bundestags

Der Fahrdienst des Bundestags muss Insolvenz anmelden, weil der Auftrag an den Fuhrpark der Bundeswehr vergeben wird. Der Bundestag begründet das mit dem Umstieg auf Elektroautos. Der Fahrdienst wittert andere Motive.

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Ob die Abgeordneten auch in Zukunft noch deutsch fahren können, ist mehr als unklar. Quelle: picture alliance/dpa

Düsseldorf Wenn die Bundestagsabgeordneten durch Berlin gefahren werden, dann in deutschen Autos. Bislang gehören 52 Fahrzeuge der Mercedes E-Klasse, sechs Fahrzeuge der Mercedes S-Klasse und 65 Audi A6 zur Flotte des Dienstleisters, der den Fahrdienst für den Deutschen Bundestag übernimmt. Ob die Abgeordneten auch in Zukunft noch deutsch fahren können, ist mehr als unklar.

Am 31. Juli 2017 läuft der Vertrag mit dem Berliner Limousinenunternehmen Rocvin aus. Bereits im Januar hatte der Ältestenrat des Bundestags beschlossen, die Fahrbereitschaft umzustellen. Auf Empfehlung einer Kommission, erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert, sei man zu dem Entschluss gekommen, die BW Fuhrpark Service GmbH als neuen Vertragspartner für den Fahrdienst einzusetzen.

Begründet wird die Entscheidung vor allem mit dem Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe. Durch den Einsatz von E-Fahrzeugen solle der „Einstieg in das Konzept nachhaltiger Mobilität“ vollzogen und der CO2-Ausstoß deutlich gesenkt werden, heißt es.

Für Thomas Mohnke, Vorsitzender des Beirats von Rocvin, ist das Argument der „größte Humbug des Jahres“. Tatsächlich sei festgelegt, dass die Fahrten des Bundestags mit Fahrzeugen der oberen Mittelklasse durchgeführt werden müssen. Doch kein deutscher Hersteller könne derzeit Elektroautos der oberen Mittelklasse anbieten. Eine Tesla-Flotte für den Bundestag? Das sei dem Steuerzahler kaum zu vermitteln. „Es wird ein Forderung formuliert, die derzeit nicht zu erfüllen ist“, sagt er.

Sein Unternehmen arbeite seit Jahren daran, den CO2-Ausstoß weiter zu senken. Gegen Widerstand aus dem Bundestag habe man große Teile der Flotte auf Biogas umgestellt. Trotz der vergleichsweise großen Fahrzeuge im Fahrdienst komme man so auf einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 98 Gramm, mittlerweile fahren nach Angaben des Unternehmens 36 Prozent der rund 100 Rocvin-Fahrzeuge fahren mit Biogas. „Wir wären sogar bereit, auf hundert Prozent Elektrofahrzeuge umzustellen“, sagt Mohnke. Doch das sei schlichtweg unmöglich, weil Modelle fehlen.


Schwerer Schlag für das Unternehmen

Für Mohnke ist der Anbieterwechsel vor allem der Versuch, eine längst privatisierte Dienstleistung wieder zu verstaatlichen. Seit der Fahrdienst im Jahr 1999 an private Unternehmen wurde, habe man den Zuschlag für den Auftrag auch bekommen. Nun werde man einfach übergangen. Bereits mit der aktuellen Nachricht wurden dem Unternehmen Kreditlinien gestrichen. Man habe Insolvenz anmelden müssen. Geschlagen geben will Rocvin sich deswegen aber noch nicht. „Es ist zwar keine schöne Situation, aber ich sehe noch nicht, dass die Messe gelesen ist“, sagt Mohnke.

Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf will der Fahrdienst gegen die Entscheidung klagen. Der Bund, erklärt Mohnke, müsse Aufträge zwar nicht ausschreiben, wenn sie an andere Bundesunternehmen vergeben werden. Doch der Fahrdienst der Bundeswehr sei nur zu 75 Prozent im Besitz des Bundes. Die restlichen Anteile gehören der Deutschen Bahn – einem Privatunternehmen. Eine Entscheidung soll im September fallen.

Sollte Rocvin vor Gericht unterliegen, wäre das für das Unternehmen allerdings ein harter Schlag. „Wenn dieser Auftrag wegfiele, wäre das Unternehmen nur schwer zu halten“, sagt Mohnke. Etwa 80 Prozent des Umsatzes macht Rocvin mit den Fahrten des Bundestages. Von den rund 240 Mitarbeitern des Unternehmens arbeiten 85 Prozent im Fahrdienst. Die BW Fuhrpark Service habe bereits damit begonnen, Mitarbeiter abzuwerben. Die Arbeitsbedingungen, betont das Unternehmen, seien für die Mitarbeiter bei Rocvin aber besser als beim Fuhrpark der Bundeswehr. Derzeit bekommen die Fahrer im Schnitt 11 Euro pro Stunde.

Insgesamt hatte Rocvin im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 6,5 Millionen gemacht. Mit rund 200.000 Fahrten ist das Unternehmen der größte Limousinendienst in Deutschland.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, fordert dazu bereits, auf dieses Privileg für Parlamentarier generell zu verzichten. „Auch wenn es mir um die Fahrerinnen und Fahrer leidtut, bin ich dafür, dass wir von dieser altmodischen Institution Abschied nehmen“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Warum nicht Leihfahrräder vor dem Reichstag postieren? In Berlin ist man damit ohnedies zu Terminen oft schneller.“

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