Rote Zahlen seit 2008 Air Berlin fliegt neuen Rekordverlust ein

Negativ-Rekord bei Air Berlin: Die Fluggesellschaft hat im vergangenen Jahr 782 Millionen Euro Miese eingeflogen. Der neue Chef, Thomas Winkelmann, steht bei der Rettung vor eine Mammutaufgabe.

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Rekordverlust bei Air Berlin Quelle: dpa

Air Berlin ist im vergangenen Jahr noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Das angeschlagene Unternehmen machte 781,9 Millionen Euro Verlust, wie die Airline am Freitag mitteilte. Im Vorjahr waren es 446,6 Millionen Euro gewesen.

Pro Tag flog Air Berlin damit im vergangenen Jahr ein Minus von 2,14 Millionen Euro ein. Zu dem höheren Minus trugen einmalige Wertminderungen und Restrukturierungskosten bei, wie es hieß. Der Umsatz sank von 4,08 Milliarden Euro auf 3,79 Milliarden Euro. 

Dass die Jahreszahlen desaströs ausfallen, hatte WirtschaftsWoche Online bereits im Vorfeld berichtet und analysiert

Neben den branchentypischen Problemen - wie dem schwankenden Ölpreis und dem starken Konkurrenzdruck – und den hausgemachten Problemen der Krisen-Airline spielt dabei auch die Strategie des neuen Chefs eine Rolle. An der Spitze der Airline steht seit Februar Thomas Winkelmann, der Nachfolger von Stefan Pichler.

Wie Insider WirtschaftsWoche Online vorab bestätigten, hat Winkelmann angeordnet, auf einige Verschönerungstricks bei der Bilanzrechnung zu verzichten. „Die Finanzer sind angehalten, jetzt endlich mal alles aus dem Keller zu holen, was irgendwie stinkt“, sagte der Airline-Manager. Mit dieser zur Schau gestellten Offenheit sollen Investoren überzeugt und langfristig an Bord geholt werden.

Auch 2017 mit massiven Verlusten gestartet 

Air Berlin steckt schon lange in der Krise, schreibt mit einer einzigen Ausnahme seit 2008 rote Zahlen. Keine Überraschung, dass auch 2017 mit einem Verlust begann. Von Januar bis März stand unterm Strich ein Minus von 293,3 (Vorjahr: -182,3) Millionen Euro. Der tägliche Verlust liegt damit sogar bei gut drei Millionen Euro.

Von einer raschen Besserung geht bei der Fluggesellschaft niemand aus. „Das erste Halbjahr 2017 wird wie 2016 durch die strukturellen Probleme der alten Air Berlin und den hohen Aufwand für den Umbau der Airline geprägt sein“, erklärte dann auch Finanzchef Dimitri Courtelis.

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Seit Ende vergangenen Jahres ist bei der Fluglinie ein Kurswechsel verordnet – wieder einmal. Der geplante Umbau ist radikal: Air Berlin soll sich stärker auf Langstrecken und seine Drehkreuze Berlin und Düsseldorf konzentrieren. Doppelstrukturen fallen weg, Mitarbeiter müssen umziehen – oder Air Berlin den Rücken kehren.

Etihad will Schlussstrich unter das teure Engagement ziehen

Bis zu 1200 Arbeitsplätze gehen verloren. Rund 38 Flugzeuge samt Besatzung sind an die Lufthansa vermietet, andere gehen in ein Ferienflieger-Bündnis mit Tuifly ein. Von den 137 Maschinen, die noch im Herbst für Air Berlin flogen, bleiben 75 – und auch die sind nur geleast. Das Unternehmen betonte, es habe genug Liquidität, um seine Restrukturierung fortzusetzen. 

Ob der Kurswechsel ausreichen wird, ist unklar. Manche Branchekenner sehen die Airline bereits vor dem Aus. Der frühere Lufthansa-Vorstand Adrian von Dörnberg sprach Air Berlin schon vor Monaten die Existenzberechtigung ab. Auch der für seinen aggressiven Kurs bekannte Ryanair-Chef Michael O'Leary meint, man solle die kriselnde Fluggesellschaft am besten ganz einstampfen. Eine Aussage mit Kalkül, denn Ryanair möchte in Deutschland wachsen.



Unklar ist derweil, wie es mit der wichtigsten Partnerschaft von Air Berlin weitergeht. Die schnell wachsende Airline Etihad war 2011 bei Air Berlin mit 29 Prozent eingestiegen und hält die Gesellschaft seitdem mit Finanzspritzen von etwa 1,5 Milliarden Euro in der Luft. Die Etihad-Eigner, die Herrscherfamilie des ölreichen Gold-Emirates Abu Dhabi, wollen jedoch einen Schlussstrich unter das teure Engagement ziehen. Zu spüren bekam das bereits die zweite namhafte europäische Etihad-Beteiligung Alitalia, die nun am Rande der Pleite steht.

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Am Freitag sicherte Etihad Air-Berlin-Chef Winkelmann vorerst weitere Unterstützung zu. „Etihad wird weiterhin Air Berlin bei ihrem Restrukturierungsprozess unterstützen“, sagte Eithad-Vorstandschef James Hogan laut einer Mitteilung. „Wir sehen die ersten Strukturveränderungen, die nötig sind, um eine nachhaltige Zukunft für Air Berlin zu schaffen. Die Finanzergebnisse zeigen, dass substantielle Arbeit geleistet werden muss, aber ich glaube daran, dass die im September 2016 vorgestellte Strategie die richtige ist, und mit Thomas Winkelmann haben wir den richtigen Mann an der Spitze, um die nötigen Veränderungen voranzutreiben.“ 

Was Hogans Worte wert sind, ist freilich unklar. Denn der bullige Australier hat de facto keine große Macht mehr bei der arabischen Staatslinie. Er wird wohl noch vor Ende des Sommers ausscheiden.

Air-Berlin-Chef Winkelmann lobte am Freitag die Zusammenarbeit mit den Arabern. Er wolle den begonnenen Umbau von Air Berlin „mit aller Konsequenz und noch schneller als geplant vorantreiben“. Zugleich hielt Winkelmann sich aber auch weitere Optionen offen: „Air Berlin zum Erfolg zu führen, das heißt auch: Wir sind offen für neue Partnerschaften und neue Kooperationen.“

Mit Material von dpa und Reuters

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